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»Die Baukosten sind davongaloppiert«

"Die Freude über die hohe Auslastung wurde durch massiv steigende Baukosten getrübt. Es ist nahezu unmöglich, die Kostensteigerungen in den Verträgen mit den Endkunden unterzubringen", sagt Hans-Werner Frömmel. "Die Freude über die hohe Auslastung wurde durch massiv steigende Baukosten getrübt. Es ist nahezu unmöglich, die Kostensteigerungen in den Verträgen mit den Endkunden unterzubringen", sagt Hans-Werner Frömmel.

Im Interview mit Report(+)PLUS spricht Hans-Werner Frömmel, Bundesinnungsmeister der Bundesinnung Bau, über sinkende Margen trotz steigender Umsätze, konkrete Maßnahmen gegen den Facharbeitermangel und die Herausforderungen für die Bau-Sozialpartner in einer aufgeladenen Atmosphäre

(+) plus: Das Konjunkturhoch lässt auch die Bauwirtschaft boomen. Gleichzeitig ist die Baubranche gekennzeichnet von äußerst geringen Margen. Können die Unternehmen die Hochkonjunktur nutzen, um die Margensituation zu verbessern?

Hans-Werner Frömmel: Leider nein. Zwar ließ das Jahr 2018 hinsichtlich der Baunachfrage wenig Platz für Beschwerden und unsere Mitgliedsbetriebe freuten sich über eine sehr gute Auslastung. Allerdings wurde diese Freude durch massiv steigende Baukosten, z.B. für Stahl und erdölabhängige Baustoffe, getrübt. Die Baukosten stiegen teilweise mit einem Tempo und in einem Ausmaß, welche es den Bauunternehmungen nahezu unmöglich machten, diese Kostensteigerungen in den Verträgen mit ihren Endkunden unterzubringen. Die unerfreuliche Konsequenz: sinkende Margen trotz steigender Umsätze. Wenn man sich die Indizes der letzten zehn Jahre ansieht, muss man feststellen, dass die Baukosten den Baupreisen, sprich das, was Baufirmen für ihre Leistungen am Markt lukrieren, regelrecht davongaloppiert sind.

(+) plus: Immer öfter ist auch von Schattenseiten der Hochkonjunktur zu hören – Stichwort Facharbeitermangel. Auch die Bauwirtschaft bleibt davon nicht verschont. Wenn man sich die seit Jahren rückläufigen Lehrlingszahlen ansieht: Ist das Problem zum Teil auch hausgemacht?

Frömmel: Gerade im abgelaufenen Jahr 2018 war es nahezu unmöglich, die erforderliche Zahl an qualifizierten Mitarbeitern zu finden. Was unter dem Stichwort »Fachkräftemangel« bereits aus den Vorjahren als latentes Branchenproblem bekannt war und ist, hat nunmehr weite Bereiche des Bau-Arbeitsmarktes erfasst: Nicht nur klassische Facharbeiter mit Lehrabschluss, sondern auch angelernte Bauarbeiter und Bauhilfsarbeiter sind mittlerweile vielerorts Mangelware. Diese prekäre Arbeitsmarktlage hat uns darin bestärkt, die laufenden Bemühungen zur Fachkräftesicherung – und da gibt es viele Maßnahmen, deswegen kann ich kein »hausgemachtes« Problem erkennen – noch einmal zu verstärken. Wir wollen neue Impulse setzen, um Bauberufe künftig sowohl für die Jugend als auch für Quereinsteiger bzw. Berufsumsteiger noch attraktiver zu machen.

(+) plus: Welche Impulse und Maßnahmen sind das konkret?

Frömmel: Da gibt es viele: Mit unserem bundesweiten Bau-Lehrlingscasting wollen wir die besten Jugendlichen für eine Baulehre begeistern und so für ausreichend Fachkräfte am Bau sorgen. Unsere Lehrlingskampagne »BauDeineZukunft« soll das Image der Baulehre anheben. Wir senden jedes Jahr einen Teilnehmer zu den internationalen Berufswettbewerben und in der Regel sichern sich unsere jungen Bau-Fachkräfte WM- bzw. EM-Medaillen und unterstreichen damit das hohe Niveau der österreichischen Bau-Ausbildung. Last but not least: Beginnend mit 2019 erhalten alle Baulehrlinge im zweiten Lehrjahr gratis ein Tablet zur Vorbereitung auf die Lehrabschlussprüfung. Dieser Maßnahme der Bauverbände hat WKÖ-Präsident eine »Signalwirkung für andere Branchen« attes­tiert. Da sind wir schon recht stolz.

(+) plus: Für viel Diskussionsstoff hat im abgelaufenen Jahr das neue Arbeitszeitgesetz gesorgt. Die einen sprechen von einer notwendigen Flexibilisierung auf freiwilliger Basis, die anderen bezweifeln die Praxistauglichkeit der Freiwilligkeit und fürchten Einbußen bei Zuschlägen und vom Arbeitgeber aufgezwungene Mehrarbeit. Welche Auswirkungen wird das Gesetz auf den Bau haben?

Frömmel: Die Auswirkungen werden überschaubar bleiben, denn der Zwölfstundentag kam schon vor der Novelle in der Praxis legal vor. Schon bisher konnte am Bau die Grenze auf zwölf Stunden am Tag und 60 Stunden in der Woche ausgedehnt werden. Voraussetzung dafür war eine Betriebsvereinbarung.  Solche Betriebsvereinbarungen waren bisher gelebte Praxis. Die mancherorts als Schreckgespenst hochgespielte permanente 60 Stundenwoche ist aus zweierlei Gründen auszuschließen: Zum einen gilt rechtlich gesehen immer noch die Höchstgrenze von 48 Wochenstunden in einem Durchrechnungszeitraum von 17 Wochen. Zum anderen wäre es auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht mehr als unklug, systematisch und durchgängig teure Überstundenzuschläge für eine elfte und zwölfte Tagesstunde zahlen zu müssen, wenn gleichzeitig die Arbeitsproduktivität dieser Stunden erwiesenermaßen nicht an jene einer durchschnittlichen Normalarbeitsstunde heranreicht.

