Menu
A+ A A-

Nicht ohne Chemie

Foto: Die drei Forschungs­schwerpunkte von Sika in  Österreich: Pulverproduktion, Trockenbetone und Pulver für Beton­instandsetzung sowie Harzproduktion für Industrieböden. Foto: Die drei Forschungs­schwerpunkte von Sika in Österreich: Pulverproduktion, Trockenbetone und Pulver für Beton­instandsetzung sowie Harzproduktion für Industrieböden.

Konservierungsmittel in Wandfarben sorgen für längere Haltbarkeit, Beschichtungen am Bodenbelag ermöglichen eine leichtere Säuberung und Beton enthält Verflüssiger, Luftporenbildner, Verzögerer oder Schaumbildner. Ohne Bauchemie geht in der modernen Baustofftechnologie nichts mehr.

Ich beschäftige mich seit dem Jahr 2000 mit der Materie Bauchemie«, betont Thomas Belazzi, Geschäftsführer von bauXund, selbst Chemiker. »Damals gab es keinen emissionsarmen Klebstoff, keine emissionsarme Wandfarbe. Heute ist das selbstverständlich.« Für Michael Balak, Geschäftsführer des OFI, gewinnt der Einsatz bauchemischer Produkte sowohl im Neubau als auch in der Altbausanierung an Bedeutung. »Entscheidend für die Effizienz und die Nachhaltigkeit dieser Materialien ist die Summe der Wechselwirkungen mit allen gemeinsam im Bauteil vorhandenen Baustoffen sowie professioneller Einbau und entsprechende Wartung «, so Balak.

Innovation

»Bauchemie per se bedeutet nichts Schlechtes, sie muss keine eine große Gefahrenquelle darstellen«, gibt Belazzi zu bedenken. Heute braucht man einfach Betone, die über längere Zeit verarbeitbar sind, extremen Temperaturen widerstehen, hohe Festigkeit ebenso wie Elastizität, Fließfähigkeit, Druckfestigkeit, geringe Luftdurchlässigkeit und guten Abnutzungswiderstand aufweisen. Beton enthält daher Verflüssiger, Luftporenbildner, Verzögerer oder Schaumbildner. »Damit werden Qualität und Langlebigkeitdeutlich erhöht«, erklärt Markus Kroneder, Leiter BASF Bauchemie Österreich.

Bild oben: Fein aufgemahlener Hüttensand: ist ein Zusatzstoff in Öko²-Beton, der bis zu 30 Prozent weniger CO2-Emissionen in der Herstellung im Vergleich zu Standardbeton mit gleichen Eigenschaften verursacht. 

Florian Mittermayr vom Institut für Materialprüfung der TU Graz ergänzt: »Früher war Beton ein 3-Komponenten-System aus Wasser, Zement und Gesteinskörnung, heute ergänzen feste Zusatzstoffe wie Hüttensand oder Flugasche und flüssige Zusatzmittel wie Hochleistungsverflüssiger ein 5-Komponenten-System.« Emissionsarme Stoffe ergeben sich durch die Änderung der Rezeptur. »Kalksteinmehl oder Rohasche erzielen die gleiche Performance«, informiert Martin Mayer, Produktmanager bei Ardex.

Construction Line

Für Andreas Wolf, Geschäftsführer von Mapei Austria, klingt Bauchemie wesentlich aufregender, als sie tatsächlich ist. »Es handelt sich nicht um Versuchslabore, wo kritische Chemikalien vermischt werden und es zu gefährlichen Reaktionen kommen kann, sondern um anwenderfreundliche Produkte.« Bauchemie kann den ökologischen Fußabdruck optimieren. Der Erhärtungsbeschleuniger Master X-Seed von BASF erzielt etwa eine um 50 Prozent schnellere Betonerhärtung. Damit verbunden sind verkürzte Schalzeiten, bis zu 15 Prozent niedrigere Energiekosten durch reduzierte Umgebungs- und Erhärtungstemperaturen sowie eine verbesserte CO2-Bilanz. »Mit Master Builders Solutions bieten wir fortschrittliche chemische Lösungen für Neubau und Instandhaltung«, betont Kroneder.

Bild oben: MasterGlenium SKY: von BASF überzeugt in einem Straßentunnel in Dubai als robustes Fließmittel für Transportbeton – der Beton kann entmischungsfrei auf die gesamte Höhe gepumpt werden.

