Donnerstag, April 25, 2024
»In der Planung nicht immer alles neu erfinden«

Eplan liefert eine Plattform für die Planung und die Dokumentation der elektrischen Ausrüstung von Gebäuden. Geschäftsführer Martin Berger und Rolf Schulte, Vertikal Market Manager für Gebäudetechnik, über Veränderungen im Bauwesen, die Relevanz von Kooperation und warum es wichtig ist, das Gehirn nicht zu spät in den Körper zu setzen.

Report: Was muss eine Konstruktions- und Ingenieurssoftware heute für Nutzer*innen in der Gebäudetechnik leisten?

Martin Berger: Wir sehen heute einen gewissen Druck auf Themen in der Gebäude- und Haustechnik, die es früher nicht in dieser Form gegeben hat. Mit den Klimazielen und auch den steigenden Energiepreisen ist Gebäudetechnik sogar politisch geworden. Generell sind wir mit unserer CAD-Software EPLAN und den ergänzenden Produkten seit gut 35 Jahren – seit Anbeginn unseres Bestehens –in der Gebäudetechnik vertreten.

Die Gebäudetechnik und die Gebäudeautomation sind mittlerweile sehr komplex geworden, man muss diese Technologien verstehen und richtiggehend sprechen können. Auch unsere Klientel hat sich verändert. Begonnen hatte es damals mit klassischer Elektroinstallationstechnik und der Zeichnung von Schaltplänen. Heute ist man mit der Software schon zu einem frühen Zeitpunkt in der Planung, es werden damit Anlagen ausgelegt oder etwa die Revitalisierung eines Gebäudes unterstützt.

Rolf Schulte: Bei CAD-Lösungen geht es heute weniger um die Darstellung nur von Funktionalität, sondern auch um eine Gewährleistung der Integrität in die vorhandenen IT-Infrastrukturen. Sie sind die Basis für die Kommunikation und Kollaboration mit anderen Werkzeugen, die im Haus eingesetzt werden – beispielsweise für die Programmierung der DDC-Controller (Anm. Direct Digital Control) und Übergabe der Daten in der Gebäudeautomation. Hier sind wir auch mitten in der Kommunikation mit einem BIM für die mechanische Planung innerhalb eines Gebäudes.

Als zweiten wichtigen Punkt sehe ich die steigende Geschwindigkeit der Prozesse in der Projektrealisierung, die in auch immer höherer Qualität gewährleistet werden muss. Damit bekommt Automated Engineering einen wesentlich größeren Stellenwert. Es bedeutet, dass die Software einen maximalen Grad an Standardisierung gewährleisten kann, um Projekte durch Automatisierung schneller umsetzen zu können. Es geht also nicht mehr nur um die Darstellung eines Stromlaufplans oder eines Mess- und Regelschemas. Der Stromlaufplan hat sich ja in seiner Darstellung in den vergangenen Jahrzehnten kaum weiterentwickelt. Die Automation ändert sich da wesentlich stärker, auch durch verschiedene neue Normen. Sie wird insgesamt komplexer und umfänglicher.

Errichter haben in den vergangenen Jahren ein stärkeres Bewusstsein für die Betriebsphase von Gebäuden aus Sicht der Nutzer*innen entwickelt.

Report: Sie bieten auch einen digitalen Marktplatz an – mit welchem Ziel?

Berger: Mit dem Eplan Marketplace wollen wir eine Vermittlung für unsere Kunden untereinander bieten. Viele Unternehmen haben spezielles Know-how auf ihren Gebieten, von dem andere bei ihren Projekten profitieren können. Gerade beim Umbau, bei der Modernisierung von Gebäuden und der Erweiterung von Technologien ist eine Erfahrung mit der Umsetzung, mit bestimmten Werkzeugen und Standards von großem Vorteil – zum Beispiel, um schnell die komplette Dokumentation zu erstellen.

Schulte: Früher hat jeder für sich gearbeitet. Heute ist einfach Kooperation notwendig – das stellen auch wir als Softwarehersteller fest. Auf dem Marketplace geben unterschiedliche Unternehmen ihre Expertise an andere weiter. Von der kollaborativen Zusammenarbeit über diese Plattform profitiert die gesamte Eplan-Community. Know-how, branchenübergreifend zur Verfügung gestellt, egal ob das eine Erstellung von Makros ist, Funktionalitäten oder Schnittstellen. Man findet auf jede Frage eine Antwort. 

