Samstag, Oktober 12, 2024
Energiegemeinschaften: Abstimmung zählt
Wirtschaftlichkeit berücksichtigen: Power-Solution-Geschäftsführer Roland Kuras empfiehlt, Energiegemeinschaften in ökonomischer Hinsicht ähnlich wie Start-ups zu betrachten. (Bild: Power Solution)

Versorgungssicherheit, Preisstabilität und Imagepflege machen Energiegemeinschaften für Gewerbe und Industrie zunehmend attraktiv. Bei ihrer Etablierung und ihrem Betrieb empfiehlt sich die Zusammenarbeit mit professionellen Dienstleistern.


Es sind im Wesentlichen drei Gründe, die Unternehmen dazu veranlassen, Energiegemeinschaften (EG) zu etablieren, berichtet Magdalena Gerzer, New Business und Venture Developer für Energiegemeinschaften bei der Wien Energie. Erstens geht es um verstärkte Unabhängigkeit und Versorgungssicherheit. Sowohl Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften (EEG) als auch Bürgereinergegemeinschaften (BEG) ermöglichen, insbesondere Strom selbst zu erzeugen und zumindest gebäudeübergreifend zu nutzen. Innerhalb von BEG kann bekanntlich auch eine österreichweite Verwendung der elektrischen Energie erfolgen. Als zweiten Grund nennt Gerzer die Preisstabilität: Die an einer EG beteiligten Erzeuger und Verbraucher haben das Recht, den Preis entsprechend ihren Bedürfnissen für einen längeren Zeitraum zu vereinbaren, etwa für ein Jahr. „Üblicherweise führt das auch zu einer Kostenersparnis“, erläutert Gerzer. Der dritte Grund besteht ihr zufolge in der Pflicht von Unternehmen, ihre CO2-Emissionen zu senken. Diesem Zweck kann die Errichtung von Anlagen zur Erzeugung von Strom mittels erneuerbarer Energie dienen. Verbunden damit ist ein nicht unwillkommener Imageeffekt: Laut Gerzer kann ein Unternehmen auf diese Weise zeigen, „dass es sich für den Klimaschutz engagiert und Schritte in Richtung Dekarbonisierung der Energieversorgung setzt“.

Bürgerenergiegemeinschaften bieten sich an, wenn ein Unternehmen über mehrere österreichweit verteilte Standorte verfügt und von seiner Größe her über die Dimensionen eines „klassischen“ Klein- und Mittelbetriebs hinausgeht. Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften wiederum sind Gerzer zufolge für KMU empfehlenswert, die eine EG im Umkreis einer einzigen Trafostation oder eines einzigen Umspannwerks aufbauen möchten und anstreben, mit dem erzeugten Strom auch Privatpersonen zu versorgen. In wirtschaftlicher Hinsicht von Vorteil sind dabei nicht zuletzt die reduzierten Netztarife für den Transport des selbst erzeugten Stroms innerhalb der Energiegemeinschaft, die von EEG in Anspruch genommen werden können und die um bis zu 58 Prozent unter den „normalen“ Netztarifen liegen.

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Bild: Anpassung sinnvoll: Erzeugung und Verbrauch von Energiegemeinschaften sollten gut aufeinander abgestimmt werden, konstatiert Magdalena Gerzer, die bei der Wien Energie für das Thema zuständig ist.

Energiewirtschaftliche Analyse
Interessiert sich ein Unternehmen für die Gründung einer Energiegemeimschaft oder für die Teilnahme an einer solchen, ist es laut Gerzer nötig, eine Reihe von Fragen zu klären. Insbesondere gilt es, festzulegen, welche Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen von Beginn an in die EG integriert werden sollen und welche in weiterer Folge hinzukommen. „Das Erzeugungs- und Verbrauchssetting sollten möglichst gut aufeinander abgestimmt werden. Wir bieten dazu energiewirtschaftliche Analysen an“, schildert Gerzer. Zu erörtern ist weiters die Bedeutung der Preisbildung: „Wenn der Anlass für die Gründung einer EG der wirtschaftliche Vorteil ist, wird der Preis üblicherweise eine größere Rolle spielen. Eventuell ist er auch dafür relevant, ob eine EEG oder eine BEG für den konkreten Fall besser geeignet ist.“ Ferner muss geklärt werden, wer die Mitglieder der EG sind und welchen Aufwand ein Unternehmen für deren Etablierung und Betrieb einzugehen bereit ist. Laut Gerzer haben mittlere und größere Unternehmen meist mehr Personalressourcen einzusetzen als Privathaushalte, die Energiegemeinschaften auf einer Vielzahl von Plattformen online gründen können.

