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Was Bauunternehmen von ihren Lieferanten erwarten

Was Bauunternehmen von ihren Lieferanten erwarten Foto: iStock

Im Zuge der Digitalisierung verändert sich auch das Verhältnis von Kunden und Lieferanten. Was noch vor wenigen Jahren Standard war, kann heute ein absolutes No- Go sein, was eben noch ein Alleinstellungsmerkmal war, zum Must-have geworden sein. Der Bau & Immobilien Report hat führende Bauunternehmen gefragt, was sie von ihren Lieferanten erwarten, was gar nicht mehr geht und wofür sie sogar bereit wären, tiefer in die Tasche zu greifen.               

Die Konjunktur trübt sich ein. Und wenn sich das Wachstum einbremst, steigt die Bedeutung des Einkaufs. Dazu kommt, dass sich das Verhältnis von Kunden und Lieferanten durch die fortschreitende Digitalisierung laufend verändert. Das gilt auch für Bauunternehmen und ihre Zulieferer. Fakt ist: Die Erwartungen der Bauunternehmen sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen.

»Die Zusammenarbeit aller Akteure der gesamten Wertschöpfungskette Bauen war schon immer ein wichtiger Aspekt der Branche, erfährt aber im Zuge der Digitalisierung einen maßgeblichen Paradigmenwechsel«, sagt Porr-CEO Karl-Heinz Strauss. Dem begegnet man bei der Porr mit der Verknüpfung eines starken Zentraleinkaufs mit einer dezentralen Beschaffung. Die Arbeitsteilung zwischen Lead Buyers und Local Buyers soll die bestmögliche Kombination von konzernweiter Mengen- und Preisoptimierung mit lokaler Baustellenkenntnis gewährleisten. »Die lückenlose Digitalisierung unterstützt und ermöglicht die optimale Verschränkung dieser beiden Beschaffungseinheiten«, so Strauss. Eine hohe Affinität zu digitalen Lösungen erwartet auch Rupert Grienberger, Leiter Bau und Ressourcen in der Geschäftsführung von Rhomberg Bau.

Bild oben: »Bei der Strabag beschäftigen wir uns intensiv mit der Digitalisierung der Lieferkette. Aufgrund der hohen Auslastung der gesamten Industrie ist es aber derzeit gar nicht möglich, einzelne Lieferanten auszuschließen, nur weil sie nicht über eine passende Schnittstellenanbindung verfügen«, sagt Gerald Malits, zuständig für Digitalisierung und Geschäftsprozesse.

»Es ist uns wichtig, dass wir unkompliziert, flexibel und mit vollem Datenaustausch Zugang zu den Leistungen und Produkten unserer Lieferanten erhalten. Ohne passende Schnittstellen geht das nicht. Portale sollen direkt von der Baustelle ansprechbar und für unsere Bedürfnisse konfigurierbar sein. So wünschen wir uns zum Beispiel E-Shops mit auf uns zugeschnittenen Sortimenten und Abrufberechtigungen.« Der direkte Abruf von der Baustelle, in Verbindung mit dem zugehörigen Datenfluss in die eigenen Systeme, ermöglicht dann eine gravierende Verschlankung der Material- und Gerätebewirtschaftung.

Wünsche und Forderungen

Neben der Verschlankung der Prozesse erwarten und fordern die Unternehmen auch durch die Bank mehr Transparenz. »Unsere Wünsche sind Transparenz in der Lieferkette, rasch verfügbare Produktinformation und Datenblätter, sowie ein zuverlässiges Lieferdatum«, erklärt Elmar Hagmann, Geschäftsführer Sedlak Bau. »Schön wäre es auch, wenn Produktkataloge, Preise und Rabattstaffeln über eine gewartete Datenbank direkt in die Baukalkulation übernommen werden könnten.«

