Die IT ist in der vierten Industriegeneration angekommen. Die Vernetzung von Produkten und Abläufen soll Unternehmen mehr Elan bringen. Wie diese aussehen kann, darüber hat die Hannover Messe umfassend informiert.
Von Karin Legat aus Hannover
Am Anfang stand die Industrie 1.0: Die mechanische Produktion ersetzte die manuelle Fertigung. Die Industrie 2.0 schuf durch Elektrizität Fließband und damit Massenproduktion, Elektrotechnik und Automatisierung bereiteten den Weg der dritten Revolution. Gegenwärtig erfolgt die vierte – die digitale Vernetzung zieht unaufhaltsam in die Fabriken ein. Maschinen und Anlagen, ausgestattet mit einer Vielzahl an Sensoren, weisen Produktionsmaschinen an, welche Arbeitsschritte vorgenommen werden müssen, und melden selbstständig erforderliche Aktivitäten, etwa Wartung. Dass bei dieser Kommunikation zwischen Maschinen, M2M, eine Unmenge Daten anfällt, ist unbestritten. Eine Lösung dafür bietet SAP Hana.»Diese Plattform wurde speziell entwickelt, um die hohen Geschwindigkeiten und riesigen Datenmengen zu bewältigen, die von über M2M-Kommunikation vernetzten Anlagen generiert werden«, informiert Nils Herzberg, Senior Vice President for Internet of Things bei SAP. »Spezielle Apps wie Predictive Maintanance und Service und Connected Logistics sorgen für die optimale Kombination zwischen Unternehmensprozessen und Maschine.«
Industrielle Produktion 4.0
Digital vernetzte Fertigungsanlagen sind die Anforderung von heute. Die meis-ten Industrieunternehmen erkennen diese Notwendigkeit und wollen bis 2020 ihre gesamte Wertschöpfungskette digitalisieren. 6.500 Unternehmen aus 70 Ländern haben in Hannover dazu Hilfestellung gegeben und ihre Technologien zum Beispiel für Produktionsstätten und Energiesysteme der Zukunft den mehr als 220.000 Fachbesuchern präsentiert. Report(+)PLUS gibt eine kurze Messerundschau.
Messerundblick
Die Tendenz zum maßgeschneiderten Produkt ist die treibende Kraft für Industrie 4.0. »Der fortschreitende Trend zur Individualisierung bringt es mit sich, dass immer öfter kundenspezifische Produkte in einer Losgröße von eins gefertigt werden müssen«, informiert Nils Herzberg. SAP präsentierte dazu mit Festo die Open Integrated Factory, mit der Kunden-, Fertigungs- und IT-Prozesse auch in einer variantenreichen Kundeneinzelfertigung zu einem Produktionssystem verknüpft werden. Sensoren leisten dafür die entscheidenden Parameter. Werkzeuge, Maschinen, Fahrzeuge, Gebäude und sogar Rohstoffe werden mit Sensoren und Mikrochips ausgestattet. Dazu waren unter anderen die Unternehmen Pepperl+Fuchs, Balluff und Wiedemann in Hannover. Sick zeigte am Beispiel einer Verpackungsmaschine, wie ein automatischer Chargenwechsel ohne manuellen Eingriff über sich selbst steuernde intelligente Komponenten eine höhere Produktvarianz bei genereller Produktivitätssteigerung erzielt. Weidmüller zeigte den kommunikationsfähigen Signalwandler »ACT20C« zur Digitalisierung analoger Produktionsdaten sowie für deren anschließende Übertragung und Auswertung in der Cloud.
Die Wolke war auch Thema bei Siemens. Mit einem 3.500 m² großen Stand sorgte das Unternehmen nahezu für eine eigene Minimesse. Bei den künftigen Herausforderungen von Industrie 4.0 setzt Siemens auf das digitale Unternehmen, die Digital Enterprise. Den Weg dahin bilden vier aufeinander aufbauende Elemente: Digital Enterprise Software Suite, industrielle Kommunikationsnetzwerke, Sicherheit in der Automatisierung und geschäftsspezifische industrielle Services. Daneben stellte Siemens in Hannover auch neue Lösungen zur industriellen Schalttechnik vor. »Durch die modulare Bauweise lassen sich unsere Produkte einfach in den Schaltschrank einplanen und einbauen, sind leicht in dezentrale Systeme integrierbar und optimal aufeinander abgestimmt«, informierte ein Mitarbeiter und präsentierte fachkundig »Simatic PCS 7«, ein Distributed Control System zur kompletten Automatisierung des Produktionsprozesses.
Ebenfalls durchgängig automatisiert ist Smart Engineering and Production 4.0, ein Gemeinschaftsprojekt von Phoenix Contact, Eplan und Rittal. Damit werden alle Daten vollständig integriert, vom digitalen Artikel über das Engineering bis hin zu Produktion. Am Beispiel eines Schaltschranks konnten die Messebesucher erkennen, wie aus einer virtuellen Produktbeschreibung die Daten aus der Entwicklung über standardisierte Schnittstellen in den Herstellungsprozess fließen. Ein besonderes Erlebnis war YuMi, ein zweiarmiger kollaborativer Montageassistent von ABB, der sehen und fühlen kann. Bei Kuka Industrie gab es den Leichtbauroboter LBR iiwa zu sehen.
Weitere Kernthemen der Hannover Messe: Energie- und Umwelttechnologien, industrielle Zulieferung, Produktionstechnologien und Dienstleistungen sowie Forschung und Entwicklung – nächster Termin: 25. bis 29. April 2016.
Zur Info
Bei der Umsetzung der Vision der intelligenten Fabrik kommt HR eine Schlüsselrolle zu. Hier ist noch ein gewaltiges Manko in den Unternehmen zu erkennen. Laut der CSC-Studie »Industrie 4.0« fehlt es in jedem zweiten Unternehmen an Fachkräften, die mit IT-Wissen plus Fertigungs-Know-how Industrie 4.0 gestalten können. Nicht einmal jeder vierte Betrieb plant Aus- und Weiterbildungsprogramme zu diesem Thema.