Report: Welche Effizienz kann eine integrierte Gebäudetechnik für Errichter oder Betreiber bringen?

Schulte: Wir betrachten stets die gesamte Wertschöpfungskette des Bauwesens. Je nachdem, ob das nun eine Sanierung, eine Renovierung oder ein Neubau eines Objektes ist, haben Projektbeteiligte unterschiedlichste Anforderungen und Systeme im Einsatz. Häufig gibt es das Gebäude in der Entstehung zwei- bis dreimal in der Dokumentation seiner technischen Ausrüstung.

Wir bieten eine durchgängige Plattform für das Electrical Engineering – also die gesamte Energieverteilung und Automation im Gebäude – von der Entwurfsphase über das gesamte Projekt bis auch zur Betriebsphase an. Es geht auch um die Vermeidung von redundanten Daten, denn rund 35 Prozent einer Ingenieursleistung im Bauwesen entsteht durch unproduktive Arbeit durch Fehlerbeseitigungen.

Circa die Hälfte dieser 35 Prozent ist auf falsche Daten oder schlechte Kommunikation zurückzuführen. Es gibt ja den Spruch, immer Zeit zu haben, Fehler zu beseitigen, aber nie Zeit für richtiges Arbeiten zu finden. Durch eine durchgängige Plattform und cloudbasierte Werkzeuge, die wir mit dem eManage und eView anbieten, werden die Prozesse effizienter.

Gebäudetechnikexperte Rolf Schulte: »Bisher wurde geplant, um zu bauen. Heute wird geplant, um zu betreiben.« 

Report: Wie aufgeschlossen sind die Unternehmen in Österreich für die Digitalisierung der Bauwirtschaft?

Berger: Gerade in dieser Branche ist das ein Entwicklungsprozess über die letzten Jahre, der auch heute noch andauert. Andere Bereiche wie die Industrie sind hier viel weiter, auch weil sie aufgrund des Wettbewerbs und vernetzter Lieferketten schneller handeln mussten. Trotzdem sind die Themen der Gebäudetechnik wie Standardisierung und Optimierung in der Baubranche längst angekommen.

Schulte: Während der Errichter klarerweise möglichst preiswert bauen möchte, entwickelt man mehr und mehr auch ein stärkeres Bewusstsein für die Betriebsphase aus Sicht der Betreiber und Nutzer. Das ändert sich gerade, wie uns auch Ingenieursbüros berichten. 

Report: Welche elektrischen Ausrüstungen des Gebäudes erwarten Sie in Zukunft stärker im Fokus?

Schulte: Klar an erster Stelle ist das die Gebäudeautomation. Rund 35 Prozent der CO2-Emissionen entstehen im Gebäudesektor und die Lösung für die Klimaneutralität kann nur die dynamische Gebäudeautomation sein. Eine EU-Richtlinie dazu schreibt bei der Finanzierung von Gebäuden die Installation von Automation vor. Aber fast 80 Prozent des gesamten Gebäudebestandes entsprechen aktuell nicht den Voraussetzungen für einen effizienten Betrieb.

Aus diesem Grund hat dieses Thema derzeit oberste Priorität. Man sieht das auch bei den Herstellern aus der industriellen Automation, die ihre Produkte größtenteils eins zu eins auch im Bereich der Gebäudeautomation positionieren oder neue Produkte und Lösungen ergänzen.

Report: Was kennzeichnet eine dynamische Gebäudeautomatisierung?

Schulte: In ihr sind alle Komponenten aufeinander abgestimmt und sie stehen in Beziehung zueinander. Ein klassisches Beispiel: Die Heizung geht aus, wenn das Fenster geöffnet wird. Die Temperatur wird also nicht nur anhand eines Sensors im Raum geregelt, sondern aufgrund weiterer Einflüsse. Ebenso wird das Klima oder die Temperatur in einem Besprechungsraum in Abhängigkeit der Reservierung aus einem online verfügbarem Raumreservierungssystem dynamisch geregelt. Bestehende Gebäudeautomatisierung ist heute meist noch statisch. 

Report: Was versprechen hier auch Cloudlösungen? Warum sollten Unternehmen darauf setzen?

