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Zwischen Schulung und Schalung

Lebenslanges Lernen ist eine Erfolgsstrategie – auch am Bau. Und sie macht sich bezahlt: Gerade in der Baubranche gelten die Aufstiegschancen als sehr gut und können über die zahlreichen Weiterbildungsangebote individuell genutzt werden. Wie lässt sich die Karriere am Bau nun planen? Welche Qualifikationen sind gefragt? Mit welchen neuen Berufsbildern kann gerechnet werden – und welche Chancen haben Frauen in der Männerdomäne Bauwesen? Von Karin Legat

Viele Baumeister haben selbst als Lehrling begonnen. Vor allem junge Menschen haben die besten Chancen und Aufstiegsmöglichkeiten«, berichtet Christina Zwickl, Consultant bei der Grayling Austria GmbH, aus dem Baualltag. Die klassische Karriereleiter beginnt nach der Lehre beim Facharbeiter und kann über Vorarbeiter- bzw. Polierausbildung zum Bauleiter, Techniker oder bis zum Baumeister führen. Lehrstellen bieten im österreichischen Bauwesen großes Potenzial, nicht nur in Hinblick auf die beruflichen Perspektiven, sondern auch auf die Verdienstmöglichkeiten. Maurer, Schalungsbauer und Tiefbauer zählen zu den bestbezahlten Lehrberufen in Österreich. Gerade in diesen Berufsgruppen besteht auch der größte Bedarf. »Wir benötigen dringend Facharbeiter, daher investieren wir mit Nachdruck in die Lehrlingsaus- und Weiterbildung«, erklärt Michael Pichler, Leiter des Bereichs Recruiting & Personalentwicklung bei der Alpine. »Weiterbildung ist ein wesentlicher Teil des Wertschöpfungs­prozesses. Sie ist kein Belohnungsfaktor. Sie muss auch in schwierigen Zeiten angeboten werden. Im Bau wird diesbezüglich noch viel zu wenig gemacht.« ABAU Personalexpertin Margit Bencic unterstreicht das. »Lebenslanges Lernen ist für Facharbeiter noch ein Fremdwort, wobei Training on the job natürlich permanent erfolgt. Bauen erfordert aber höchste technische Kompetenz, Lösungsorientierung, Flexibilität und Projektmanagement. Die Weiterbildungskultur darf nicht bei den Vorarbeitern und Polieren enden, sie muss auch die Facharbeiter umfassen.«

Bildungsphase Lehre

Der erste Schritt auf der Karriereleiter ist leicht zu setzen: Mit handwerklichem Geschick, mathematischen Fähigkeiten, technischem Interesse und der Begabung für räumliches Denken sind am Lehrberuf Interessierte dabei. Die Bereitschaft zur Weiterbildung, aber auch für einen Auslandseinsatz, gilt für alle Mitarbeiter. »Wir gehen in die weite Welt hinaus. Mitarbeiter sollen daher bereit sein, eine gewisse Zeit im Ausland eingesetzt zu werden. Offenheit für fremde Kulturen, Sitten und Gebräuche ist unumgänglich«, zeigt der Alpine-Personalent­wicklungs­chef auf. Für seine Berufskollegin von ABAU ist zudem Sozialkompetenz ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor. »Optimale Teamarbeit ist von entscheidender Bedeutung für das Klima in der Mannschaft und damit für die Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen und für die Produktivität. Ein guter Ton trägt auch zur längst fälligen Imageaufwertung der Bauberufe bei. Von Bedeutung ist weiters die Zusammenarbeit mit Kunden und Partnern, die sich am Markt über Mundpropaganda multipliziert und die Wettbewerbsposition des Unternehmens lenkt.«

Lehre mit Zukunft
In den letzten Jahren war zunehmend von einem drohenden Lehrlings- und Facharbeiter­mangel die Rede. Die Geschäftsstelle Bau der WKO hat darauf mit einer bundesweiten Lehrlingsinitiative reagiert – mit Erfolg. Der Abwärtstrend konnte sogar umgekehrt werden. Seit 2004 steigen die Lehrlingszahlen in den Hauptbauberufen (Maurer, Tiefbauer, Schalungsbauer in Einzel- und Doppellehren) wieder um rund 14 %. Vor allem die Doppellehre Maurer/Schalungs­bauer oder Schalungsbauer/Tiefbauer ist stark im Kommen.

