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Die Verbrauchssektoren Wärme, Verkehr und Industrie stehen vor einer zunehmenden Elektrifizierung. Studien zeigen jedoch, dass das Potential erneuerbarer Energie auch unter Einbeziehung von Energieeffizienz nicht ausreichend ist. Vielfach heißt die Lösung E-Fuels – ein Ausweg?

Der Anteil von Wind, Sonne und Wasserkraft an der Stromproduktion in Europa lag 2020 bei 38 Prozent. In Österreich konnte dieser hauptsächlich durch eine überdurchschnittliche Stromerzeugung mit Wasserkraft auf 75,1 Prozent erhöht werden. Bis 2030 soll der gesamte Strom aus erneuerbaren Energien kommen. Für die zusätzlich benötigten 27 Terawattstunden braucht es noch gewaltige Kraftanstrengungen. Von Überschuss kann nicht gesprochen werden.

In der Elektrifizierung liegt der Hoffnungsträger für die künftige Dekarbonisierung. Vor allem für besonders schwer zu elektrifizierende Einsatzbereiche wie Schwerverkehr, Luft- und Seefahrt, oder wenn die nächste Ladestation sehr weit entfernt ist, werden E-Fuels (Electrofuels oder auch Powerfuels genannt) als Lösung gesehen.

Bild oben: »E-Fuels statt Benzin oder Diesel, das ist nicht realistisch«, ist Günther Lichtblau, Klimaexperte des Umweltbundesamtes, skeptisch.

»In einem laufenden Projekt untersuchen wir verschiedene Möglichkeiten der Produktion und Einsatzgebiete«, informiert Lorenz Strimitzer, Leiter des Centers nachwachsende Rohstoffe und Ressourcen bei der Österreichischen Energieagentur. Zwar besitzen E-Fuels eine sehr hohe Energiedichte und es ist möglich diese Kraftstoffe langfristig zu speichern. Positiv sind auch die große Flexibilität in den Anwendungen und die potentiell vielfältig nutzbare Rohstoffbasis. Allerdings: Um synthetischen Kraftstoff für eine Strecke von 100 Kilometern herzustellen, wird in etwa die gleiche Menge Strom benötigt, die für rund 500 Kilometer in einem batterieelektrischen Auto erforderlich ist.

Pro Tonne E-Fuel würden zudem fast vier Tonnen CO2 benötigt, ergänzt Gerfried Jungmeier, Forscher am Joanneum Research-Institut LIFE und verweist auf ein Projekt mit der Internationalen Energieagentur. »Wir erstellen für Österreich Szenarien, wie man Klimaneutralität 2040 im Verkehrssektor erreichen kann. Ohne E-Fuels in den schwer zu elektrifizierenden Sektoren lässt sich Klimaneutralität wahrscheinlich nicht umsetzen.« Bis zum Sommer soll die Analyse des gesamten Verkehrssektors erfolgen.

Grüner Kraftstoff

Auf den ersten Blick sieht es bei E-Fuels nach einer einfachen Lösung aus: Wasser wird mittels erneuerbarem elektrischen Strom in Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt. In Verbindung mit Kohlenstoff lässt sich der abgespaltene Wasserstoff im weiteren Prozess durch die erprobte Fischer-Tropsch-Synthese zu flüssigen oder gasförmigen Brenn- oder Kraftstoffen weiterverarbeiten. Als Kohlenstoffquelle kann das CO2 in Industrieabgasen oder in der Umgebungsluft genutzt werden, es bieten sich auch die Bioethanol- und die Biomethanerzeugung an. Allerdings: Bei der CO2-Quelle Luft ist der Energieeinsatz besonders hoch.

Die Fahrzeugindustrie ist laut Jungmeier äußerst interessiert an E-Fuels, sie hätte dann kein Problem mehr mit Treibhausgas. Der Wunsch nach fünf Millionen Tonnen Treibstoff pro Jahr wird aber nicht erfüllt, angebotsseitig steht Österreich bei Null.

