Donnerstag, April 25, 2024

Entscheider*innen aus Energiewirtschaft und Industrie fordern eine politische Lösung auf europäischer Ebene und mehr Eigenverantwortung seitens der Unternehmen.

Die hohen Energiepreise, vor allem die Volatilität bei Strom- und Gaspreisen, standen im Mittelpunkt der jüngsten Ausgabe des Formats „Chefsache“, zu dem Phoenix Contact und die Melzer PR Group einluden: Unter dem Titel „Energiezukunft Österreich“ diskutierten Executives aus energieintensiven Industrien mit Vertretern von österreichischen Energieversorgungsunternehmen, wie eine gute gemeinsame Lösung aussehen könnte. Fazit: Solange Unternehmen ihren eigenen Energieverbrauch nicht aktiv managen und die Energieoptimierung nicht an oberster Stelle in der Unternehmensstrategie steht, wird man auch künftig unter volatilen Preisen besonders leiden. Denn nur gemeinsam mit Politik, Wissenschaft und Industrie könne an einer gesamtheitlichen und dauerhaften Lösung der Energie- und Klimakrise gearbeitet werden.

„Unser Berechnungsmodell sagt, dass die Kosten für Energie für Unternehmen und Konsumenten im nächsten Jahr in etwa 30 Milliarden Euro höher sein werden als im letzten Jahr“, sagte Monika Köppl-Turyna, Direktorin des Wirtschaftsforschungsinstituts EcoAustria. „Davon werden etwa 7 Milliarden auf die Haushalte und 23 Milliarden auf die Unternehmen zukommen. Von allen Vorschlägen der Preisdeckelung halten wir die Gaspreisdeckelung am sinnvollsten. Eine Subventionsgrenze von 125 Euro für den Einsatz von Erdgas würde einer Reduktion des Strompreises von etwa 40 Prozent gegenüber dem Stand von Anfang September entsprechen. Der Strompreis würde dabei weiterhin deutlich über dem langjährigen Schnitt liegen und damit auch kräftige Anreize zur Reduktion des Verbrauches bieten.“ Denn genau das sei entscheidend für ein Umdenken von Politik und Industrie: Nur hohe Preise können eine Zusammenarbeit auf europäischer Ebene bewirken, die jetzt dringend notwendig sei.

Volatilität der Strom- und Gaspreise größtes Problem

Die derzeit größte Herausforderung für Energieversorger liege, so die Geschäftsführerin der Energie AG Oberösterreich, Melanie Schönböck, in der Unberechenbarkeit der Preiseentwicklung und den extrem gestiegenen Risiken: „Schon 2021 lag der Strompreis mit 87 Euro pro MWh auf einem All-Time-High. Momentan liegen wir in etwa immer noch bei einer Versechsfachung im Vergleich zu 2021 und beim Gaspreis sieht die Entwicklung ähnlich dramatisch aus. Das Problem, vor dem wir alle stehen, ist, dass keiner weiß, wozu der Preis insbesondere bei einer weiteren Verknappung im Winter noch imstande ist.“

Melanie Schönbock, Geschäftsführerin der Energie AG. 

Einig ist man sich in der Runde, dass eine temporäre Deckelung des Gaspreises in Europa zumindest kurzfristig den Strompreis senken und die Kosten besser kalkulierbarer machen würde. „Eine wirkliche Erleichterung wird es erst geben, wenn Angebot und Nachfrage wieder besser zusammenpassen“, ergänzte Schönböck. „Denn nur dann wird der Markt wieder zu ‚normalen‘ Preisen zurückkehren. Das kann durch eine langfristige Diversifizierung der Gasquellen, Einsparungsmaßnahmen und durch eine Erhöhung des Angebots auch am Strommarkt erreicht werden.“

Nationale Alleingänge nicht zielführend

Martin Wagner, Managing Director der Verbund Energy4Business, ist überzeugt, dass Eingriffe in den Markt nur gelingen können, wenn sie europaweit gedacht und umgesetzt werden: „Es muss gemeinsam mit Politik, Wissenschaft und Industrie an einer gesamtheitlichen und dauerhaften Lösung der Energie- und Klimakrise gearbeitet werden. Nationale Alleingänge sind nicht zielführend, wir müssen international kooperieren."

