In den ersten beiden Teil der Serie „Gefangen in der Wachstumsfalle “ ging es um die häufig vorgebrachten Argumente für Wachstum (Teil eins, Link) und auf was Unternehmen wirklich achten müssen (Teil zwei, Link). Dieser Beitrag dreht sich um einen Konzern, der in Sachen Wachstum einen eigenen Weg geht. Ein Unternehmen mit Jahrzehnte langer Tradition, das Mitarbeiter aktiv in die Verbesserungsarbeit einbezieht und eine sehr offene Fehlerkultur lebt. Lieferanten werden stets anständig bezahlt und es werden ihnen langfristige Perspektiven gegeben (z.B. Verträge von zehn Jahren und mehr).

Die Rede ist vom japanischen Automobilhersteller Toyota. Auch wenn Toyota heute einer der weltgrößten Automobilhersteller ist, so war bei Toyota Wachstum nie ein Fokus, man hat das Wachstum sogar bewusst begrenzt.

Das Unternehmen wird besonders in der Community, die sich mit dem Thema “Lean” beschäftigt, immer wieder als Musterbeispiel herangezogen. Dabei ist bemerkenswert, dass Toyota selbst den Begriff “Lean” nicht verwendet, aber das ist eine andere Geschichte.

Wenn man die Anzahl verkaufter Fahrzeuge zugrunde legt, ist Toyota, mit kleineren Überholern durch Volkswagen, der größte Automobilhersteller der Welt. 2010 hat das japanische Unternehmen GM als größten Automobilhersteller abgelöst. Aus Sicht des monetären Gewinns ist Toyota schon weit länger auf Platz eins. Nur wenige schaffen es, pro verkauftem Produkt so viel zu verdienen wie der japanische Konzern. Die Gründe dafür liegen in der Art und Weise des Arbeitens und haben mit der Form der Wertschöpfungskette zu tun.

Volkswagen vergleicht sich immer mit Toyota. Insbesondere der ehemalige Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn hat diesen Vergleich intensiv bemüht, um sein Wachstumsstreben zu rechtfertigen. Auch der kurzzeitige vermeintliche Erfolg von Volkswagen, der stückzahlenmäßig größte Automobilhersteller zu sein, ist nichts sagend, denn einerseits ist Toyotas Profit weitaus höher und Toyota schafft seine Stückzahlen aufgrund eines organischen Wachstums. Währenddessen muss ein Konzern, wie Volkswagen 12 Marken, darunter auch Volumenmarken, wie Skoda oder Seat sowie Audi, vereinen, welche im Laufe von Jahren zugekauft wurden. Ein echtes Wachstum sieht anders aus.

Eine Vielfalt unterschiedlicher Marken unter einem Dach zu führen ist sicher möglich, birgt aber besondere Herausforderungen. Gerade im Kontext einer von Misstrauen, Kontrolle und Angst dominierten Unternehmenskultur, wie sie bei Volkswagen präsent ist, dürfte es besonders schwierig sein, so viele unterschiedliche Marken, einschließlich der dazugehörigen Historien und Unternehmenskulturen, gemeinsam in einem Kurs zu vereinen.

Wachstum ist kein Antrieb

Das Jahrzehnte lange Wachstum von Toyota erfolgte immer im Fokus auf die Erfüllung von Kundenwerten und die gesellschaftliche Verantwortung. Dabei hat Toyota das eigene Wachstum immer begrenzt. Es gibt nach wie vor die Devise, dass in Zeiten von Wachstum selbiges einen bestimmten Wert nicht überschreiten darf.

Diese Vorgehensweise erscheint vielen Managern nicht nachvollziehbar. Warum nicht weiter expandieren, obwohl es der Markt hergibt? Die Antwort dürfte viele BWL- und VWL-Experten verblüffen, denn diese ist monetär und in der Kennzahlenwelt nicht darstellbar. Dahinter steckt eine Überzeugung, die etwas mit dem Verhalten von Menschen zu tun hat.

In einer Zeit, in der Unternehmen wachsen, kommt es auch zu stärkeren Veränderungen innerhalb der Belegschaft. In den meisten Fällen kommen neue Mitarbeiter dazu. Jede Veränderung innerhalb von Gruppen von Menschen, die etwas gemeinsam tun, führt zu einer Unruhe, die die Kreativität und Produktivität verringert. In einem gewissen Rahmen ist das verschmerzbar und auch sinnvoll, denn sonst würde sich ein Unternehmen nicht weiterentwickeln. Eine gute Balance zwischen frischem Wind und guten Konstanten ist sehr wichtig.

Sind die Veränderung und damit die Unruhe zu groß, werden die Störungen im Gesamtsystem nicht mehr kontrollierbar und damit gefährlich. Damit neue und bereits anwesende Mitarbeiter die Zeit und die Chance haben, in neue Aufgaben und ein neues Umfeld hineinzuwachsen, dürfen die Veränderungen und damit auch das Wachstum nicht zu hoch ausfallen. In der Zeit von 2008 bis 2009 hatte Toyota mit mehr Qualitätsproblemen als sonst zu kämpfen und tauchte bei Meldungen über Rückrufaktionen häufiger als gewohnt auf. Man geht bei Toyota davon aus, dass dies dem, im Nachhinein betrachtet, zu hohen Wachstum geschuldet ist.

Blick über den Tellerrand

Werfen wir einen Blick über den Tellerrand hinaus. In der Unternehmenswelt drehen wir uns ganz oft um uns selbst, der Kunde kommt peripher vor und der Mitarbeiter wird pro forma auch noch erwähnt.

Doch wie sieht es in der Praxis aus? Wie wird in Ihrem Unternehmen mit Leiharbeitern umgegangen? Werden diese übernommen oder erhalten diese schlechtere Konditionen als die eigenen Mitarbeiter, obwohl sie mehr persönliches Risiko tragen?

Wie sieht es mit den Lieferantenbeziehungen aus? Ist der Code of Conduct ein zahnloser Begleittext oder wird eine Beziehung auf Augenhöhe tatsächlich gelebt? Knebelverträge mit Lieferanten, die jährlich 10 bis 15 Prozent der Kosten einsparen sollen, sind vor allem in der (deutschen) Autoindustrie keine Seltenheit.

Toyota bietet seinen Zuliefern langfristige Lieferverträge über 10 oder 15 Jahre und damit eine gewisse Sicherheit an. Dass diese Unternehmen dann zu mehr Zusammenarbeit und Flexibilität bereit sind, versteht sich von selbst.

Nach diesem Ausflug nach Fernost geht es im nächsten und vorerst letzten Beitrag der Serie „Gefangen in der Wachstumsfalle“ um einen Ausblick in die Zukunft (Link).