Dienstag, April 16, 2024

Der Energie Report hat zwei Branchenkenner zu den Baustellen beim Thema Energieeffizienz in Österreich getrennt voneinander befragt. Im Gespräch: Rudolf Pichler, Geschäftsführer Bureau Veritas, und Horst Ebner, Geschäftsführer oekostrom AG.

Frage 1: Für die konkrete Umsetzung des Energieeffizienzgesetzes fehlen derzeit noch eine Monitoringstelle und ein detaillierter Maßnahmenkatalog zur Anrechenbarkeit von Effizienz- und Einsparungsmaßnahmen. Wie groß ist dazu die Unsicherheit am Markt? Bemerken Sie, dass dies Projektstarts verzögert?

Rudolf Pichler, Bureau Veritas: Es stimmt, dass die Monitoringstelle noch fehlt. Diese wird im Rahmen einer Ausschreibung vergeben. Diese Funktion liegt derzeit noch beim Wirtschaftsministerium selbst. Dort sind auch alle Informationen vorhanden. Im Ministerium liegt die Liste der zugelassenen Energieauditoren auf, die ständig erweitert und aktualisiert wird. Die Unternehmen haben bereits weitreichende Auswahlmöglichkeiten. Unseren Zertifizierungsexperten bei Bureau Veritas Österreich sind bislang keine Klagen hinsichtlich des Fehlens von detaillierten Maßnahmenkatalogen bekannt. Die Unternehmen sind dabei, Energieauditoren auszusuchen und zu überlegen, ob Energiemanagementsysteme implementiert oder Energieaudits durchgeführt werden sollen. Von Unsicherheit oder der Verzögerung von Projektstarts ist meiner Ansicht nach nichts zu bemerken.

Horst Ebner, oekostrom AG: Die auf dem Markt aufgrund des Fehlens der Monitoringstelle sowie der Verordnung nach § 27 ist derzeit groß. Die verpflichteten Unternehmen wissen zwar, dass sie Einsparung umsetzen müssen, haben aber momentan nur die Möglichkeit, durch Maßnahmen laut dem Methodendokument der AEA einigermaßen Sicherheit über die Anrechenbarkeit zu bekommen. Daher verschieben viele Unternehmen momentan die Investitionen in diesem Bereich auf das dritte Quartal, in der Hoffnung, dass die Monitoringstelle bis dahin ihre Arbeit aufgenommen hat. Bei sehr komplexen Projekten hinsichtlich der Energieversorgung beziehungsweise Energieeffizienz, die technisch zwar umsetzbar sind, bei denen es aber keine Regeln bezüglich der Einsparungsberechnung gibt, ist die momentane Situation mit großer Unsicherheit behaftet. Dadurch werden viele innovative und vor allem zukunftsträchtige Projekte auf die lange Bank geschoben.

Frage 2: Was wünschen Sie sich von einem Maßnahmenkatalog für die unterschiedlichen Bereiche Industrie und Gewerbe sowie Haushalt? Wo wären Investitionen volkswirtschaftlich am effizientesten?

Rudolf Pichler: Volkswirtschaftlich sind Maßnahmen wahrscheinlich dort am effizientesten, wo sie auch mit der Schaffung von Arbeitsplätzen verbunden sind. Das Energieeffizienzgesetz geht bis 2020. Für die Zeit danach ist anzunehmen, dass es ein neues Gesetz geben wird, in dem tiefer greifende Maßnahmen vorgeschrieben werden, die zum einen neuerlich Arbeitsplätze schaffen und zum anderen direkt auch den Verkehr betreffen werden. Dort sind nach meiner Ansicht die höchsten Einsparungen zu realisieren. Im vorliegenden Gesetz ist der Verkehr nicht konkret angesprochen, kann aber durch die Energieversorger erreicht werden. Die Energieversorgungsunternehmen werden vom Gesetzgeber als Energiedienstleister angesprochen und sollen die Energieeinsätze der Zukunft aktiv mitgestalten, womit auch der Verkehr entsprechend betroffen sein wird.

