Freitag, April 19, 2024

Synthetisch hergestellte Treibstoffe haben das Potenzial, den weltweiten CO2-Ausstoß erheblich zu senken. Doch hohe Herstellungskosten und Skepsis der großen Mineralölkonzerne verzögern noch den Durchbruch der e-Fuels.

Porsche ist einer der ersten großen Autokonzerne, der auf eFuels setzt. Der Nobelautoproduzent hat sich an einem Pilotprojekt von Siemens Energy in der südchilenischen Provinz Magellan beteiligt, das im Dezember 2022 mit der Erzeugung dieses synthetischen Kraftstoffs unter Einsatz von Strom aus Windenergie begonnen hat. Die Anlage »Haru Oni« verwendet den Windstrom, um in der Elektrolyse Wasserstoff zu erzeugen, der mit aus der Luft gefiltertem CO2 zu synthetischem Methanol verbunden wird. Mit der Methanol-to-Gasoline-Technologie von ExxonMobil wird daraus kommerzieller Kraftstoff – nicht unterscheidbar von Benzin und Diesel aus Erdöl und obendrein CO2-neutral. 55 Millionen Liter eFuels sollen in der Anlage in Südchile jährlich produziert werden. Porsche will den synthetischen Sprit zunächst im Motorsport einsetzen.

Natürlich sind die 55 Millionen Liter nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Österreich verbraucht gut zehn Milliarden Liter Treibstoffe im Jahr. Doch zum einen starten eFuel-Projekte derzeit in vielen Teilen der Welt. Überall dort, wo erneuerbare Energie in großen Mengen vorhanden ist – in Skandinavien, in Australien, in den Golfstaaten genauso wie in Saudi-Arabien; zum anderen werden eFuels nicht sämtliche fossilen Treibstoffe ersetzen. »Elektromobilität hat für Porsche höchste Priorität, eFuels sind dazu eine sinnvolle Ergänzung«, betont Porsche-Vorstand Oliver Blume.

In dieselbe Kerbe schlägt Stephan Schwarzer, Geschäftsführer der eFuel Alliance Österreich. »Die Elektromobilität wird nicht die einzige Lösung sein. Wir werden auch die eFuels brauchen, wenn wir die Klimakatastrophe abwenden wollen«, sagt er. Der große Vorteil der synthetischen Treibstoffe sei, dass sie »über Nacht eingeführt werden könnten«. »Wir brauchen dafür keine neuen Vertriebssysteme, keine Leitungen und keine neuen Motoren«, nennt Schwarzer den großen Vorteil dieser klimaneutralen Treibstoffe. Sie können über das bestehende Tankstellennetz vertrieben werden und sämtliche Kraftfahrzeuge könnten damit betankt werden.

Eine jüngst veröffentlichte Studie des Energieinstituts der Wirtschaft hat sich die Potenziale von eFuels im Detail angesehen. Ausgangspunkt: Österreich kann nicht so viel erneuerbaren Strom produzieren, dass damit Industrie, Konsumenten und der auf E-Mobilität umgestellte Verkehr versorgt werden können. Importe seien daher unumgänglich. Und hier kommen eFuels ins Spiel: Sie werden dort erzeugt, wo grüner Strom im Überfluss verfügbar ist. »Bei den in Europa notwendigen Energieeinfuhren wird es einfacher und günstiger sein, auf eFuels ferner Regionen zurückzugreifen, in denen sie effizienter als in Mitteleuropa erzeugt werden können«, heißt es. 

Stephan Schwarzer, eFuel Alliance: »Wir werden eFuels brauchen, wenn wir die Klimakatastrophe abwenden wollen.« (Bild: Weinwurm Fotografie)

CO2 aus der Luft

Neben dem grünen Strom ist das »Einfangen von CO2 ein entscheidender Faktor dafür, ob die synthetischen Treibstoffe als klimaneutral eingestuft werden können. Zum einen werden eFuel-Produktionsanlagen in den Nähe von großen Industriekomplexen errichtet werden, aus deren Emissionen das CO2 abgeschieden und zur Erzeugung der eFuels verwendet werden kann. Zum anderen setzen die Expert*innen auf das Absaugen des Kohlendioxids aus der Atmosphäre. Noch stecken diese Verfahren in der Pilotphase.

So betreibt das Schweizer Unternehmen Climeworks auf Island seit 2021 eine Anlage, die CO2 aus der Atmosphäre abscheidet und unterirdisch speichert. 4.000 Tonnen im Jahr beträgt die Kapazität vorläufig, sie soll aber auf einige Megatonnen steigen. Gemeinsam mit Synhelion planen die Schweizer in Spanien bis 2030 eine Großanlage, die mit dem CO2 aus der Luft »Solartreibstoff«, also eFuels mittels Sonnenstrom erzeugen soll.

Auch heimische Unternehmen arbeiten an Projekten zum Einfangen von Kohlendioxid. Die OMV hat gemeinsam mit dem Verbund, Borealis und dem Zementhersteller Lafarge das »Carbon2Product Austria«-Projekt gestartet, das bis 2030 die gesamten CO2-Emissionen aus dem Zementwerk in Mannersdorf in Niederösterreich abscheiden soll. 700.000 Tonnen sind das immerhin im Jahr. Die Autoren der eFuel-Studie erwarten, dass CO2 aus der Luft erst in den nächsten Jahren in marktrelevanten Mengen zur Verfügung stehen wird. Damit die klimaneutrale Erzeugung der synthetischen Kraftstoffe aber rasch starten kann, rät Robert Schlögl vom Max-Planck-Institut für Chemische Konversion in Mühlheim an der Ruhr, »CO2 einfach zu verbrutzeln und den entstehenden Kohlenstoff zu entsorgen«. »Es geht ja nur um das Molekül. In derselben Menge, in der es durch eFuels entsteht, muss es vernichtet werden«, lautet seine Überlegung.

