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Das Versprechen für die Zukunft

Galleria Kitzbühel. An der Schnittstelle von Altbestand und Neubau und als Verbindung zweier Stadtteile war bei der Realisierung dieses Einkaufszentrums verschränktes Arbeiten nötig. Der Einsatz von BIM ermöglichte eine reibungslose Abwicklung. Galleria Kitzbühel. An der Schnittstelle von Altbestand und Neubau und als Verbindung zweier Stadtteile war bei der Realisierung dieses Einkaufszentrums verschränktes Arbeiten nötig. Der Einsatz von BIM ermöglichte eine reibungslose Abwicklung. Grafik: ATP architekten ingenieure Innsbruck

Die Bauabwicklung befindet sich dank Building Information Modeling (BIM) im Umbruch. Gemeinsam mit der integralen Form der Planung sollen Großprojekte in Zukunft glatt abgehen. Von Peter Matzanetz

Als Nagelprobe für BIM-Großprojekte gilt hierzulande die neue ÖAMTC- Zentrale in Wien Erdberg, welche aktuell in die erste Bauphase geht und bereits 2016 bezugsfertig sein soll. Der Österreichische Automobil- und Touringclub baut den Standort für 800 seiner Mitarbeiter mit Büroflächen sowie Konferenz- und Schulungsräumen inklusive Callcenter, technischem Stützpunkt mit Kundenzentrum und Heliport aus. Die komplexe Gebäudegliederung und die variantenreiche Planung ließen hier die Idee aufkommen, von Anfang an alles dreidimensional, also mit BIM, zu planen. Nachhaltigkeit und Lebenszyklus des Gebäudes waren ebenfalls Thema und weil die Software das unterstützt, legte man los. Heraus kam ein radial angelegter Baukörper, der die Wettbewerbsjury als funktional vielschichtiges Gebilde beeindruckt hat.

Erste Vorzeigeprojekte
BIM-Planung, als Schlagwort länger schon im Umlauf, ist mittlerweile als revolutionäre Planungstechnologie in aller Munde. Das Kürzel steht für Building Information Modeling und darüber hinaus für einen neuen Planungsansatz, dem die Reduzierung von Planungs-, Kos­ten- oder Finanzierungsrisiko bei Großprojekten zugesprochen wird. Warum es dann so lange gedauert hat, bis das erste allumfassende Großprojekt bei uns umgesetzt wird, liegt wohl an der Tatsache, dass der Planungsprozess schlichtweg auf den Kopf gestellt wird. »Natürlich erfordert entgegen der bisher geübten Praxis und Ausbildung der integrale Planungsansatz eine intensive, kooperative Haltung aller am Prozess Beteiligten, die Schritt für Schritt gelernt werden muss«, betont Christoph Achammer, CEO bei ATP architekten ingenieure, den vorausgehenden Sinneswandel und präzisiert: »Interdisziplinäre Teams entwickeln gemeinsam von Beginn an ein Haus und damit wird der derzeit konsekutive Planungsprozess zu einem simultanen Prozess aller Beteiligten.«

Sein Büro setzt seit sieben Jahren auf die Technologie und hat zuletzt mit der Galleria in Kitzbühel an einem zentralen Standort mitten in der Stadt das erste heimische Einkaufszentrum-BIM-Projekt realisiert. Bei dem fünfgeschoßigen Haus, das auf 1.640 Quadratmetern 16 Shops beherbergt, war wegen des streng geschützten Ortsbildes eine sensible Vorgehensweise gefordert. BIM wurde daher auch strategisch als Instrument für die Bauherrenpräsentation eingesetzt. An der Schnittstelle von Altbestand und Neubau und als Verbindung zweier Stadtteile war außerdem verschränktes Arbeiten angesagt und der BIM-Modus wäre Voraussetzung für eine reibungslose Abwicklung gewesen. »Integrale Planung gab uns die Möglichkeit, ein lebenszyklusorientiertes, nachhaltiges Kaufhaus zu schaffen und gleichzeitig ein Zeichen unserer Zeit zu setzen«, sagt ATP-Projektleiterin Ioana Berceanu.

>> Alle an einem Strang <<
Auch von der ausführenden Seite werden Stimmen lauter, sich ein Beispiel an solch fortschrittlicher Umsetzung zu nehmen. »Die perfekte Kombination aus integrierter Planung und dem konsequenten Einsatz von BIM wird die Baubranche in den nächsten fünf Jahren nachhaltig modernisieren«, führt für Karl-Heinz Strauss, Vorstandsvorsitzender der Porr AG, kein Weg daran vorbei. Alfred Hagenauer, Geschäftsführer bei der A-Null Bausoftware GmbH, kann das nur unterstreichen: »Hat die Umstellung von Handzeichnung auf Computer zehn Jahre gedauert, wird der nächste Entwicklungsschritt von 3D-Darstellungen auf BIM in nur fünf Jahren vollzogen werden.« Die Software-Industrie betont die Vorteile der neuen Herangehensweise, um die Planer an das heranzuführen, wozu die Technik bereits im Stande ist. Im Unterschied zur bisherigen Praxis wird versprochen, dass nur mehr eindeutig kommunizierbare Pläne erstellt werden. Mehrgleisig- und Widersprüchlichkeiten würden damit vermieden und die Abstimmung unter den Professionisten wäre erleichtert. Einheitliche und offene Schnittstellenformate sind Basis und Garant für das Versprechen. Gebäudebetrieb, Bau, Planung, aber auch die Plangrundlagen eines Baus sind integrierbar. Hanns Schubert, von der Hanns H. Schubert ZT-GmbH, dem nach eigenen Angaben traditionsreichsten Vermessungsbetrieb des Landes, ist überzeugt: »Erst eine 3D-Planung, welche die tatsächlich vorgefunden Verhältnisse abbildet, bringen Bestandsumbauten in den überschaubaren Bereich.«

