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Netze im Wandel

Statements zur Riesenaufgabe für den Markt

»Wer Ökostrom will, muss die Netze ausbauen«, sind Branchenvertreter der heimischen Energiewirtschaft einig. Wir haben nach den Herausforderungen und kritischen Wegpunkten auf der Reise in die emissionsfreie Energiezukunft gefragt.

Thomas Maderbacher, Vorstand Forum Versorgungssicherheit und Geschäftsführer Wiener Netze (Bild oben)

Sicherheit und Kostengrenze

»Die Zeichen stehen auf Zukunft – die Energiewende ist bereits eingeläutet. Mit erneuerbaren Energieformen wie Windkraft und Fotovoltaik kann die Energiewirtschaft ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Versorgungssicherheit und soziale Gerechtigkeit dürfen dabei aber nicht auf der Strecke bleiben.

Das notwendige Streben nach klimaneutraler Energie stellt Produzent*innen und Netzbetreiber*innen vor große Herausforderungen. Besonders die Gewinnung volatiler Sonnen- und Windenergie kann das Gleichgewicht innerhalb der Verteilernetze stören. Das kann finanzielle Folgen für die EndverbraucherInnen haben und ist eine Herausforderung für eine verlässliche Stromversorgung. Um diese unerwünschten Begleiterscheinungen zu verringern, brauchen wir Netzbetreiber die Möglichkeit, die Einspeisung durch volatile Energieerzeugungsanlagen zu begrenzen. Die Umwandlung in speicherbare Energieformen wie Wärme, Wasserstoff und andere innovative Speichertechnologien kann eine Lösung sein, um Verluste zu vermeiden.

Das Erneuerbaren Ausbau Gesetz (EAG) muss hier ansetzen und Netzbetreiber*innen die Möglichkeit geben, zum Schutz der Versorgungssicherheit regulierend in die Energieeinspeisung einzugreifen. Wenn die Leistung der Einspeisung bei Überlastung um 25 bis 30 % verringert wird, bedeutet das für den Produzenten lediglich eine Minderung von 3 bis 5 % der Jahresmenge. Die Netzleistung und die zuverlässige Versorgung wären damit gesichert, und die Kosten für den Endverbraucher blieben im Rahmen.«


Werner Hengst, Geschäftsführer Netz Niederösterreich

Akzeptanz aus der Bevölkerung

»Versorgungssicherheit und starke Netze sind nicht nur ein starker Markenkern unseres Unternehmens. Sie sind eine tägliche Herausforderung. Die größte Änderung ist, dass wir mittlerweile ein Netz mit sehr vielen Erzeugern haben. Dadurch gibt es die eindeutige Energierichtung vom Kraftwerk hin zu den Verbrauchern in dieser Form nicht mehr. Wir müssen es nun schaffen, den extrem starken Ausbau der erneuerbaren Energien in unsere Netze zu integrieren. Wir brauchen starke Netze und als Verteilnetzbetreiber sind wir stets bemüht, die erforderliche Netzinfrastruktur rechtzeitig herzustellen. Aber dafür brauchen wir die Akzeptanz aus der Bevölkerung.

Die Bevölkerung werden wir auch brauchen, wenn es darum geht die sogenannten Flexibilitäten zu nutzen. Im Grunde ist es egal, wann Warmwasser aufgeheizt oder ein Elektroauto geladen wird, solange es zur Verfügung steht, wenn ich es brauche. Es ist also möglich, gewisse Verbräuche in Zeiten zu verschieben, in denen gerade genug Strom erzeugt wird. Über intelligente Systeme ist es schon heute möglich, Geräte wie Wärmepumpe, Boiler oder das E-Auto so zu steuern, dass sie dann einschalten, wenn die hauseigene PV-Anlage gerade Strom liefert oder auch das Windrad ums Eck.

Die Bereitschaft dazu, den eigenen Verbrauch an die Erzeugung anzupassen, nennen wir Flexibilitäten im Energiesystem. Voraussetzung für eine effektive Nutzung sind intelligente Systeme, die eine flexible Steuerung zulassen.«


Wolfgang Trimmel, Geschäftsführer Netz Burgenland

Starke Netze für Erneuerbare

»Um die ambitionierten Ziele der #mission2030 zu erreichen, ist eine intensive Nutzung von Strom aus Wind und Sonne nötig. Das bedingt einen massiven Ausbau der Infrastruktur, um den Strom von vielen dezentralen Energiequellen ins Netz zu bringen und zu verteilen. Seit mehr als 20 Jahren nutzen wir im Burgenland intensiv die Windenergie. Deshalb verfügt Netz Burgenland über jahrzehntelange Erfahrung bei der Einspeisung von Ökoenergie.

Um eine zusätzliche Einspeisung von Ökostrom zu ermöglichen, sind eine Verstärkung der Übergabestellen zum Übertragungsnetz und ein Ausbau des Leitungsnetzes im Mittel- und Südburgenland notwendig. Die Planungen zur Aufnahme weiterer Wind- und Sonnenstrom-Projekte laufen auf Hochtouren. Eine wichtige Basis für die Energie­wende sind die Smart Meter. Im Burgenland sind bereits 95 % der 207.000 digitalen Zähler montiert, was uns österreichweit zu einem Technologievorreiter macht.

