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"Die Branche braucht Konzepte für künstliche Intelligenz"

"Die Branche braucht Konzepte für künstliche Intelligenz"

Künstliche Intelligenz hat enormes disruptives Potenzial. Aber was ist unter künstlicher Intelligenz – KI – eigentlich zu verstehen? Warum wird der Begriff so oft falsch verwendet und wie kann die Bau- und Immobilienwirtschaft vom Einsatz profitieren? Das und noch vieles mehr beantwortet Sascha Donner, Mitbegründer des KI-Spezialisten Evana, im großen Report-Interview.

Report: Viele denken bei künstlicher Intelligenz an menschenähnliche Roboter, andere an Systeme wie Alexa oder Siri. Wie definieren Sie »künstliche Intelligenz«?

Sascha Donner: Künstliche Intelligenz ahmt bis zu einem gewissen Grad menschliche Denk- und Arbeitsroutinen nach. KI soll den Menschen bei der Lösung komplexer Problemstellungen unterstützen. Aktuell vielversprechend sind Methoden des Deep Learning, welche in vielen dieser Bereiche im aktuellen Jahrzehnt bahnbrechende Resultate geliefert hat. KI beschreibt jedoch keine Technologie, sondern ist ein Sammelbegriff für verschiedene Arten des maschinellen Lernens und der algorithmischen, intelligenten Verarbeitung komplexer Daten.

Report: Wie können Unternehmen etwa aus der Immobilienwirtschaft vom Einsatz künstlicher Intelligenz profitieren?

Donner: KI passt deswegen in ganz besonderem Maße in die Immobilienwirtschaft, weil diese stark heterogen, daten- und dokumentenbasiert ist. Es gibt eigentlich keine andere Möglichkeit, hier richtig Ordnung zu schaffen. Es war bisher schlicht nicht möglich, diese Datenmengen manuell zu strukturieren und auszuwerten. Daher ist es wünschenswert, dass KI der Branche jetzt schnell auch in der Breite zur Verfügung steht.

Report: Was ist heute tatsächlich schon möglich, was noch Zukunftsmusik?

Donner: Die undifferenzierte Verwendung von KI als Buzzword führt derzeit nicht nur in der Immobilienbranche zu einer teilweise überzogenen Erwartungshaltung. Es ist heute noch nicht möglich, die Probleme der Datengenerierung und Datenhaltung vollautomatisch zu erledigen. Bei KI handelt es sich noch über Jahre um eine Teilautomatisierung, ein Werkzeug, dessen man sich bedienen kann, um die Datengrundlage für die Digitalisierung von Unternehmen überhaupt erst einmal zu schaffen. KI bietet für dieses Problem tatsächlich erstmals eine Lösung, wenngleich Mensch und Maschine hier als zwei Ressourcen oder, schöner ausgedrückt, als »Partner« nebeneinander stehen.

Report: Welche Einsatzmöglichkeiten sehen Sie speziell für Unternehmen aus der Bau- und Immobilienwirtschaft?

Donner: In der Immobilienbranche sind aktuell zwei Bereiche im Fokus. Zuerst geht es darum, Ordnung im bestehenden Dokumenten- und Datenchaos zu schaffen, also die Dokumente und Daten zu strukturieren. Daraus ergeben sich dann weitreichende Möglichkeiten, diese Daten intelligent auszuwerten und auf Inhalte besser zuzugreifen. Im zweiten Bereich geht es darum, die Prozesse tatsächlich zu automatisieren, die es in der Immobilienwirtschaft gibt, eben auf Basis der Daten.

Report: Welche Voraussetzungen müssen Unternehmen erfüllen, wenn sie Systeme, die auf KI basieren, implementieren wollen?

Donner: Die wichtigste Voraussetzung ist die Offenheit der Marktteilnehmer, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Und zwar nicht nur von der Technologieseite, sondern auch von der Change-Management-Seite, weil die Digitalisierung generell bei den Unternehmen ein Umdenken erfordert. Damit können sich aber auch die Prozesse in den Unternehmen ändern, nicht jeder Prozess sieht digital so aus, wie er heute analog aussieht. Auch für die Ausbildung der Mitarbeiter und die Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitern im Unternehmen, aber auch übergreifend in der Branche von Facility zu Property zu Asset Management und den ganzen eingebundenen Beratern. Ich denke generell, dass sich die Trennung zwischen den einzelnen Bereichen immer weiter auflöst. Die einzelnen Stakeholder werden in Zukunft mehr zusammenrutschen, aber dafür braucht die Immobilienwirtschaft noch eine Findungsphase in der es wichtig sein wird, die digitalen Prozesse neu zu denken, kreativ und offen zu sein. Das ist die größte Herausforderung, die wir aktuell vor uns haben.