Mehrwert der 3D-Planung
Die neue Technik unterstützt mit dem gezielten Erfassen und Darstellen von Bauteilen auch variantenreiche Gebäudesimulationen und insbesondere Optimierungen in Richtung Nachhaltigkeit. »Jeder Bauteil bekommt eine globale UID-Nummer, also eine Referenznummer, mit der man jeden Bauteil global eindeutig zuordnen oder auch virtuell austauschen kann«, beschreibt Anna Vosters vom Augsburger Softwareanbieter Bechmann Verfeinerungen zu bisherigen Methoden. Ihr Unternehmen unterstützt speziell in Kostenfragen umfassende Variantenabschätzungen. Aber auch die verschiedenen Baustoffeigenschaften und natürlich die Lastberechnungen lassen sich von Anfang an einkalkulieren. In weiterer Zukunft scheinen fantastische Möglichkeiten zu erwachsen, die bis hin zum »mitdenkenden Bauteil« gehen.

Was heute schon angeboten wird, sind BIM-Programme, die im Hintergrund auch Fragen der Bauabwicklung berücksichtigen. »Unsere Software bezieht die Bewehrungszeit mit ein, bevor Stahlbeton unter Zugbelastung gesetzt werden kann«, berichtet Ivan Beles von Scia Österreich, einem Unternehmen der Nemetschek Gruppe, am ersten BIM-Kongress, der letzten Herbst in der Hofburg stattfand, und schlägt damit die Brücke zum Projektmanagement. Aber auch spezielle BIM-Software, welche Fragen des Qualitätsmanagements per Knopfdruck mitkontrolliert, gibt es schon. Fluchtwege, die vielleicht in einer Sackgasse enden, oder Fluchttüren, die nicht öffenbar ausgeführt sind, können so nicht mehr vorkommen. Aber auch Brandschutzausführungen oder Brandabschnittsgliederungen und dergleichen mehr werden dann am konkreten Fall mit den geltenden Normen abgeglichen. Franz Gruber, Geschäftsführer des Architekturbüros BEHF, wendet die BIM-Software auch proaktiv an, um innovative Möglichkeiten für seine Planungen zu simulieren und sogar ,um die Tauglichkeit der  Lösungen nachzuweisen: »Ob für eine Hotelnutzung der Lichteintrag ausreichend ist, war für das umzubauende Kaufhaus Stafa baurechtlich relevant.« Die ästhetische Prüfung von Fassadenmodulen gemeinsam mit dem Bauherrn ist ein anderes Beispiel und für Gruber geht es darum, gemeinsam an einem virtuellen Gebäude zu planen.

Einführungsphase
Mehr Gesprächsbereitschaft und Zeit müsse anfangs von allen Beteiligten an den Tag gelegt werden als bisher, insbesondere auch vom Bauherren. Der Anfang der Zusammenarbeit wird auch von den Projektpartnern bei der ÖAMTC-Zentrale als nicht ganz leicht beschrieben. »Bei einem so aufwendigen Projekt den BIM-Gedanken in der Praxis erfolgreich umzusetzen, war eine Herausforderung«, gab es für Christian Artaker vom gleichnamigen Softwarehaus einen positiven Einstand, der erarbeitet werden wollte. Den Workflow und die Kommunikation gegenseitig abzustimmen, aber auch zu definieren, wie das 3D-CAD-Modell aufgebaut wird, damit alle am gleichen Datenmodell arbeiten können, war erforderlich. Architekt Christoph Pichler ist aber überzeugt: »Die Arbeitsprozesse zwischen den verschiedenen Projektbeteiligten, dem Bauherrn, den Planern und im Weiteren auch den für Errichtung und Betrieb verantwortlichen Personen werden dadurch optimiert.«

Angesichts der um sich greifenden Computerisierung waren vereinzelt auch kritische Untertöne am 1. BIM-Kongress zu hören, wonach die Kreativität in der Entwurfsgestaltung gemindert würde. Noch ist die Durchdringung mit der neuen Methode nicht stark. Experten gehen in einzelnen Bereichen von bis zu 20 % aus. Der Zustrom zur Veranstaltung und die Erfahrungsberichte der Referenten zeugen aber davon, dass das Thema nun hierzulande voll angekommen ist.


In der Praxis noch nicht angekommen
Dass BIM in der Praxis noch nicht wirklich angekommen ist, zeigt eine Umfrage, die der Bau & Immobilien Report im September 2014 unter 101 Architekten durchführte. Demnach spielt BIM für weniger als 20 % der befragten Architekten in ihrem beruflichen Alltag eine »sehr große Rolle« oder »eher große Rolle«. Der große Rest hat mit BIM nicht viel am Hut. Für 25 % spielt BIM derzeit eine »eher kleine Rolle«, für 56 % sogar eine sehr kleine Rolle. Das könnte sich aber in Zukunft ändern. Fragt man nach dem Stellenwert, den BIM in Zukunft einnehmen wird, sind es immerhin fast 50 %, die BIM eine »sehr große Rolle« oder »eher große Rolle« attestieren.

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