Nachhaltig präsentiert sich Murexin mit seiner bitumen- und lösemittelfreien Bauwerksabdichtung Maximo 1K BF. Ardex verweist auf die neue selbstklebende Abdichtung GF 900, eine Mischung zwischen Alternativabdichtung und Bodenspachtelmasse. Avenarius Agro legt den Schwerpunkt auf die Bauwerksabdichtung gegen eindringende Feuchtigkeit bei erdberührten Teilen. »Wir bieten auch Kunstharz-Bodenbeschichtungen für den industriellen, gewerblichen und privaten Einsatz«, betont Produktmanager Manfred Gahleitner. Neben ökologischen und qualitativen schafft Bauchemie auch optische Vorteile, etwa bei der Fließmasse Express FME 45 von Murexin oder bei der Lithiumimprägnierung LI 12.

Bild oben: Kunstharzböden: von Avenarius­Agro auf Basis von Epoxidharz- oder Polyurethanbindemitteln erfüllen durch verschiedene System­aufbauten die unterschiedlichsten Anforderungen, wie zum Beispiel elektrischer Ab- oder Durchleitfähigkeit, Chemikalienbeständigkeit, Atmungsaktivität oder besonders hoher Beständigkeit gegen mechanische Belastung. 

Industriefußböden mit dem Mapecrete-System von Mapei eignen sich als Produktionsflächen für hohe Anforderungen an Rissfreiheit und Optik in fugenloser Ausführung. Auf Betonstraßen, Flugfeldern und Parkdecks überzeugt Mapecrete durch Dauerhaftigkeit. Auch die Althaussanierung, selbst Gebäude unter Denkmalschutz, profitieren von Bauchemie. Mape-Antique von Mapei kombiniert Kalk mit dem natürlich vorkommenden Puzzolan und Terracotta und kann damit bei allen Bauwerken verwendet werden. Durch die Zusammensetzung sind die Produkte resistent gegen Umwelteinflüsse und extrem diffusionsoffen für aufsteigende Feuchtigkeit und gelöste Salze.

Forschung in der Bauchemie

Bauchemie hat laut Thomas Belazzi, speziell beim Einsatz von Epoxidbeschichtungen wegen der Allergie auslösenden Eigenschaften in der Verarbeitung, viel mit Arbeitnehmerschutz zu tun. »Heute geht der Trend in Richtung wasseremulgierte und/oder lösemittelfreie Reaktionsharze mit den gleichen Produkteigenschaften«, informiert Peter Mayr, Produktmanager bei Murexin.

Bild oben: »Bauchemie per se bedeutet nichts Schlechtes,:sie muss heute keine Gefahrenquelle mehr darstellen«, sagt Thomas Belazzi von bauXund.

»Es braucht Akzeptanz für Neuerungen. Die Baubranche in Europa ist bislang sehr konservativ«, bedauert Florian Mittermayr von der TU Graz. Weltweit arbeiten viele Forscher an sogenannten Ökobetonen und neuen Bindemittelkonzepten, durchgesetzt haben sie sich noch nicht. Mittermayr berichtet von Forschungsprojekten zu Ökobeton an der TU Graz. »Öko²-Beton, FFG gefördert, bildet ein Konzept für die optimale Betonzusammensetzung, die allen Anforderungen an Fertigteilbeton entspricht und gleichzeitig erheblich geringere Umweltwirkungen hat, u.a. bis zu 30 Prozent weniger CO2-Emissionen in der Herstellung und bis zu 15 Prozent geringerer Primärenergiebedarf als Standardbeton mit gleichen Eigenschaften.« Möglich macht das ein optimiertes Mischverhältnis von regional verfügbaren Zusatzstoffen und Bindemitteln im Beton. Sieben österreichische Fertigteilwerke haben derzeit prototypische Bauelemente aus Öko²-Beton hergestellt. Geforscht wird in Graz auch an dauerhaftem Spritzbeton für Tunnelbauten und u.a. am biologischen Angriff auf Beton bei Abwassersystemen.

Nicht nur die technischen Universitäten forschen. Mapei investiert fünf Prozent seines Umsatzes in die Forschung an umweltschonenden, nachhaltigen Produkten gemäß international anerkannter Gebäudezertifizierungsstandards. Auch Ardex arbeitet an Neuentwicklungen mit Blick auf die Optimierung von Umwelteigenschaften. Neben dem auf 4.250 m² neu errichteten Forschungs- und Entwicklungszentrum in Witten verfügt Ardex weltweit über drei weitere F&E-Zentren. Sika hat in den letzten fünf Jahren 420 Patente angemeldet und rund 1.500 neue Produkte auf den Markt gebracht. Für die Weiterentwicklung sieht Produktingenieur Wolfgang Kohlert unbegrenzte Möglichkeiten: »Automatisierte Technologien wie 3D-Druck, Extrudieren, Einsatz künstlicher Intelligenz und virtuelle Realität werden die Bauindustrie und damit auch die Bauchemie revolutionieren.«

back to top