Für Hubert Wetschnig, CEO der Habau Group, müssen Lieferanten vor allem kompetente Partner sein, die effizient und rasch die richtigen Informationen digital liefern. »Eine workflowbasierte elektronische Rechnungslegung, eine Übergabe von Daten, die flexible Auswertungen im Controlling, Mengenanalysen oder auch Umsatzauswertungen für den Einkauf müssen entsprechend unterstützt und in den Prozessen verankert sein«, fordert Wetschnig, der zudem eine rasche Angebotslegung in Kombination mit Abruf- und Lieferfristen, die direkt auf der digitalen Bestandsverwaltung des Lieferanten aufbauen, als absolutes Must-have sieht.
Bei Swietelsky werden die Anforderungen und Erwartungen an die Lieferanten unter dem Begriff der »digitalen Kommunikationsabwicklung« zusammengefasst. Darunter versteht Monika Ehlers, Leiterin des Bereichs Digitale Unternehmensentwicklung, die umfassende Abwicklung aller Interaktionen mit dem Lieferanten vom Zeitpunkt des ersten Kontakts bis zum Ende der vertraglichen Laufzeit und gegebenenfalls sogar darüber hinaus.

Bild oben: »Dubletten sind absolute No-Gos. Da sind auch die Lieferanten gefordert, die Zusammenarbeit an einem zentralen Dokument zu ermöglichen«, sagt Monika Ehlers, Bereichsleiterin Digitale Unternehmensentwicklung bei Swietelsky.

»Sämtliche Kommunikation sollte digital und über klar definierte Kanäle erfolgen. Nur so kann der Informationsfluss auch im Nachhinein rasch und unkompliziert nachvollzogen werden«, sagt Ehlers. Dabei sei auch die digitale Lagerhaltung zu erwähnen, die für Baustellen vor allem im Bereich der Klein- und Hilfsmaterialien schnell einen aktuellen Überblick bieten würde, der sonst nur mühsam zu erheben ist. Entsprechend des Baufortschritts könnte somit rasch auf die sich ändernden Anforderungen hinsichtlich der gerade benötigten Materialien reagiert werden. Dafür braucht es ein gemeinsames Arbeiten an BIM-Modellen, einen klar ersichtlichen Auftragsstatus und einen gemeinsamen Wissensstand hinsichtlich der angewendeten Technik. »Wir wollen zusammen arbeiten, statt uns von Beginn an über Nachträge zu unterhalten«, sagt Ehlers.

Die Digitalisierung der Lieferkette steht auch bei der Strabag weit oben auf der Agenda. Allerdings weiß Gerald Malits, zuständig für Digitalisierung und Geschäftsprozesse in Österreich, dass vor allem die Vielzahl an Lieferanten und Subunternehmen sowie das Fehlen industrieweiter Standards derzeit noch einige Hürden darstellen. Damit müsse man sich immer wieder individuell auf neue Partner einstellen. Da sich die gesamte Industrie zudem gerade in einer Phase hoher Auslastung befindet, könne man auch nicht einfach Lieferanten ausschließen, nur weil sie etwa nicht über eine passende Schnittstellenanbindung verfügen. »Allerdings rüsten wir uns natürlich für die Zukunft  und daher können Lieferanten bereits heute damit punkten, wenn sie sich mit diesem Thema befassen«, sagt Malits.

Blick in die Zukunft

Langfristig wünschen sich mehrere Branchenvertreter auch eine Art smartes Baulogistikcenter. Dieses sollte in der Lage sein, für verschiedene Gewerke gleichzeitig, unter voll Ausnutzung der Transportkapazitäten, die Baustelle zu beliefern. Die Bestellung könnte dabei über eine webbasierte Applikation erfolgen, und zwar derart, dass der Besteller einsehen kann, wann die Baustelle mit welcher freien Kapazität das nächste Mal angefahren wird.

Bild oben: »Eine rasche Angebotslegung in Kombination  mit Abruf- und Lieferfristen, die wiederum direkt auf die digitale Bestandsverwaltung des Lieferanten aufbauen, sind heute unerlässlich«, sagt Hubert Wetschnig, CEO Habau Group.

Einen echten Wettbewerbsvorteil können sich Lieferanten auch mit intelligenten BIM-Tools verschaffen. Als Beispiel dafür sei das Knauf-Plugin für Revit und Archicad genannt, das Zugriff auf mehr als 4.000 Decken-, Boden- und Wandsysteme bietet und aufgrund des Single-Source-Prinzips immer die aktuellen Produktdaten zur Verfügung stellt.

