Weg von russischem Gas, hin zu Alternativen ist das Ziel der Gasmarktpolitik in Österreich. Die Unternehmen diversifizieren, die Speicher sind gefüllt, im Laufe des kommenden Jahres wird es preislich wieder spannend.
Ende des Jahres 2024 geht es Schlag auf Schlag. Der 2018 abgeschlossene Langzeit-Liefervertrag der Gazprom mit der OMV wurde seit Beginn der EU-Sanktionen gegen Russland massiv kritisiert, an den Lieferungen des billigen Erdgases musste rechtlich festgehalten werden. Unregelmäßigkeiten im Jahr 2022 machten dann den Gang zu einem Schiedsgericht aus Sicht der Österreicher möglich. Im November 2024 gab die OMV einen Spruch unter den Regeln der Internationalen Handelskammer bekannt, der sich auf die unregelmäßigen Lieferungen von Gazprom Export sowie die gänzliche Einstellung im September 2022 in Deutschland bezog. Ein zugesprochener Schaden in der Höhe von 230 Millionen wurde dem Vertragspartner gegengerechnet – und Gazprom Export stellte daraufhin die Gaslieferung von gesamt rund 5 TWh pro Monat an die OMV ein. Postwendend kündigten am 11. Dezember die Österreicher den ungeliebten Vertrag.
Die Versorgung scheint trotzdem derzeit gesichert. Es fließt weiterhin russisches Gas über die Ukraine-Route und die Slowakei nach Baumgarten und wird dort am österreichischen Handelspunkt VHP gehandelt – nun über Dritte. Beim Mineralölkonzern betont man, ausreichend mit einer Diversifizierungsstrategie vorgesorgt zu haben. Das Gas-Portfolio der OMV umfasst unterschiedliche Lieferquellen aus Norwegen und zusätzliche langfristige LNG-Volumina. Der Gasspeicherstand des Konzerns beträgt im Dezember rund 85 Prozent. Man hat die Hausaufgaben gemacht.
Ende der Route
Während nun Transitverträge für die Lieferung durch die Ukraine und die Slowakei nach Österreich weiterhin den Transport von Gas ermöglichen, wird sich auch diese Situation mit 1. Jänner 2025 ändern. Eine zentrale Vereinbarung zwischen den Kriegsparteien Ukraine und Russland läuft aus. Eine weitere Unsicherheit bedeuten die noch unklaren Auswirkungen auf die Gasflüsse durch die ab 20. Dezember 2024 geltenden Sanktionen der USA gegen die russische Gazprom-Bank. »Importe von russischem Gas über die Ukraine und die Slowakei nach Baumgarten können durch Importe über Deutschland und Italien vollständig ersetzt werden. Die dafür erforderliche Transportkapazität ist vorhanden«, betonte der Vorstand der E-Control, Alfons Haber in einem Hintergrundgespräch Anfang Dezember. »Für den Import aus Italien stehen seit dem 1. Oktober diesen Jahres 95 TWh pro Jahr Transportkapazität zur Verfügung, aus Deutschland 90 TWh jährlich. Diese Transportkapazitäten können in einem festgelegten Verfahren zu bestimmten Zeiten auf Buchungsplattformen von Gashändlern vertraglich gesichert werden.«
Mit der Energiepreisrallye vor zwei Jahren wurden Maßnahmen zur Speicherbefüllung mit reservierten Mengen für Haushalte und Unternehmen gesetzt. Die Kosten der strategischen Reserve von knapp vier Milliarden Euro werden über den Staatshaushalt gedeckt. Das ist neu: Industriebetriebe können nun ebenfalls garantierte – von staatlichen Eingriffen sichere – Gasmengen bei den Speicherbetreibern buchen, bis zu einem Anteil von 50 % ihres Jahresverbrauchs. »Mit Stand 26. November sind die Gasspeicher in Österreich zu 90 % gefüllt, das sind 92 TWh. Von diesen Speichermengen sind rund 33 TWh dezidiert für Endkunden in Österreich vorbehalten, weitere ca. 16 TWh für österreichische Speicherkunden, die wahrscheinlich im österreichischen Gasmarkt verbleiben. Weitere Teile werden von ausländischen Speicherkunden genutzt und zum Teil auch am virtuellen Handelsplatz VHP gehandelt«, räumt Haber mit »häufig falsch zitierten« Aussagen auf, wonach nur ein geringer Anteil des Gases in den Speichern für den österreichischen Markt zur Verfügung stehen würde.