Dienstleister helfen
Aufgrund der Komplexität des Themas ist es für Unternehmen jeder Größe sinnvoll, sich bei der Gründung und beim Betrieb einer EG welcher Art auch immer eines professionellen Dienstleisters zu bedienen. Die Wien Energie selbst entwickelte in diesem Zusammenhang eine Art „Sorglos-Paket“. „Der Kunde unterschreibt einen Vertrag mit uns, und wir kümmern uns um alles Weitere. Wir berechnen die Wirtschaftlichkeit der EG und empfehlen die für den dort erzeugten Strom verrechneten Preise. Die Entscheidung über diese Preise bleibt natürlich beim Kunden“, berichtet Gerzer. Sind die grundlegenden Fragen geklärt, führen Fachleute der Wien Energie den Kunden durch die für die Etablierung der EG nötigen Prozesse. Ist die EG aktiviert, erhält der Kunde eine entsprechende Benachrichtung. Er kann ab sofort Strom aus der EG beziehen. Ein Dashboard bietet ihm die Übersicht über die Strom- und Kostenflüsse.

Für die Etablierung der EG fallen seitens der Wien Energie keine Kosten für den Kunden an. Für seine laufenden Dienstleistungen beim Betrieb der EG verrechnet das Unternehmen pro bezogener Kilowattstunde 2,40 Cent inklusive Umsatzsteuer.

Der Dienstleistungsvertrag gilt prinzipiell für ein Jahr: „Das ist unsere Empfehlung, weil sich die vollen Vorteile einer EG erst nach einem längeren Zeitraum ergeben und die Optimierung eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt“, erläutert Gerzer. Wer seine EG als Verein gründet, muss mit einmaligen behördlichen Verwaltungsgebühren von etwa 30 bis 40 Euro rechnen. Bei der Gründung einer Genossenschaft wiederum ist eine Anmeldung beim Revisionsverband nötig, die mit rund 3.000 bis 4.000 Euro zu Buche schlägt. Hinzu kommt der Aufwand für Juristen und Steuerberater. Für manche Leistungen stellen der Bund sowie die Länder Förderungen zur Verfügung.

Strukturiert gründen
Laut Roland Kuras, dem Geschäftsführer der Wiener Power Solution Energieberatung GmbH sind Unternehmen, die sich für die Gründung einer Energiegemeinschaft interessieren, gut beraten, dabei „sehr strukturiert“ vorzugehen. Zu klären ist zunächst die gewünschte Größe der EG: Soll die Gemeinschaft auf das engere Umfeld des Unternehmens begrenzt bleiben, empfiehlt sich die Organisationsform eines Vereins. Besteht dagegen das Interesse an einer größeren und entsprechend komplexeren Struktur, rät Kuras zur juristischen Form einer Genossenschaft. Die dabei im Jahres- oder Zweijahresrhythmus durchzuführenden Revisionen bieten den Mitgliedern mehr Sicherheit, als sie mittels eines Vereins zu erreichen wären. Nach der Entscheidung über die Organisationsform sollte laut Kuras ein Workshop abgehalten werden, um die Eckpunkte der Satzung der EG zu klären, etwa: „Wer gehört der initialen Gruppe der Energiegemeinschaft an? Was ist ein Anteil an der Gemeinschaft wert? Erfolgt die Verrechnung von Erzeugung und Verbrauch statisch oder dynamisch, wie oft wird die Rechnung gelegt? Wie wird der Vorstand gewählt?“ Wesentlich ist auch ein guter Abgleich zwischen den wirtschaftlichen Interessen der Einspeiser und denen der Abnehmer: „Es sollte für beide attraktiv sein, in die Energiegemeinschaft hineinzugehen.“