Berger: Eine der größten Herausforderungen in der gesamten Zusammenarbeit im technischen Bereich ist die Aktualität von Daten, und die passenden Informationen zum richtigen Zeitpunkt zu haben. Cloudlösungen helfen bei der Zusammenarbeit im Engineering ebenso wie im Instandhaltungsbereich. Mit Abomodellen und Cloudlösungen werden Technologien effizient genutzt. Als Cloudlösung ist eine Software immer am letzten Stand und ist einfach skalierbar. Das geht bis zu einer Verknüpfung eines Schaltschranks über einen QR-Code mit dem aktuellen Datenbestand in der Cloud zu dem System.

Eplan-Geschäftsführer Martin Berger: »Standardisierung und Optimierung in der Gebäudetechnik sind längst auch in der Baubranche angekommen.«

Schulte: Die gesamte Kommunikation läuft wesentlich schneller ab – auch mit technisch tief involvierten Fachleuten, die in der Planung früh dazukommen sollten. Der klassische Weg war ein serieller Prozess: Der Planer hat sein eigenes Wissen, die Informationen sind dann irgendwann bei den Ausführenden angekommen und dazwischen waren weitere Informationen gelagert, die aber nicht immer die richtigen Personen erreicht hatten.

Durch die Cloudlösungen können technische Details und Probleme, die vielleicht erst später auftauchen werden, zu einem sehr frühen Zeitpunkt in der Gruppe besprochen werden. Entscheidungen werden mitunter so auch vorgelagert und vielleicht werden kostspielige Veränderungen in der Projektierung und im Engineering vermieden.

Berger: Die Geräte dahinter sind vielleicht bei Industrieanlagen und Gebäuden anders, aber Einspeisungen, Niederspannungsanlagen und Regelschemata funktionieren immer ähnlich. Ich plädierte dafür, in der Planung nicht immer alles neu zu erfinden. Mit einer Standardisierung können Fehler vermieden und die Qualität und vor allem der Aufwand verbessert werden.

Bei Projekten wird oft bis zum letzten Zeitpunkt gewartet, bis der Auftrag reinkommt – und dann muss alles sehr schnell gehen. Je mehr ich das vordenken kann, desto besser ist es. Hat ein Kunde auch in der Automatisierung seine Bausteine erstellt, die er bis aufs kleinste Granulat immer wieder einsetzen kann, spart er enorm Zeit. Mit Konfiguratoren und Generatoren werden dann die Bausteine mit Informationen angereichert, es werden unterschiedlichste Hersteller eingebunden und die gesamte Dokumentation ist auf Knopfdruck fertig.

Report: Aber früher wurde doch in der Planung ebenfalls Ähnliches wiederverwertet.

Berger: Man hat etwas kopiert, das dem Geforderten ähnlich war, und hat es umgeändert. Änderungen bergen aber immer die Gefahr, etwas zu übersehen oder zu vergessen. Das später nachzuarbeiten – im schlimmsten Fall auf der Baustelle – ist kostenintensiver, als etwas vorzudenken und in einen Standard zu bringen.
 
Schulte: Wir binden die verschiedenen Gewerke früh in die Planungsplattform ein, um diese im Laufe der gesamten Wertekette immer weiter anzureichern – das Projekt wird damit wertvoller. Damit arbeiten wir dem entgegen, dass zuerst die komplette Gebäudehülle entsteht, man sich dann für die technische Gebäudeausrüstung entscheidet und erst danach für die Automation – für das Gehirn des gesamten Gebäudes.

Das passt dann möglicherweise nicht mehr zusammen. Also versucht man jetzt, diese Sachen viel früher nach vorne zu ziehen. Man weiß dann gemeinsam schon bevor der Rohbau fertig ist, wie die Automation später läuft. Das ist ein Veränderungsprozess in der Branche, den wir im Maschinenbau vor zehn bis 15 Jahren hatten. Da wurde eine Maschine entwickelt und als die Maschine fertig war, hat man sich zur Automatisierung Gedanken gemacht. Heute arbeiten die Ingenieure und die Automatisierungsexperten gemeinsam in einem Büro.

Wir können das breite Know-how aus der industriellen Automatisierung auch der Baubranche anbieten, um ihre Prozesse und ihre Wege besser gestalten zu können. Bisher haben wir geplant, um zu bauen. Heute planen wir, um zu betreiben. Das klingt nach einer Kleinigkeit, ist aber vom Denken her völlig anders.

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