Gastgeber Thomas Lutzky, Geschäftsführer von Phoenix Contact, sieht zusätzlich zum akuten Handlungsbedarf der Politik auch die Unternehmen selbst gefordert: „Kurzfristig müssen alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, um der Gaskrise sinnvoll zu begegnen. Gleichzeitig gilt es auch die Klimakrise zu adressieren. Schlüsselfaktoren dafür sind der Ausbau erneuerbarer Energie, Speicher und die Sektorenkopplung für mehr Effizienz beim Verbrauch. Das braucht technische Innovationen in der Netzwerk- und Automatisierungstechnik, denn vieles was Hochglanzbroschüren heute versprechen, besteht den Praxistest noch nicht.“

Thomas Lutzky, Geschäftsführer der Phoenix Contact und Gastgeber des Formats, sieht in seiner Arbeit mit heimischen Unternehmen, dass nur wenige ihren eigenen Energieverbrauch wirklich analysieren - so gelingt auch Einsparen nicht. 

Martin Wagner ergänzte: „So wie die Pandemie die Entwicklung der Kommunikationstechnologien massiv vorangetrieben hat, wird der Fokus jetzt auf den Ausbau der erneuerbaren Energien gerichtet. Und hier gilt tatsächlich, dass wir jeden freien Zentimeter mit Photovoltaikanlagen bebauen müssen, der möglich ist.“

Ruf nach mehr Netzwerkkapazitäten und Energiealternativen wird lauter

In Österreich und in Europa stehe man allerdings hier vor dem Problem der mangelnden Netzwerkkapazitäten. Denn zu viele Betreiber von PV-Anlagen destabilisieren das Netz zusätzlich, sagte auch Ulrike Haslauer, geschäftsführende Gesellschafterin von Compact Electric: „Es müssen strategische und ganzheitliche Konzepte zur Energieautarkie entwickelt werden. Denn was nutzen uns die vielen PV-Anlagen, wenn sie das Netz destabilisieren? Es muss dringend in ein besseres Stromnetz investiert werden, um eine gute Basis für die heimische Industrie zu schaffen. Um diese aktuelle Krise bewältigen zu können, braucht es jetzt österreichweit einen ganz engen Schulterschluss von Politik, Industrie und Energieversorgern.“

Wasserstoff und intelligente Lösungen

Außerdem sei es dringend an der Zeit, sinnvolle Alternativen zu angekauftem Strom und Wärme zu nutzen, sagte Martin Mühlbacher, Vice President Operations und Standortleiter von Innio Jenbacher in Tirol: „Wasserstoff wird künftig notwendig in volatilen Stromzeiten sein. Außerdem müssen Biogase in Österreich viel mehr genutzt werden. Mit kleinen Klärgasheizkraftwerken können schon 50 bis 100 Haushalte mit Strom und Wärme versorgt werden.“ Um unabhängig von russischem Gas zu werden, brauche es seitens der Politik unbedingt einen Ausbau des Wasserstoffnetzes sowie leistbare Produkte. Mühlbacher: „Derzeit muss für eine effiziente Wasserstoffproduktion der Strom günstig sein. Ein Wasserstoffkonzept funktioniert erst dann gut, wenn Überschussstrom im Netz ist, der abgenommen werden muss. Es ist eine langfristige Lösung, die wir aber mit einer intelligenten Nutzung von erneuerbaren Energien aus Wind, Sonne und Wasser erreichen können.“

Kurzinfo zum Executive-Format „Chefsache“: 2014 als informelle Expertenplattform „Chefsache Industrie 4.0“ von der Melzer PR Group gemeinsam mit Wirtschaftswissenschaftler*innen und CEOs gegründet, war das ursprüngliche Ziel, das Thema „Industrie 4.0“ bzw. „Internet der Dinge“ (IoT) in Österreich noch stärker zu einer „Chefsache“ zu machen. Die informellen Executive-Runden beschäftigen sich mit konkreten Herausforderungen in verschiedenen Branchen sowie diversen anderen aktuellen Themen.

(Bilder: Melzer PR Group)

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