Nicht zu unterschätzen sind Kuras zufolge die mit der Gründung und dem Betrieb einer Energiegemeinschaft verbundenen Pflichten und Verantwortlichkeiten – von haftungs- und steuerrechtlichen Fragen über die Abrechnung sowie die Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Netzbetreiber, der die Erzeugungs- und Verbrauchsdaten zu übermitteln hat, bis zu allfälligen technischen Herausforderungen. Dazu gehört laut Kuras beispielsweise die korrekte Konfiguration der digitalen Stromzähler (Smart Meter), ohne die die Beteiligung an einer Energiegemeinschaft nicht möglich ist: „Standardmäßig sind die Geräte so eingestellt, dass sie Tageswerte für Erzeugung und Verbrauch liefern. Für die Teilnahme an einer Energiegemeinschaft werden aber die Viertelstundenwerte benötigt.“ Angesichts der Komplexität der gesamten Thematik rät Kuras, ein Energieunternehmen oder einen Dienstleister wie seine Power Solution mit dem Betrieb der Energiegemeinschaft zu beauftragen.

Energiegemeinschaften als Start-ups
Kuras vergleicht die Etablierung einer EG mit der Form eines Trichters: „Am Anfang stehen engagierte Personen, die sagen, sie wollen eine EG gründen und haben eine Vision. Wir kanalisieren die Vorstellungen dann so, dass aus dem breiten Spektrum an Ideen und Überlegungen etwas wird, was im konkreten Fall sinnvoll und möglich ist.“ In der Folge begleitet Power Solution die Gründung der EG und zieht dabei erforderlichen Falls Fachleute, etwa Juristen und Steuerberater, bei. Ferner unterstützen Kuras und sein Team den Aufbau der Website der EG sowie deren Datenverwaltung inklusive Abrechnung.

Bis die EG wie angestrebt funktioniert, sind Kuras zufolge etwa zwei bis drei Jahre zu veranschlagen. Ist die EG als Genossenschaft organisiert, hat sie aufgrund der einschlägigen Vorgaben von Beginn an über einen Businessplan zu verfügen. Laut Kuras empfiehlt sich, eine EG in wirtschaftlicher Hinsicht „ähnlich zu betrachten wie ein Start-up. Das ist manchen Gründern, die die EG aus ‚Leidenschaft‘ für die Energiewende etablieren, zu wenig bewusst. Deshalb unterschätzen sie den Aufwand“. Aus diesem Grund gilt es für Dienstleister wie Power Solution bisweilen, die „großen Visionen“ an die Realität anzupassen. Manche Unternehmen dagegen haben sehr konkrete Vorstellungen, gerade auch, was die angestrebte Wirtschaftlichkeit ihrer EG betrifft: „In solchen Fällen geht die Etablierung meistens sehr straight durch.“

Erzeugungs- und Verbrauchsprofil abstimmen
Auf ein möglichst gutes Zusammenpassen von Erzeugung und Verbrauch innerhalb der Energiegemeinschaft zu achten, rät auch Ulfert Höhne, der Gründer und Geschäftsführer der OurPower-Energiegenossenschaft mit Hauptsitz in Wien. Zu ihren Geschäftsfeldern gehört die Unterstützung von Unternehmen bei der Gründung und beim Betrieb von EEG und BEG. Zurzeit betreut sie zwölf Energiegemeinschaften, davon zwei BEG. Laut Höhne ist es notwendig, „einerseits das Erzeugungsprofil der Ökostromanlagen und andererseits das Verbrauchsprofil der beteiligten Gewerbe- oder Industriekunden zu kennen. Wird am Wochenende in der EG kein Strom oder erheblich weniger Strom benötigt als unterhalb der Woche, kann das wirtschaftlich unerfreulich werden.“ Eine nicht zu unterschätzende Herausforderung dabei ist die Qualität der Prognose des Strombedarfs in der EG: „Außerdem reagieren Strombezieher nicht immer auf das Preissignal.“