Es bleibt also festzuhalten: Das neue Arbeitszeitgesetz ist keineswegs ein Freibrief für Firmen, nach Lust und Laune durchgängig zwölf Stunden lang arbeiten zu lassen. Es hilft den Firmen, bei kurzfristigen Arbeitsspitzen die Aufträge legal abzuarbeiten.

(+) plus: Die Bausozialpartnerschaft galt in den letzten Jahren als vorbildlich. KV-Abschlüsse wurden nach wenigen Verhandlungsstunden erreicht, bei vielen Themen hat man am gleichen Strang gezogen und gegenüber der Politik dieselben Positionen vertreten. Das ist beim Arbeitszeitgesetz anders. Wie sehr belastet das Thema die Bau-Sozialpartnerschaft?

Frömmel: Da das neue Arbeitszeitgesetz keine großen Auswirkungen am Bau hat, sehe ich wenig Gründe, welche die Bau-Sozialpartnerschaft auf eine außergewöhnliche Bewährungsprobe stellen sollten. Aber natürlich ist mir nicht entgangen, was sich in den letzten Monaten bei KV-Verhandlungen in anderen Branchen abgespielt hat. Ja, die Atmosphäre ist durchaus aufgeladen, auch das politische Umfeld ist anders als bei den KV-Verhandlungen der letzten Jahre. Es wird unsere Aufgabe als Bau-Sozialpartner sein, das alles auszublenden und uns auf das
Wesentliche zu konzentrieren. Angesichts unseres bisher gepflegten Stils bin ich da optimistisch.

(+) plus: Dem Megatrend der Digitalisierung kann sich auch die Bauwirtschaft nicht verschließen. Wie gut sind die heimischen Unternehmen aufgestellt? Wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf?

Frömmel: Es gibt Unternehmen, die sind in diesem Zukunftsbereich bereits Vorreiter, andere wiederum weniger. Unsere Aufgabe als Interessenvertretung ist es, unsere Mitgliedsbetriebe bei diesem Entwicklungsprozess zu unterstützen. Um Handlungsfelder und Forschungsbedarf wissenschaftlich fundiert aufzuzeigen, haben das BMVIT und die Geschäftsstelle Bau gemeinsam die Studie »Potenziale der Digitalisierung im Bauwesen« in Auftrag gegeben. Die Studie wurde 2018 erstmals präsentiert(Anm.: die Studie als Download: www.bau.or.at/digitalisierung).

Weiters wurde 2018 in Zusammenarbeit mit der Bundesinnung Bau die Plattform »buildingSMART Austria« gegründet. Damit soll – so wie in etlichen anderen Ländern in Europa (z.B. Deutschland, Schweiz, Frankreich) und weltweit – ein breit aufgestelltes Netzwerk geschaffen werden, um die Vorteile der BIM-Technologie im Bauwesen für alle Beteiligten voranzutreiben.

(+) plus: Viele Experten rechnen 2019 mit einem Abflauen der Konjunktur, die Bauwirtschaft ist laut WIFO davon aber voraussichtlich noch nicht betroffen. Wie lautet Ihre Einschätzung? Was muss passieren, damit der Bauboom anhält?

Frömmel: Dem WIFO zufolge verzeichnete die Bauwirtschaft im abgelaufenen Jahr ein Wachstum von 2,3 %. Für die Folgejahre prognostiziert das WIFO ein weiteres Wachstum im Bauwesen, wobei sich das Ausmaß sukzessive verringern wird. So wird für 2019 und 2020 eine Zunahme der Bauinvestitionen von je 1,5 % erwartet. Der vergleichsweise geringe Zuwachs erklärt sich durch die erwartete Abschwächung der Dynamik im Wohnbausegment sowie durch die Dämpfung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in Österreich.

Generell bin ich kein Verfechter eines »Baubooms«, sehr wohl aber setzen wir uns für eine kontinuierliche, solide Auslastung der Bauwirtschaft ein, die den Firmen auch eine gewisse Planbarkeit ermöglicht.

Um die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Bauwirtschaft sicherzustellen und die Wertschöpfung im Land zu halten, sind praxistaugliche Rahmenbedingungen sowie ein qualitativ hochwertiges Fachkräfteangebot elementare Grundvoraussetzungen.

Baulehre: Ein Tablet für alle

Im Kampf gegen den Facharbeitermangel haben Baugewerbe und Bauindustrie beschlossen, die Baulehre völlig neu aufzustellen. Die Berufsbilder wurden überarbeitet und erhalten neue Namen, dazu sollen verstärkt neue, digitale Arbeitstechniken in die Ausbildung einfließen. Außerdem ist eine sogenannte Kaderlehre für zukünftige Führungskräfte mit einer vertieften Ausbildung in Bau-Betriebswirtschaft geplant. Als besonderes Highlight erhalten ab sofort alle Baulehrlinge im zweiten Lehrjahr kostenlos ein Tablet mit Internet-Zugang und vorinstallierten e-learning-Programmen sowie weiteren Applikationen zu den Themen Arbeitssicherheit, Normen, Baustellendokumentation oder umweltgerechte Entsorgung. Rund 18 Millionen Euro investieren Bauindus-trie und Baugewerbe jährlich in verschiedene Lehrlingsinitiativen.

Last modified onMontag, 04 Februar 2019 11:24

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