Mehr als nur Wasserstoff

Zur Erzeugung von eFuels werden große Mengen an Wasserstoff benötigt. Erzeugt wird dieser aus Wasser, indem in der Elektrolyse Wasserstoff von Sauerstoff getrennt wird. Damit die Produktion auch klimaneutral abläuft, muss Ökostrom in der Elektrolyse eingesetzt werden. Weder Europa und schon gar nicht Österreich kann solche Mengen grünen Stroms allein zur Produktion von eFuels herstellen, daher werden Importe aus sonnen- und/oder windreichen Staaten nötig sein. Aber warum wird dann nicht der Wasserstoff direkt in den Antrieben verwendet? »Weil die Infrastruktur fehlt und deren Aufbau Milliarden von Euro kosten würde«, sagt Stephan Schwarzer. Anlagen, die eFuels auf Basis von Wasserstoff erzeugen, sind aber sogar in Österreich in Entwicklung. Der steirische Spezialist für Antriebssysteme AVL hat kürzlich eine Demoanlage in Betrieb genommen, die in einer 200-kW-Elektrolyse und angeschlossenem Fischer-Tropsch-Verfahren 100.000 Liter synthetische Kraftstoffe im Jahr erzeugen soll.

Robert Schlögl, Max-Planck-Institut für Chemische Konversion: »Die Frage des Klimaschutzes wird nicht in Europa, sondern in Asien entschieden.«  (Bild: Thomas Hobirk)

Eine Reihe von Studien hat sich mit der Preisfrage beschäftigt. Die Bandbreite der errechneten Preise für den Liter eFuels ist groß. Hauptgrund dafür ist die Annahme des Strompreises, der für die Wasserstoffproduktion eingesetzt wird. Ökostrom in Mitteleuropa ist wesentlich teurer als etwa in Südchile oder in Australien. So geht das deutsche Umweltbundesamt von Gestehungskosten für grünen Wasserstoff von 21,4 Cent je Kilowattstunde im Jahr 2030 aus. Das Energieinstitut der Wirtschaft wiederum bezieht sich in seiner Studie auf Analysen, die von Importkosten der eFuels zwischen 11 und 19 Cent je kWh ausgehen. Das wären auf den Liter Treibstoff umgerechnet 1 bis 1,8 Euro Produktionskosten. Branchenkenner*innen rechnen zukünftig mit bis zu zwei Euro, wenn eFuels in Europa hergestellt werden, bis zu 1,5 Euro für Importe.

Kritiker*innen werfen den eFuel-Befürworter*innen vor, dass die Erzeugung dieses synthetischen Kraftstoffs mit hohen Energieverlusten verbunden sei: Von der Stromerzeugung zur Wasserstoffproduktion bis zum Kraftstoff gehe viel zu viel Energie verloren, betonen sie. Die Studie des Energieinstituts der Wirtschaft kommt zu dem Schluss, dass der Wirkungsgrad von eFuels mit jenem von fossilen Treibstoffen durchaus vergleichbar ist: 35 bis 29 Prozent. Das stimmt allerdings nur, wenn der grüne Strom für die Elektrolyse in Ländern erzeugt wird, die viel Wind- oder Sonnenstunden haben und damit eine hohe Effizienz bei der Stromerzeugung erreichen. 

Vorteil für Klimaschutz

Die wichtigste Frage rund um eFuels betrifft aber weder Preis noch Effizienz, sondern die Auswirkung auf den Klimaschutz. Für die Studienautor*innen steht fest: »Ohne eFuels kann Österreich seine Klimaziele nicht erreichen«. 28,8 Prozent der Treibhausgasemissionen hierzulande stammen aus dem Verkehr. Um diese stark zu reduzieren, müsse Elektromobilität mit eFuels Hand in Hand gehen.

Doch Österreich allein spielt beim Klimawandel wenig Rolle. »Die Frage des Klimaschutzes wird nicht in Europa, sondern in Asien entschieden«, betont Robert Schlögl bei einem Vortrag in der Industriellenvereinigung. Denn dort liege der global größte Energieverbrauch. Dass man dort mit mehr Sonnen- und Windstrom das CO2-Problem lösen könne, sei eine Illusion. Europa habe es in den vergangenen 20 Jahren unter Einsatz von hohen Investitionen nur geschafft, den fossilen Anteil am Gesamtenergieverbrauch von etwa 12.000 auf 11.000 TWh zu senken, der Grün-Energie-Anteil hat diesen Rückgang ersetzt. »Sonne und Wind allein kann also nicht die Lösung sein«, so Schlögl. Also brauche man andere Lösungen. eFuels seien eine Variante, die laut Schlögl rasch helfen könne. Denn im Gegensatz zu reinem Wasserstoff, der chemisch aggressiv sei, ließen sich eFuels so wie bisherige Treibstoffe verwenden.

»Die Zukunft wird sich zwischen Elek­tronen, also E-Mobilität, und Molekülen, etwa eFuels, entscheiden. Die Frage ist nur das Verhältnis«, so Schlögl. »Die Kritik an den eFuels ist daher nicht akzeptabel. Wir haben keine Zeit, lange zu diskutieren. Wir müssen alles tun, was geht, um diesen Klimawandel zu stoppen«, lautet Schlögls Fazit.

(Titelbild: iStock)

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