Einen echten Wettbewerbsvorteil für Lieferanten werden in Zukunft auch Virtual- und Augmented-Reality-Lösungen bieten. Durch die Visualisierung im Vorfeld können Fehler durch unterschiedliche Interpretationen vermieden werden. »Ergänzt man diese Methode durch ›Remote Experts‹, die sich über VR- und AR-Tools zum Techniker vor Ort verbinden und diesen in der Schadensbehebung unterstützen oder die geplante Ausführung erklären, haben wir deutlich an Qualität und Geschwindigkeit gewonnen«, ist Ehlers überzeugt. Diese Leistungen könnten sich als kostenpflichtige, jedoch rasche Alternative zu bisherigen Wartungstätigkeiten etablieren.
Gespalten zeigt sich die Branche derzeit noch hinsichtlich elektronischer Lieferscheine.

Während man etwa bei der Porr darin einen echten Mehrwert sieht, zeigen sich andere wie Leyrer + Graf skeptisch. »Aus unserer Sicht ist der Prozess auf den Baustellen und die Übernahme noch nicht ausreichend ausgereift“», sagt Einkaufsleiter Heinz Dirnberger. Die Lieferscheine seien inhaltlich meist sehr umfangreich mit vielen verschiedenen Parametern. »Das müsste zumindest auf einem Tablet präsentiert werden, um einen guten Überblick zu haben, und der digitale Lieferschein müsste nach dem Freigabeprozess unmittelbar elektronisch auf einer Plattform abgelegt werden.« 

Fazit

Einigkeit herrscht darüber, dass digitale Prozesse den persönlichen Kontakt mit dem Berater nicht ersetzen, sondern ergänzen. »Umso wichtiger wird es zukünftig sein, dass Personal auf beiden Seiten über das nötige Know-how verfügt, die komplexen digitalen Tools und Systeme auch vollumfänglich bedienen zu können«, sagt Hubert Wetschnig.


Die Must-haves

Was Lieferanten heute bieten müssen

- Elektronische Rechnungslegung
- Transparente Lieferkette
- Echtzeitinformationen zum gesamten Beschaffungsvorgang
- Aktuelle Statistiken und Auswertungen zum Beschaffungsprozess
- Durchgängige Datensynchronisation und Just-in-time-Lieferungen
- Cloud-Computing und Software-as-a- Service für ortsunabhängiges Arbeiten
- Tagesaktueller, digital zugänglicher Lagerbestand
- Digitales Katalogsystem
- Artikeldaten zur Verwendung im ERP
- Digitale Preiswartung

Quelle: Für die vorliegende Liste hat der Bau & Immobilien Report 15 führende Vertreter von Bauindustrie und Baugewerbe befragt. Angeführt sind die häufigsten Nennungen.


Die No-Gos

Was Lieferanten heute nicht mehr tun sollten

- Ungewünschte Zusendung von Informationen und Produktdatenblättern
- Dubletten in der Datenhaltung
- Digitale Nicht-Erreichbarkeit
- Angebote, die nicht auf Basis der Ausschreibungen ausgepreist werden
- Medienbrüche (Faxgeräte; handschriftliche Angebote und/oder Rechnungen)
- Unerlaubte oder unachtsame Datenweitergabe
- Unflexible Logistik und Disposition

Quelle: Für die vorliegende Liste hat der Bau & Immobilien Report 15 führende Vertreter von Bauindustrie und Baugewerbe befragt. Angeführt sind die häufigsten Nennungen.


Die Cashcows

Wofür Bauunternehmen bereit wären, tiefer in die Tasche zu greifen

Natürlich zahlt niemand gerne mehr. Einige Punkte werden aber doch genannt, für die man den einen oder anderen Euro mehr auslegen würde.
- Kompatibilität der digitalen Systeme
- Virtual- und Augmented-Reality-Lösungen
- Angebotslegung mit digitalen Modellen auf Pauschale-Niveau
- BIM-Lösungen
- Frühzeitige Unterstützung in der Projektabwicklung

Quelle: Für die vorliegende Liste hat der Bau & Immobilien Report 15 führende Vertreter von Bauindustrie und Baugewerbe befragt. Angeführt sind die häufigsten Nennungen.

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