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»Die Alpine hat nichts geändert«

»Der niedrigste Preis bekommt den Zuschlag und wird zur Referenz für andere Unternehmen bei ähnlichen Ausschreibungen«, erklärt Michael Steibl die vorprogrammierte Abwärtsspirale der heimischen Bauwirtschaft. »Der niedrigste Preis bekommt den Zuschlag und wird zur Referenz für andere Unternehmen bei ähnlichen Ausschreibungen«, erklärt Michael Steibl die vorprogrammierte Abwärtsspirale der heimischen Bauwirtschaft. Foto: VIBÖ

Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Michael Steibl, Geschäftsführer der Vereinigung industrieller Bauunternehmungen Österreichs VIBÖ, über das ungleiche Verhältnis von Risiko und Ertrag, den fehlenden Weitblick öffentlicher Auftraggeber und erklärt, warum sich der Preiskampf auch nach der Alpine-Pleite nicht gebessert hat.


Report: Wie geht es der heimischen Bauindustrie? Wie fällt Ihr Fazit zum ers­ten Halbjahr 2014 aus?
Michael Steibl: Es gibt rein mengenmäßig doch deutliche Unterschiede in den einzelnen Bundesländern. Aber in Summe kann man von einer Stabilisierung der Nachfrage sprechen und mit der Entwicklung zufrieden sein. Aber es gibt natürlich nach wie vor einen enormen Wettbewerb, der sich auf die Ertragslage auswirkt.

Report: Hat die Pleite der Alpine nicht zumindest zu einer kleinen Entlastung des Marktes geführt?
Steibl: Eigentlich nicht. Die Kapazitäten der Alpine sind ja nach wie vor am Markt. Da ist auch viel Psychologie im Spiel. Es gibt gewisse Spielregeln, wie man an einen Auftrag kommt und wie sich ein Angebot zusammensetzt. Die Bauwirtschaft allein kann da nur wenig machen. Die Preisgestaltung bestimmen der Gesetzgeber über das Vergaberecht und die Auftraggeber über die Ausschreibungen. In erster Linie ist es immer noch der Preis, auf den Wert gelegt wird. Dabei sollten eigentlich zumindest die öffentlichen Auftraggeber ein Interesse haben, dass die Bieterseite eine gesunde Struktur aufweist. Das ist aber schwierig, wenn ausschließlich zum billigsten Preis vergeben wird und dieser Preis dann zum Marktpreis wird. Dieser Mechanismus führt dazu, dass sich die Unternehmen bei den nächsten Ausschreibungen an diesem Preis orientieren müssen. Damit wird eine Abwärtsspirale in Kraft gesetzt. Denn es gibt immer einen, der einen Auftrag besonders dringend braucht, und der setzt dann die Messlatte für kommende Aufträge fest.

Report: Ist dieses System noch gesund?
Steibl: Die Tendenz zum unauskömmlichen Preis ist leider da. Und Hilfestellungen der anderen Seite, die diesen Mechanismus ja auch erkennen müsste, sind leider nicht absehbar. Es muss das Ziel aller Beteiligten sein, zumindest die gröbsten Schleuderer frühzeitig aus dem Markt zu nehmen bzw. von Ausschreibungen fernzuhalten. Das wäre etwa mit einer vertieften Angebotsprüfung möglich.
Es ist systemimmanent fast unmöglich, dass sich die Branche selbst heilt. Dieses System führt dazu, dass oftmals sogar in Boomjahren keine wirklich lukrativen Erträge erzielt werden können. Es gibt keine andere Branche, die mit solchen Umsatzrenditen arbeitet. Noch dazu bei diesem Risiko – denn das Hauptrisiko trägt immer öfter der Auftragnehmer.

Report: Es ist aber auch systemimmanent, dass Generalunternehmer oder Totalunternehmer ein gewisses Maß an Risiko tragen.
Steibl: Risiko ist an und für sich nichts Negatives. Wenn damit auch Chancen eröffnet werden, durch eigene Ideen oder innovative Ansätze einen finanziellen Mehrwert zu lukrieren, dann spricht nichts gegen Risiko. Wenn aber einem Totalunternehmer das gesamte Risiko auferlegt wird und man ihm dann nicht einmal das letzte Prozent Ertrag gönnt, dann befindet sich das ganze System in einer Schieflage. Deshalb hat sich in Österreich auch das Value Engineering noch nicht durchgesetzt, weil der Auftraggeber vom Auftragnehmer erzielte Einsparungen vom Preis abzieht.