Report: Welche Risiken birgt künstliche Intelligenz für Unternehmen?

Donner: Ich denke, die größeren Risiken bestehen aktuell für Unternehmen, die sich mit Digitalisierung nicht ernsthaft auseinandersetzen und bereit sind, Investitionen in die neuen Technologien zu tätigen. Digitalisierung und insbesondere KI werden in den kommenden Monaten und Jahren ein ganz klarer Wettbewerbsfaktor sein. Die Frage ist: Werden Immobilienunternehmen eher programmieren lernen oder werden Softwareentwickler schneller die Immobilienbranche verstehen? Beispiele sind WeWork oder Airbnb.

Um dem Digitalen Wandel zu begegnen, benötigt es wie gesagt aktives Change Management bei etablierten Unternehmen sowie die Offenheit, Prozesse neu zu denken und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Da Standardaufgaben am schnellsten automatisiert werden können, müssen Mitarbeiter weiterqualifiziert werden. Ich denke, dass es sicherlich noch zwei bis drei Jahre dauern wird, bis die KI auch in der Breite der Immobilienwirtschaft in der Anwendung ist. Bis dahin benötigt die Branche Konzepte.

Report: Mit welchen nächsten Entwicklungsschritten ist im Bereich der künstlichen Intelligenz zu rechnen?

Donner: Bisher sammeln wir Daten als »Schmiermittel« zur Steigerung der Prozesseffizienz. Grundannahme ist dabei noch, dass am Ende Menschen Freigaben erteilen und Entscheidungen treffen. Das Arbeiten, Lesen und Interpretieren von Dokumenten und das Ableiten von Handlungen war bislang nur durch Menschen möglich. Auf der Basis von Daten ist dies für Menschen und Maschinen gleichermaßen möglich. Digitalisierung sorgt dafür, dass die Immobilienbranche, ihre Objekte und Prozesse für den Computer verständlich werden.

Report: Welche Rolle wird die künstliche Intelligenz kurz-, mittel- und langfristig für unser Wirtschaftsleben spielen?

Donner: Die Analogie zu Computerspielen zeigt, dass Computer problemlos gegen menschliche Spieler gewinnen, sobald sie die Regeln eines Spiels kennen. Für uns Menschen ist das inzwischen im Bereich Computerspiele selbstverständlich geworden: Vor über 30 Jahren gab es bereits die ersten Schachprogramme auf einem Commodore C64. Heute besiegt Googles künstliche Intelligenz schon wieder unbesiegbar Menschen in dem sehr komplexen Spiel Go.

Auch wenn es Computerspiele sind, kann sich der Manager von heute daran orientieren. Wer wünscht sich nicht, dass ähnliche Multiplikatoren dem eigenen Unternehmen zugute kommen und es zu einer vergleichbaren Effizienz führt?
Um dies zu erreichen muss die heterogene Immobilienwelt in möglichst klar strukturierten Prozessen und Regeln digital abgebildet werden.

Ein Schachspiel ist definiert als 64 Felder, 32 Figuren mit sechs verschiedenen Bewegungen und zwei Spieler, die abwechselnd ziehen. Das Spiel ist zu Ende, wenn der König eines Spielers sich nicht mehr bewegen kann bzw. geschlagen wird. Es wird die Spielwelt beschrieben. Das ist die Infrastruktur. Tausende beobachtete Partien oder Spiele gegen sich selbst geben dem Computer Rückschlüsse auf mögliche Strategien und fast immer auch zur besten Strategie.

Aktuell erleben wir mit den vielen neuen Apps, die jeweils Teilprobleme der Immobilienwirtschaft lösen, eine nie gekannte Fokussierung auf Prozesse. Für viele immobilienwirtschaftliche Prozesse werden momentan die Regeln definiert und in Form von Datenmodellen quantifiziert. Immer, wenn es gelingt, bestimmte Teilbereiche der Immobilienwirtschaft detailliert als für den Computer verarbeitbare Regeln zu beschreiben, können in diesen Bereichen Prozesse automatisiert werden.
Hier steckt die Immobilienbranche noch in ihren Anfängen. Es ist jedoch lediglich eine Frage der Zeit.

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