Obwohl der Gasverbrauch in Österreich seit 2021 – noch vor Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine – konjunktur- und witterungsbedingt in Summe zurückgeht, sind Behörden und die Wirtschaft vorsichtig. Von Panik ist in den Beschaffungsabteilungen der Unternehmen aber nichts zu spüren. Der Energieeinkauf hat sich gegen diese Risiken abgesichert und auch die Gasversorger verfügen in der Regel international über verschiedene Vertragspartner. Zudem sind seit heuer die heimischen Gasversorger verpflichtet, Versorgungssicherheitskonzepte zur Vorbereitung des unmittelbaren Ausfalls ihrer »größten einzelnen Bezugsquelle« und zur Reduktion des Anteils von russischen Gasmengen zu erstellen. »Alle betroffenen Versorger sind dieser Verpflichtung zeitgerecht nachgekommen«, bestätigt der Regulator. Für viele Unternehmen ist die Gasbörse ohnehin die größte Bezugsquelle – eine von Einzelakteuren unabhängiger Marktplatze, der als ausfallsicher gilt. Auch über die Börse gelangt wohl weiterhin russisches Gas den Sanktionen zum Trotz nach Europa und damit auch nach Österreich. Einen Standard für Herkunftsnachweise gibt es bei Gas anders als bei Stromprodukten nicht. Die österreichischen Versorger können zwar auf entsprechende Erklärungen ihrer Handelspartner vertrauen – wieviel Erdgas weiterhin aus Russland kommt, etwa über den Umweg Aserbaidschan oder internationale LNG-Routen, ist weiterhin die große Unbekannte.
Und der Gaspreis?
Preislich wirkt sich der Wandel im Gasbezug in Österreich derzeit nur marginal aus, er liegt ohnehin auf einem historisch hohen Niveau (3,831 Cent/kWh im September 2024 gegenüber 1,085 Cent/kWh im September 2020). Große Sprünge sind vorerst nicht zu sehen und schon gar nicht mit extremen Ausschlägen wie 17,671 Cent/kWh im September 2022. Allenfalls bei Verträgen mit variablen Preisen sind – abgesehen von regulatorischen Anpassungen, die im kommenden Jahr alle Haushalte betreffen – höhere Endkundenpreise zu erwarten. Auch bei den Industriekunden kommt es ganz auf die Preisklauseln an.
Ein langjähriger Kenner des Marktes, der ehemalige OMV-Manager Otto Musilek, erwartet eine mögliche stärkere Bewegung in den Preisen erst bei der neuerlichen Auffüllung der Gasspeicher im Laufe des Jahres 2025. Wie sich der Gaspreis im kommenden Jahr entwickelt, werde letztlich von den Temperaturen in der Wintersaison abhängen – und von den tatsächlichen Transportmöglichkeiten über die Ukraine. Wiederholt hätten die Marktakteure Russland und Ukraine in der Vergangenheit in letzter Sekunde doch wieder zu Vereinbarungen gefunden. Es sei nicht ausgeschlossen, dass dies wieder geschieht. Und Vorsicht sei weiterhin geboten. »Wir müssen aufpassen, dass wir eine Abhängigkeit nicht durch die nächsten Abhängigkeiten ersetzen«, warnt Musilek nun vor einem Konzentrieren auf wenige Alternativen.