»Aktuell analysieren wir die Produktionspotentiale und den möglichen Bedarf in Österreich bis 2040«, informiert Strimitzer. Die benötigte Menge an erneuerbarem Strom ist nicht vorhanden. Es braucht einen noch massiveren Ausbau der Ökostromproduktion. Daher gelte es zu priorisieren, in welchen Bereichen der Einsatz von E-Fuels tatsächlich sinnvoll ist. Wird Energie länder­übergreifend betrachtet, gibt es vielleicht eine Perspektive für E-Fuels.

An Standorten, die besonders von Wind- und Sonnenenergie profitieren, kann die dort kostengünstig erzeugte elektrische Energie mittels Elektrolyse verflüssigt und zu anderen Standorten transportiert werden. Hier kommt ein Vorteil der E-Fuels zum Tragen: Die Infrastruktur ist vorhanden, für Verbrennungsmotoren sind keine erheblichen Modifikationen nötig – das spart Investitionskosten.

Gewichtiger Konkurrent

Ein deutliches Plus besteht bei den Herstellungskosten selbst bei einem Überangebot an erneuerbarem Strom. »Wenn Sie derzeit synthetischen Kraftstoff kaufen, sofern man ihn überhaupt bekommt, läuft nichts unter vier Euro pro Liter«, stellt Günther Lichtblau, Klimaexperte des Umweltbundesamtes, fest. Wenn großindustrielle Produktionskapazitäten geschaffen werden und es einen sehr hohen Zugang zu günstigem erneuerbaren Strom gibt, könnten die Preise mittelfristig in 20 bis 30 Jahren auf das heutige Preisniveau sinken. »Mit Elektromobilität steht aber bereits eine Technologie bereit, die sehr viel effizienter und kostengünstiger ist.«

Über die gesamte Produktionskette ergibt sich ein Energieverlust von nur 15 Prozent. E-Fuels haben rund 90 Prozent Wandlungsverlust, was die Frage nach Nachhaltigkeit aufwirft. Man müsse sich in Zeiten des Energiewandels fragen, wie viel Wirkungsgradverlust leistbar ist. Erneuerbare Energie ist nicht beliebig verfügbar. Und Lichtblau betont das Leitprinzip für die Mobilitätswende »Vermeiden – Verlagern – Verbessern«. E-Fuels sind im Antrieb nicht die effizienteste Technologie, doch sie können sehr wohl als Speichertechnologie eingesetzt werden.

Morgenröte von E-Fuel

In Österreich besteht noch keine großindustrielle Produktion, einige Demoanlagen sind in Planung oder bereits in Umsetzung:

- Das Institut für Wärme- und Öltechnik arbeitet mit der AVL List am Projekt »Innovative Flüssige Energie«. Ab 2022 sollen in einer Power-to-Liquid-Anlage mit einer neuen Elektrolysetechnologie synthetische Brenn- und Kraftstoffe hergestellt werden. Als Einsatzgebiete werden Raumwärmemarkt, Verkehr und Luftfahrt definiert.

- Ein Forschungsteam aus Wissenschaft und Industrie plant im Projekt Waste2Value, gefördert von der FFG, durch eine thermochemische Umwandlung die Verwertung von Reststoffen wie Klärschlamm, Rückständen aus der Papierindustrie und Schadholz zu E-Fuels.

- DaFNE ist ein Projekt der TU Wien und soll ein Dieselsubstitut für Arbeitsmaschinen in der Land- und Forstwirtschaft auf Basis von Schadholz herstellen. Ziel ist, ein idealerweise genossenschaftliches System zu etablieren, in dem die Landwirte selbst ihre Treibstoffe produzieren und ohne Betriebsförderungen auskommen können.

- Beim Pilotprojekt Haru Oni in der Provinz Magallanes in Chile ist neben AME, Porsche und ExxonMobil auch Siemens Energy vertreten. 2022 wird mit der Produktion von 130.000 Liter E-Fuels gestartet, bis 2024 soll auf 55 Millionen Liter im Jahr gesteigert werden. Vorerst sollen die hergestellten Treibstoffe bei Porsche eingesetzt werden. Die Region eignet sich dank extrem günstiger klimatischer Bedingungen für die Windenergie, damit gehen sehr niedrige Strompreise einher.

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