Montag, Dezember 02, 2024
Potenzial Kleinwasserkraft und vier Forderungen
Paul Ablinger, Kleinwasserkraft Österreich: "Unsere Branche will ausbauen, wir wollen das enorme Potenzial der Wasserkraft in Österreich abrufen."

Aktuell versorgen die österreichweit rund 4.100 Kleinwasserkraftwerke rechnerisch zwei Millionen Haushalte in Österreich mit nachhaltig produziertem Strom - in den kommenden zehn Jahren wären vier TWh zusätzlich möglich: Durch Revitalisierung, die Nutzung bereits bestehender Querbauwerke (wie Sohlschwellen oder Wehre), durch neue Anlagen und durch die Verwendung von Speichern und Beschneiungsteichen zur Stromproduktion. Voraussetzung dafür: Schnellere Genehmigungsverfahren, die Umsetzung von RED III, Förderanreize für die Revitalisierung und den Neubau von Kraftwerken und stabile Rahmenbedingungen durch eine bundesweit einheitliche Auslegung von Verordnungen und Leitfäden.


„Wenn es um den Ausbau erneuerbarer Energie geht, haben wir in Österreich ausreichende Zielvorgaben“, sagt Paul Ablinger, Geschäftsführer der Kleinwasserkraft Österreich. „Was wir brauchen sind Rahmenbedingungen, die es uns möglich machen, diese Ziele auch zu erreichen. Unsere Branche will ausbauen, wir wollen das enorme Potenzial der Wasserkraft in Österreich abrufen. Die aktuellen Strukturen behindern das aber mehr, als dass sie es fördern. Wir brauchen einen integrierten Zeit- und Maßnahmenplan, der vom Bund über die Länder bis in die Gemeinden gilt und der für alle verbindlich ist.“

Sophie Uitz, Betreiberin von zwei Kleinwasserkraftwerken in Salzburg: „Alleine das Potenzial, das wir in Salzburg haben, entspricht der Produktion des Donaukraftwerks Freudenau in zweieinhalb Jahren. Damit könnten wir einen bedeutenden Beitrag zur regionalen Stromversorgung leisten und gleichzeitig unsere Abhängigkeit von fossilen Energieträgern weiter verringern.“

Kleinwasserkraft deckt zehn Prozent

Die 4.100 Kleinwasserkraftwerke produzieren aktuell knapp sieben Terawattstunden Strom – das sind mehr als zehn Prozent des österreichischen Strombedarfs von rund 61 Terawattstunden. Im Vergleich zur Stromproduktion mit fossilen Energieträgern (Gas) spart die Kleinwasserkraft jährlich 5,25 Millionen Tonnen CO2 ein. Bei jedem Kraftwerk fließen bis zu 30 Prozent und mehr der Gesamtinvestition in Naturschutzmaßnahmen, wie etwa Fischaufstiegshilfen.

Ein erheblicher Teil des Ausbaupotenzials der Kleinwasserkraft ist aktuell ungenutzt. Kurzfristig kann die Kleinwasserkraft innerhalb von maximal drei Jahren durch Revitalisierungen ein Potenzial von rund 0,28 TWh abrufen. Durch die Nutzung bestehender Querbauwerke können nochmal bis zu 0,5 TWh abgerufen werden. Insgesamt könnten dadurch umgerechnet knapp 250.000 Haushalte zusätzlich versorgt werden.

Mittelfristig können in drei bis zehn Jahren durch bis zu 90 neu gebaute Anlagen bis zu 0,4 TWh umweltfreundlicher Strom pro Jahr erzeugt werden. Zudem können 1,53 TWh Strom pro Jahr durch die energetische Nutzung von Beschneiungsteichen gewonnen werden. Durch den Neubau von Speichern und Pumpspeichern (ca. 230 MW Leistung) an bestehenden Kraftwerksanlagen, können nochmals 0,28 TWh Strom pro Jahr generiert werden. Das sind insgesamt 3,13 TWh Strom mit denen weitere 920.000 Haushalte versorgt werden können.

Vier Forderungen an die nächste Bundesregierung

1. Schnellere Verfahren durch die Umsetzung von RED III

Die Genehmigung eines Kleinwasserkraftwerks dauert vier Jahre und mehr. Mit der am 20. November 2023 in Kraft getretenen Renewable Energy Directive (RED III) hat die EU eigentlich den emissionsfreien Turbo in Richtung Energiewende gezündet. RED III enthält klare Zeit- und Zielvorgaben in Richtung Erneuerbaren-Ausbau, sieht dafür schnellere Verfahren und Beschleunigungsgebiete vor und schreibt verbindlich ein überragendes öffentliches Interesse an Erneuerbaren vor. Kleinwasserkraft Österreich fordert, dass die nächste Bundesregierung sowie die Bundesländer die RED III-Vorgaben rasch umsetzen.

2. Ein stabiler Förderrahmen durch Änderungen im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG)

In einer Novelle des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes müssen aus Sicht der Kleinwasserkraft folgende Punkte angepasst werden: Keine naturschutzrechtlichen Zusatz-Auflagen für bereits als ökologisch verträglich bewilligte Kraftwerke. Die Förderung für die Revitalisierung von Kleinwasser-Kraftwerken muss attraktiver werden. Mehr Förderung von Speicher- und Pumpspeicherkraftwerken und Förderung für den Umbau bestehender Anlagen zur besseren Systemintegration.

3. Mehr wissenschaftliche Standards und weniger Behördenspielraum bei Leitfäden und der Interpretation von Verordnungen

Leitfäden für den Bau von Fischaufstiegshilfen und deren Monitoring bieten derzeit eine sehr „breite Interpretations-Spielwiese“ für Beamte und Behörden. Teilweise müssen Betreiber oder Betreiberinnen von Kleinwasser-Kraftwerken Aufstiegshilfen für Fische in einer Größe dimensionieren, die es im Gewässer gar nicht gibt und absehbar auch nicht geben wird. Verursacherprinzip bei der Gewässerqualität: Derzeit wird die Verantwortung für die Gewässerqualität der Kleinwasserkraft aufgebürdet – der Einfluss anderer Stakeholder (z.B. Fischerei, Landwirtschaft) wird im Wesentlichen völlig ausgeblendet. Wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse und Neuentwicklungen sollen in standardisierten Verfahren rasch umgesetzt werden – ohne lange und zeitraubende Verfahren.

4. Das Landschaftsbild und teure Doppelprüfungen im Naturschutz dürfen nicht länger Verhinderer sein

Durch das Naturschutzgesetz sollen nur jene Punkte geprüft werden, die nicht ohnehin nach dem Wasserrecht geregelt sind. Doppelprüfungen kosten viel Zeit und Geld. Ein Kleinwasserkraftwerk, das sämtliche Auflagen erfüllt und alle Genehmigungsverfahren positiv hinter sich gebracht hat, kann alleine mit dem Verweis auf das Landschaftsbild verhindert werden. Das geht so weit, dass ein Kraftwerksprojekt abgelehnt werden kann, wenn dadurch der „sprudelnde Weißwasser-Anteil“ geringfügig reduziert wird.

 

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