Report: Müsste die öffentliche Hand bei ihren Ausschreibungen mit gutem Beispiel vorangehen?
Steibl: Nein, nicht mit gutem Beispiel, sondern mit Weitblick. Denn mit den richtigen Rahmenbedingungen könnten auch Optimierungspotenziale in der Bauausführungsphase gehoben werden. Niemand wird mit einer guten Idee ein zweites Mal kommen, wenn er dadurch einen Nachteil erleidet. Da müssen sich einfach die Spielregeln ändern. 

Report: Müssen für eine Gesundung des Marktes die Kapazitäten zurückgenommen werden?
Steibl: Das ist eine heikle Frage. Natürlich würden geringere Kapazitäten den Markt entlasten, aber eigentlich glaube ich nicht, dass die Kapazitäten zurückgefahren werden müssen. Es müsste einfach nur das gebaut werden, wofür es einen echten Bedarf gibt. Wenn die Infrastrukturprogramme von ÖBB, Asfinag und den Bundesländern konsequent umgesetzt werden, dann gibt es kein Kapazitätsproblem.

Report: Davon ist in Zeiten laufender Budgetberichtigungen aber nicht auszugehen?
Steibl: Die Situation ist sicher schwierig. Aber zumindest auf Bundes­ebene scheint die Bereitschaft für Inves­titionen gegeben zu sein, auch in einigen Ländern. Aber es gibt natürlich Bundesländer, in denen die budgetäre Situation absolut keine Spielräume offen lässt. Zudem stimmt mich die Tatsache, dass jetzt bei UVP-Verfahren ein mehrstufiger Instanzenweg durchlaufen werden muss, wenig zuversichtlich. Der Bedarf ist aber auf jeden Fall gegeben.

Report: Wo klafft die Schere am weitesten auseinander?
Steibl: Fast überall dort, wo es um direkt budgetgebundene Ausgaben auf Landes- und Gemeindeebene geht. Im Landesstraßennetz oder der Abwasserwirtschaft herrscht dringender Handlungsbedarf. Aber ich befürchte, diese Probleme werden wir noch länger mit uns herumschleppen, weil einfach kein Geld da ist.

Report: Wo sehen Sie das größte Wachstumspotenzial für die heimische Bauindustrie?
Steibl: Das größte Potenzial sehe ich mittel- und langfristig im Energiesektor. Speicherkraftwerken, die kurzfristig abrufbare Energie zur Verfügung stellen, gehört die Zukunft. Kurzfristig ist das Problem allerdings, dass sich derzeit mit Strom kaum Geld verdienen lässt, außer mit abgeschriebenen Flusskraftwerken.

Report: Welche Rolle spielt Osteuropa in den Überlegungen der Unternehmen?
Steibl: Menge und Bedarf sind nach wie vor gegeben. Das Problem ist das fehlende Geld. Dazu kommt, dass die Rahmenbedingungen für seriöses Arbeiten schon bei uns schwierig sind, und in Osteuropa sind sie noch deutlich diffiziler. Wenn internationale Unternehmen mit staatlicher Hilfe mitmischen oder Unternehmen, die ohne Compliance-Regelungen auskommen, dann ist kein fairer Wettbewerb möglich. Aber natürlich wird der Markt weiter ganz genau beobachtet und zumindest punktuell bearbeitet.

Report: Mit welchen Erwartungen gehen Sie in das zweite Halbjahr 2014?
Steibl: Es wird zu keinen großen Veränderungen kommen. Die Stabilisierungsphase ist abgeschlossen. Jetzt ist mit Stagnation oder einem minimalen Wachstum zu rechnen. Ein wesentlicher Punkt ist die Schaffung von Rahmenbedingungen für einen fairen Wettbewerb. Niemand kann ein Interesse haben, dass die heimische Bieterstruktur infolge von Preisdumping zusammenbricht, mit der Folge, dass ausländische Unternehmen auf den Markt drängen. Derartige Entwicklungen zu verhindern, ist auch eine politische Aufgabe.

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