Das wirtschaftliche Optimum lässt sich Höhne zufolge dann erzielen, „wenn die EG mit anderen Erzeugern und Verbrauchern zusammenarbeiten und die Übermengen gut vermarkten kann“. Gerade darin sieht Höhne den Vorteil einer Mitgliedschaft bei OurPower: „Wir sind ein Peer-to-Peer-Marktplatz, auf dem sich Überschussmengen zu einem festgesetzten Preis an zahlungsbereite Kunden verkaufen lassen. Diese Kunden wollen einen stabilen Preis.“

Die grundsätzliche Bedeutung von Energiegemeinschaften gerade auch für Unternehmen besteht laut Höhne nicht allein im Energiehandel, sondern im Vorantreiben der Energiewende: „Es geht darum, das Dargebot an elektrischer Energie und den Bedarf besser in Einklang zu bringen, beispielsweise auch mithilfe von Ladestationen.“ Freilich funktioniere dergleichen vor allem automatisiert. Dafür aber benötigten Kunden – ob nun Unternehmen oder Privatpersonen – Dienstleister wie OurPower: „Im Wesentlichen braucht der Kunde dann nur mehr einen Zugang zum Onlineportal seines Dienstleisters. Auf dem Portal sind die aktuellen Energie- und Kostenflüsse dargestellt. Der Kunde sieht, was ihm die Mitgliedschaft in seiner EG bringt und was sie ihn kostet. Die umfangreichen technischen Funktionalitäten und Abläufe dahinter brauchen ihn nicht zu interessieren.“

Community-Bewusstsein schaffen
Sehr wohl interessieren sollten sich die Kunden allerdings dafür, möglichst viel Energie aus ihrer Energiegemeinschaft zu beziehen. „Wir setzen dabei auf das Entstehen eines Community-Bewusstseins und längerfristig einer Community-Kultur.“ Die Energiewende lasse sich nun einmal nur gemeinsam bewältigen, Und sie bedürfe umfassenden automatisierten Erzeugungs- sowie Lastmanagenents. „Wir ermutigen die Kunden, das zuzulassen“, resümiert Höhne.

 


Energiegemeinschaften – Basisinformationen

Der Bestand
Laut der Energiemarkt-Regulierungsbehörde E-Control in Österreich bestanden Ende 2023 österreichweit 1.180 Energiegemeinschaften. Davon waren 1.050 lokale und regionale „Erneuerbare Energiegemeinschaften“ (EEG) sowie 130 Bürgerenergiegemeinschaften (BEG). Für Ende 2024 rechnet die E-Control mit 1.318 Energiegemeinschaften, von denen 1.171 EEG und 147 BEG sein dürften.

Die Arten
Unterschieden wird zwischen „Erneuerbaren Energiegemeinschaften“ (EEG) und Bürgerenergiegemeinschaften (BEG). EEG dürfen nur lokal (im Umfeld einer Trafostation) oder regional (im Umfeld eines Umspannwerks) etabliert werden. Sie können sich außer auf Strom auch auf Wärme beziehen. BEG betreffen ausschießlich Anlagen zur Stromerzeugung, die allerdings in ganz Österreich stehen können.

Die Voraussetzungen
Notwendig für die Teilnahme an einer Energiegemeinschaft ist ein funktionierendes digitales Strommessgerät (Smart Meter), das die viertelstündlichen Verbrauchswerte erfasst. Nur mittels dieser Daten ist die korrekte Abrechnung möglich. Benötigt wird weiters zumindest eine Erzeugungsanlage, meist eine Photovoltaikanlage.

Die Vorteile
Zu den Vorteilen von Energiegemeinschaften gehört, dass die Beteiligten den Bezugspreis der Energie weitgehend frei vereinbaren können. Dabei ist grundsätzlich auf „Marktüblickeit“ zu achten. Für den in EEG genutzten Strom gelten, soweit für seinen Transport ein öffentliches Netz benutzt wird, reduzierte Netzgebühren. Diese sind für lokale und regionale EEG unterschiedlich.

Weitere Informationen bieten die Website energiegemeinschaften.gv.at sowie die meisten in Österreich tätigen Energieversorger und -dienstleister.

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