Bau der Zukunft
»Die Lehrlingsausbildung ist unumstritten die wichtigste Personalsäule im Baugewerbe«, wertet Bencic. Neue Ausrichtungen im Bauwesen finden hier ihren ersten Niederschlag. Derzeit dominieren Nachhaltigkeit und altersgerechtes Bauen. Aufgrund der demografischen Entwicklung steigt die Notwendigkeit, Wohnraum altengerecht umzugestalten. Damit das Baugewerbe dieses Betätigungsfeld umfassend und kompetent abdecken kann, plant die Bundesinnung Bau ab Herbst entsprechende Spezialseminare. »Barrierefreies Bauen wird an allen österreichischen BAUAkademien ein Schwerpunkt,« berichtet WKO-Bauexperte Peter Scherer. »In diesen zweitägigen Veranstaltungen werden Planungs- und Ausführungsgrundlagen ebenso vermittelt wie Fördermöglichkeiten und Beratungskompetenzen für altengerechtes Bauen. Damit soll ein flächendeckendes Netz an fachspezifischen Ansprechpartnern geschaffen werden. Das erste Seminar startet im September in Wien.« An Bedeutung gewinnen seit Jahren auch energietechnische und bauphysikalische Schwerpunkte. Der Fokus dabei liegt auf Passiv-, Niedrigenergie- und Plushaus.
Energieeffizienz und Nachhaltigkeit sind sowohl im Planungsbereich als auch in Neu- und Umbau wesentliche Zielgrößen. Nicht nur der Gestaltung neuer Ausbildungsmaßnahmen, sondern auch der Integration dieser Themen in alle relevanten Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen wird derzeit hohe Beachtung geschenkt. Mit der steten Zunahme technischer Einrichtungen im Gebäudewesen werden auch interdisziplinäre Ausbildungen an der Schnittstelle vom Bau zur Haustechnik für die bauausführende Wirtschaft unumgänglich. Das ist vor allem dann wichtig, wenn Bauunternehmen selbst zu Betreibern werden. »Mängel in der Ausbildung fallen uns sonst selbst auf den Kopf. Das Bewusstsein für nachhaltiges und qualitativ hochwertiges Bauen muss intensiviert werden, es muss ganzheitlicher gedacht werden«, mahnt Pichler von der Alpine seine Kollegen.
»Ein Bauprojekt ist ein hoch komplexer Prototyp, der sehr hohe Anforderungen stellt«, weiß Scherer. »Die Unternehmen reagieren darauf. Laut einer Studie im Rahmen der Kampagne ›Karriereklettern am Bau‹ setzen 90 % der teilnehmenden Mitarbeiter und deren Arbeitgeber auf regelmäßige Weiterbildungsmaßnahmen.«
 »Jährlich absolvieren rund 13.000 Personen in über 150 verschiedenen Baufachthemen eine Aus- oder Fortbildung. Zusätzlich durchlaufen 3.900 Lehrlinge pro Jahr ihre zwischenbetriebliche Zusatzausbildung an den BAUAkademien. Besonders gefragt sind Kurse in Spezialgebieten wie Bauschadensver­meidung, Energieeffizienz und BWL/Recht/Management.«
Alpine Personalmanager Pichler berichtet aus der Praxis: »Wir investieren auch nächstes Jahr wieder namhafte Beträge in die Aus- und Weiterbildung. Die große Bandbreite an Berufsbildern erfordert natürlich ein unterschiedliches Angebot. Polieren bieten wir Fortbildungsmaßnahmen bezüglich Führung, Mitarbeitermotivation, Rechtsfragen und Zeiterfassung. Arbeitssicherheit hat bei uns oberste Priorität, daher dominiert dieses Thema die Schulungen bei Bauarbeitern. Auch Lehrlinge werden ab ihrem ersten Tag für Sicherheitsthemen sensibilisiert. Bei Technikern, in der Regel sind das Absolventen von HTLs, FHs oder der TU, liegt der Weiterbildungsfokus stark auf rechtlichen und kaufmännischen Aspekten. Techniker erhalten in Österreich eine sehr gute fachliche Ausbildung, aber in Bezug auf rechtliche oder kaufmännische Themen bestehen Wissenslücken. Nicht zuletzt fördern wir auch ein gesundes Selbstbewusstsein bei unseren Mitarbeitern. Es hat wenig Sinn, wenn der Mitarbeiter fachlich perfekt ist, aber seine Leistungen menschlich nicht rüberbekommt«, gibt Pichler zu bedenken.

Eine Frau steht ihren Mann
Ein besonders ausgeprägtes Selbstbewusstsein in der Männerdomäne Bauwesen brauchen Frauen. Zwar sind auf der Bauherrenseite immer öfters Frauen vertreten, am Bau ist der Anteil an weiblichem Personal aber gering. »Aktuell beträgt der Frauenanteil im gesamten Bauwesen etwa 12 %«, berichtet WKO-Mann Scherer. In der Planung und Bauleitung finden Frauen gute Berufsmöglichkeiten. Aufgrund des in den letzten Jahren gestiegenen Frauenanteils in den Universitäten, FHs und HTLs stehen mehr gut ausgebildete Frauen für diese Positionen zur Verfügung. Beim Lehrberuf »Bautechnischer Zeichner« liegt laut WKO die Frauenquote bei fast 50 %. »In der Lehre am Bau findet man Frauen insgesamt jedoch noch kaum«, bedauert Margit Bencic. »Allerdings schnuppern im Rahmen des jährlichen ›Girls’ Day‹ auch Mädchen auf den Baustellen«, gibt Bencic abschließend Grund zur Hoffnung. Peter Scherer ergänzt: »Für Baumeisterinnen und Unternehmerinnen gibt es viele Beispiele erfolgreicher Karrieren. Im Burgenland haben wir mit BM Maria Epple sogar eine durchsetzungskräftige Landesinnungsmeisterin.«

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