Horst Ebner: Wünschenswert wäre eine unterschiedliche Dokumentation der Maßnahmen in den beiden Bereichen. Momentan sieht das Methodendokument für beide Bereiche Industrie und Gewerbe sowie Haushalte die gleiche Dokumentation vor. Vor allem im Bereich Haushalt ist diese mit sehr großem Aufwand verbunden und einer damit einhergehenden Zurückhaltung seitens des Marktes. Die Kooperationspartner im Bereich Business-to-Consumer reagieren derzeit sehr zurückhaltend, da ihnen der Aufwand beim ersten Auseinandersetzen mit den Dokumentationsnachweisen sehr groß und die dafür möglichen finanziellen Zuwendungen als nicht ausreichend erscheinen. Dieser Umstand ist auch dem Fehlen von Verordnung und Monitoringstelle geschuldet. Volkswirtschaftlich wären Investitionen dezentral bei den großen Verbrauchern am effizientesten. Natürlich sollten wir hier die breite Masse an privaten Endverbrauchern nicht vergessen, aber die am schnellsten greifenden Maßnahmen sind nun mal bei diesen großen Verbrauchern zu erreichen.

Frage 3: Warum sollten Unternehmen dennoch jetzt bereits in Energieeffizienz investieren und das Risiko auf sich nehmen, bereits gesetzte Maßnahmen nicht zur Gänze angerechnet zu bekommen?

Rudolf Pichler: Weil dadurch Effizienzen aufgezeichnet werden und sich die Unternehmen Energiekosten sparen können. Es wird wenige Unternehmen geben, die bereits alle Möglichkeiten des effizienten Energieeinsatzes ausgenutzt haben. Deshalb machen Investments in solche Maßnahmen durchaus Sinn. Jeder Unternehmer wird sich anschauen, wo es den schnellsten Return-of-Investment gibt und wohl diese Maßnahmen vorrangig in Angriff nehmen.

Horst Ebner: Weil Energieeffizienz sich auch ohne Anrechenbarkeit der Maßnahmen rechnet – hauptsächlich durch die Einsparungen bei den Betriebskosten, aber auch durch die höhere Motivation der Mitarbeiter aufgrund der Verbesserung des Arbeitsumfeldes und, last but not least, durch die Verbesserung des Images des Unternehmens.

Frage 4: In welcher Hinsicht wünschen Sie sich Maßnahmen, die auch den Verkehr betreffen – vielleicht auf steuerlicher Ebene?

Rudolf Pichler: Der Gesetzgeber wird und muss den Energieverbrauch angesichts des wachsenden Verkehrsaufkommens durch wirksame Lenkungseffekte beeinflussen. Der Energiebedarf und die Klimabelastung durch den Verkehr sind aber kein österreichisches Spezifikum. Lösungen müssen auf übernationaler Ebene vereinbart und im Gleichklang national umgesetzt werden. In der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung werden Verkehrsund Ökosteuern in Zukunft wohl deutlich höher gewichtet sein. Auch in Österreich. Der Weg dorthin ist durch das vorliegende Effizienzgesetz jedenfalls schon vorgezeichnet.

Horst Ebner: Der Sektor Verkehr sollte durch steuerliche Aspekte verstärkt in den Fokus geraten, da dieser ein Drittel des Energieverbrauchs Österreichs ausmacht und seit 1990 um 76 % gestiegen ist – und noch dazu zu 95 % aus Erdölprodukten gedeckt wird. Momentan gibt es zwar NoVA- sowie Kfz-Steuer-Ausnahmen im Bereich der E-Mobilität, aber man könnte hier noch viel mehr machen – siehe etwa die Maßnahmen, die in Norwegen erfolgreich dazu gesetzt werden.


Hintergrund: Beide Unternehmen, Bureau Veritas und oekostrom AG, bieten in einem breiten Portfolio auch Energieberatung und Energieeffizienzdienstleistungen an.

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