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Streit am Bau

Streit am Bau Foto: iStock

Mediation als Konfliktlösungsinstrument spielt in der Bau- und Immobilienbranche noch eine untergeordnete Rolle. Man streitet lieber vor Gericht. Das ist teuer und ineffizient.

Der Autor dieser Zeilen ist im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt in den letzten Jahren zunehmend mit Streitigkeiten aus »verunglückten« Bauprojekten befasst. Die Sachverhalte sind meist aufgrund der Vielzahl an Beteiligten hochkomplex. »Verschärfend« kommt hinzu, dass die Vertragsnetze nicht selten völlig unabgestimmt aufeinander und damit die Verantwortlichkeiten unklar sind. In der Projektvorbereitungsphase wird (meist aus Gründen vermeintlicher Kostenersparnis) nicht auf ein professionelles legal management geachtet. Oft ist es auch so, dass die Vertragsentwürfe von den Auftragnehmern kommen, dann meist »copy paste« von einem anderen Projekt; ganz originell, wenn sich im Text dann noch Verweise auf dieses andere Projekt finden. Weiters zeigt die Erfahrung, dass die wenigsten Beteiligten die Verträge lesen oder gar als Leitlinie im Zuge der Projektumsetzung anwenden; Vertragserstellung und professionelles Vertragsmanagement werden (leider viel zu) oft als Belästigung oder lästige Nebensache angesehen.

Dann kommt, wie das Amen im Gebet, der Streitfall. Jetzt zeigt sich (aus Sicht des Anwalts) regelmäßig folgendes Phänomen: Kosten spielen plötzlich keine Rolle mehr oder nur noch eine untergeordnete Rolle. In der Projektvorbereitungsphase gab es keine Kostenstelle für legal management und Rechtsberatung, jetzt ist die Kostenstelle kein Thema mehr.

Aus Sicht des Autors ein »Klassiker« die Antwort eines Mandanten auf die Frage, warum er erst jetzt zum Anwalt kommt und anwaltliche Unterstützung nicht schon in der Projektvorbereitungsphase in Anspruch genommen hat: »Herr Doktor, da haben wir noch kein Problem gehabt.«

Vertrag und Wirklichkeit

Die Verträge werden aus der Schublade geholt und von Anwälten und Technikern analysiert. Unfassbar viele Arbeitsstunden fließen – völlig unproduktiv – in die Aufarbeitung der Fehler und Versäumnisse der Vergangenheit sowie die Erarbeitung einer Prozessposition. Dann stellt sich spätestens vor Gericht, heraus, dass die Vertragslage »vertrackt« ist und Vertragslage und Wirklichkeit in der Projektabwicklung nicht zusammenpassen. Das ist der ideale Nährboden für jahrelangen Streit ohne Aussicht auf eine Lösung.

Die Erfahrung zeigt, dass Baustreitigkeiten in den seltensten Fällen »ausgestritten«, dh mit Urteil, abgeschlossen werden. Nach einiger Zeit wird der »Leidensdruck« (der »Kostentaxameter« läuft unerbittlich vor Gericht) so groß, dass Vergleichsgespräche gesucht werden. Zunehmend sind es auch die RichterInnen, die auf einen Vergleich oder eine Mediation dringen, weil sie klar erkennen, dass das Gerichtsverfahren keine Lösung, jedenfalls nicht in vernünftiger Zeit und zu vernünftigen Kosten, bringen wird.

Chance durch Mediation

Aus Gesprächen mit Wirtschaftsmediatoren weiß der Autor, dass nahezu alle Fälle, die diese  bekommen,  nicht aus dem Wissen der bei den Beteiligten verantwortlichen Personen um das Streitlösungsinstrument Mediation entstanden sind, sondern sie in der Regel (i) von RichterInnen   geschickt werden bzw. der  Mediator von den RichterInnen gleich  in die erste Gerichtsverhandlung eingeladen wird, (ii) von  privaten Bekannten, die den Mediator beruflich kennen, an diesen verwiesen werden, (iii) von dem einen oder anderen Rechtsanwalt aus eigener Erfahrung  empfohlen werden oder  (iv) aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung eine Mediation durchführen müssen, bevor sie klagen.
Auch Rechtsanwälte scheuen sich manchmal, eine Mediation zu empfehlen, weil sie fürchten (i) kein oder weniger Honorar zu bekommen, (ii) die Auswahl des Mediators dem Klienten gegenüber verantworten zu müssen und/oder (iii) auch sie zu wenig über ihre Aufgabe und den Ablauf in der Mediation wissen,