Das burgenländische Stromnetz zählt trotz einer weit verzweigten, ländlichen Struktur zu den verlässlichsten Netzen Europas und weist seit Jahren eine Verfügbarkeit von mehr als 99,99 % auf. Dieser Spitzenwert ist nur durch permanente Wartung zu erreichen. Die überdurchschnittlich hohe Versorgungsqualität des Netzes gilt es in Zukunft abzusichern und durch eine stufenweise Verstärkung geplante Wind- und Photovoltaik-Projekte zu ermöglichen.«


Gerhard Christiner, technischer Vorstand Austrian Power Grid

Booster fürs Comeback

»Das Energiesystem ist in einem massiven Umbau. Österreich verfolgt klare Ziele für den Ausbau von erneuerbaren Erzeugungskapazitäten. Österreich will bis 2030 insgesamt 100 % des Stromverbrauchs – bilanziell — aus erneuerbarem Strom erzeugen. Die Dekarbonisierung aller wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Prozesse läuft darauf hinaus, dass die wesentlichste Energiequelle der Zukunft Strom sein wird. Die APG ist mit ihrer Strominfrastruktur Schlüsselfaktor für die nachhaltige Integration der erneuerbaren Energie in Österreich und der Elektrifizierung oben genannter Prozesse. Dies ist die Voraussetzung, um die Klima- und Energieziele zu erreichen.

Für das Gelingen der Energiewende, aber auch für die sichere Transformation brauchen wir eine ausgebaute Strominfrastruktur bei gleichzeitiger Anwendung von State-of-the-Art-Technologien: Nur, wenn entsprechende Leitungskapazitäten in Österreich zur Verfügung stehen, haben wir auch in Zukunft die Reserven, die wir für das Strommanagement brauchen. Deswegen ist die zeitnahe Umsetzung von Projekten wie der Salzburgleitung besonders wichtig. Allein 2021 werden wir rund 357 Millionen Euro in den Ausbau des Übertragungsnetzes vom Boden bis zum Neusiedlersee investieren.

Wir brauchen aber neben einem leistungsstarken Stromnetz, entsprechende Speicheranlagen, genügend Produktionskapazitäten und die Nutzung digitaler Plattformtechnologien, um mögliche Flexibilitäten von Wirtschaft oder Industrie für Systemdienstleistungen verfügbar zu machen. Die APG ist hier auf nationaler und internationaler Ebene Frontrunner. All diese Maßnahmen dienen der sicheren Stromversorgung, dem Gelingen der Energiewende und Elektrifizierung und sind auch ein Booster für das Comeback Österreichs aus der Corona-Krise.«


Franz Strempfl, Geschäftsführer Energienetze Steiermark

Dekarbonisierung und Regulierung

»Die Ziele der Regierung erfordern den Ausbau zahlreicher Einspeiseanlagen aus Wind, PV, Wasserkraft und Biomasse, um zusätzliche 27 TWh Strom bereitstellen zu können. Diese dezentral über ganz Österreich verteilten Anlagen müssen an das Stromnetz angeschlossen werden. Das heißt, wer Ökostrom will, muss auch den hierzu notwendigen Netzausbau auf allen Netzebenen unterstützen und vorantreiben. Auch die zunehmende Elektrifizierung in vielen Bereichen, wie zum Beispiel E-Mobilität, Raumwärme oder Kühlung, erfordert die Verstärkung der Netzinfrastruktur.

Die Sicherstellung des Datenaustausch ist eine zentrale Aufgabe der Netzbetreiber. Österreichs Netzbetreiber haben hierzu mit den Energiewirtschaftlichen Datenaustausch (EDA) eine sichere und kostengünstige, dezentrale Lösung geschaffen. Nicht nur konventionelle Marktteilnehmer, sondern auch Energiegemeinschaften werden dadurch maßgeblich unterstützt.

Jeder Netzbetreiber muss seine Aufgabe als System Operator und Market Facilitator begreifen und Kunden aktiv zur Bereitstellung von Flexibilität für den permanenten Ausgleich von Einspeisung und Verbrauch und zur Behebung von Engpässen einbinden. Die notwendigen Netzverstärkungen und die umfassende Digitalisierung der Netze erfolgen mit großer lokaler Wertschöpfung und hohem regionalen Beschäftigungsgrad, ein nicht unbedeutender Betrag zur Belebung der Wirtschaft in der Post-Covid-Periode.

Der Anspruch zur Dekarbonisierung des Stromsystems muss sich auch in der Anpassung der regulatorischen Rahmenbedingungen für Netzbetreiber widerspiegeln. Wurde seit Beginn der Anreizregulierung das Ziel der Effizienzverbesserungen verfolgt, müssen nunmehr rasch geeignete Anreize für den Ausbau, die Modernisierung und Digitalisierung der Netze und Systeme in den Mittelpunkt gerückt werden. Hier entscheidet sich, ob der zeitgereichte Netz- und Systemausbau und somit die Dekarbonisierung des Stromsystems in Österreich gelingt.«

 

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