Es zeigt sich jedoch, dass die Mediation ein wert- und sinnvolles Instrument sein kann, komplexe Streitfälle (insbesondere auch Streitfälle mit einer Vielzahl von Beteiligten mit, wie erwähnt, üblicherweise völlig unabgestimmten Vertragsnetzwerken) in einer für alle Beteiligten akzeptablen und letztlich vorteilhaften Weise einer Lösung zuzuführen. Dabei geht es nicht nur um den konkreten Streitfall, sondern ist auch der eherne Grundsatz »man trifft sich immer zwei Mal im Leben« zu berücksichtigen: Gerade in der Bauwirtschaft treffen sich dieselben »Player« immer wieder. Es ist daher durchaus mehr als einen Gedanken wert, im Zuge eines aktuellen Streitfalles auch Auswirkungen auf die zukünftigen Beziehungen zwischen den Streitteilen zu beachten (und zu bewerten).

Es lohnt sich daher, sich mit dem Streitlösungsinstrument der Mediation auseinander zu setzen. Aus anwaltlicher Sicht daher  die für manche überraschend Empfehlung (»Herr Doktor, das ist doch gegen Ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen?«), vor oder spätestens bei Ausbruch von Streitigkeiten ein Mediationsverfahren zu überlegen. Nachdem die Parteien, insbesondere bei komplexen Baustreitigkeiten sowieso  mit einem entsprechenden Vorschlag des Richters konfrontiert sein werden: warum eigentlich nicht gleich?

Sachverhalt klären

Zur Rolle des Anwalts in einem Mediationsverfahren: Ungeachtet der Tatsache, dass im Mediationsverfahren kein Anwaltszwang besteht, können Anwälte (entsprechende Lösungsorientierung vorausgesetzt) auch aus Sicht des Mediators durchaus einen konstruktiven und wertvollen Beitrag für eine Bereinigung leisten. Jedenfalls sollte der Anwalt iZm der Klärung der Rahmenbedingungen einer Mediation, etwa der Erstellung der Mediationsvereinbarung und zur Prüfung von Verjährungsthemen, beigezogen werden. Der Anwalt kann aber aus Sicht des Mediators auch einen wichtigen Beitrag bei der Aufarbeitung und Klärung des Sachverhalts leisten. Die Erfahrung  zeigt, dass die Streitteile zu Beginn eines Mediationsverfahrens meist von völlig unterschiedlichen, einander geradezu ausschließenden Sachverhalten ausgehen. Der erste Schritt muss daher immer die Klärung und größtmögliche Außerstreitstellung des Sachverhalts sein. Dabei zeigt sich sehr oft, dass die Berichte der Projektmanagementebene an die Geschäftsführung/den Vorstand – vorsichtig ausgedrückt – »gefärbt« sind, jedenfalls in unterschiedlicher Ausprägung nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen. Dasselbe gilt im Übrigen auch im Verhältnis Geschäftsführung/Vorstand zu Gesellschaftern. Dieses Phänomen ist menschlich durchaus verständlich, für eine objektive Feststellung des Sachverhalts und eine vergleichsweise Bereinigung eines Streitfalles allerdings absolutes Gift.

Verpflichtende Mediation

Mehr als einen Gedanken wert ist auch die Überlegung, ob nicht bei komplexen Bau- oder Infrastrukturprojekten in sämtlichen Verträgen eine verpflichtende Mediation, und zwar gleich ab dem Zeitpunkt des Entstehens eines Konflikts zwischen zwei oder mehreren Beteiligten (»Klassiker«: Schnittstellen Bauherr – Planer  – Generalunternehmer), sinn- und vorteilhaft sein könnte. In der Entstehungsphase von Konflikten beginnt es mit  Mail-Eskalationen, sehr rasch gefolgt von  wechselseitigen Schuldzuweisungen, die für einen ungestörten Bauablauf ganz sicher nicht förderlich sind.

Der Autor:

Alfred Nemetschke ist Rechtswalt und Miteigentümer der auf Immobilienrecht spezialisierten Kanzlei Nemetschke Huber Koloseus Rechtsanwälte GmbH.

Info: www.nhk-rechtsanwaelte.at

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