Prozessverständnis und Bestandsaufnahme der Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit ist wie das Thema Qualität – jede*r trägt dazu bei und die Betrachtung endet nicht am Werkstor oder der Bürotür. Daher sind Prozessverständnis und die Erhebung möglicher Problemfelder und bereits bestehender Aktivitäten eine wichtige Eingangsgröße für effektives und effizientes Management im ESG-Bereich.
Wenn man Nachhaltigkeit im Unternehmen strukturiert etablieren möchte beginnt man mit einem Blick auf die Unternehmensprozesse.
Vom Groben ins Feine
Es muss nicht als Doktorarbeit ausarten, aber das grobe Verständnis der unternehmenseigenen Prozesse sowie der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette ist essentiell.
Wenn es in Ihrem Unternehmen Wertstromaufnahmen (VSM = Value Stream Mapping), Flowcharts oder ähnliches gibt, ist das ein guter Ansatzpunkt. Ansonsten geht man bei der Prozessaufnahme von den Kunden, über den eigenen Prozess hin zu den Lieferunternehmen oder Dienstleistern vor. Eine grobe Übersicht reicht um die wesentlichen Bereiche und Funktionen sichtbar zu machen.
Klar sollte sein,
- was sind die wertschöpfenden Hauptprozesse (womit verdienen wir unser Geld)?
- Welche Teile in der Prozesskette sind nicht wertschöpfend?
- welche Unterstützungsprozesse gibt es im Unternehmen? Hilfsprozesse sind Vorgänge, für die die Kund*innen nicht bezahlen, die aber in gewissem Maß nötig sind. Das sind beispielsweise Marketing, Buchhaltung oder die Rechtsabteilung.
- für wen machen wir das überhaupt? Also wer sind unsere Kund*innen bzw. Kundengruppen?
- wen brauchen wir um unsere Leistung (egal ob Produkt oder Dienstleistung) erbringen zu können? Hier ist eine Gruppierung der Lieferanten sinnvoll.
Je nach Größe der Organisation kann die Prozessstruktur mehrere Detailebenen haben. Dabei müssen alle Bereiche wie z.B. Geschäftsführung, Verbesserungswesen, Einkauf, Logistik, Produktion/Dienstleitung, Qualitätswesen, Kaufmännisches und Rechtliches berücksichtigt werden und Vertreter*innen aus diesen Bereichen anwesend sein.
Akronym mit Potential: E-S-G
Es ist hilfreich gemeinsam mit den Prozessen schon eine erste Standortbestimmung anhand des ESG-Akronyms vorzunehmen. Das erfolgt nicht nur im eigenen Prozess, sondern auch über die Wertschöpfungskette hinweg. Leitfragen können folgende sein:
E = Environmental
Welche Umwelteinflüsse können in den jeweiligen internen Prozessabschnitten, bei den Kund*innen bzw. Lieferanten wesentlich sein? Beispiele sind der Treibhausgasausstoß, wie die notwendige Energie erzeugt wird und der Transport erfolgt. Welche gefährlichen Stoffe werden eingesetzt und wo kommt es zur Verschmutzung von Luft, Wasser, Boden und Organismen? Weitere Umweltaspekte sind der Wasserverbrauch, Abwasser, Abfallstoffe, Plastik und andere Primär- und Betriebsstoffe. Gibt es bereits Ansätze für Kreislaufwirtschaft? Nicht zu vergessen sind der Bodenverbrauch und die Auswirkungen auf Biodiversität, die Artenvielfalt und das Artensterben.
S = Social
Welche sozialen Aspekte sind relevant? Dazu zählen die Sicherheit und Gesundheit der Menschen sowie angemessene Arbeitsbedingungen, Gleichstellung und Chancengleichheit, Diversität, Versammlungsfreiheit, Menschenrechte, Datenschutz. Und das über die gesamte Lieferketten hinweg bis zu den Kund*innen.
G = Governance
Wie sieht es mit unseren internen Prozessen und der notwendigen Sorgfalt aus um umweltrelevante und soziale Aspekte im Geschäftsalltag zu berücksichtigen? Gibt es überhaupt ein gemeinsames Verständnis von Nachhaltigkeit? Wurde bereits eine Strategie inklusive Zielzuständen und Kenngrößen erarbeitet? Wie erfolgt die Messung dieser Kriterien und gibt es entsprechende Vergütungssysteme? An diesem Punkt lässt sich gut das Ambitionslevel erkennen. Sind nur ökonomische Erfolgskriterien für die Bemessung von Boni festgelegt, ist noch Luft nach oben.
Zudem zählen zu den Governance-Themen Maßnahmen gegen Korruption und Bestechung, sowie die Kommunikation mit Stakeholdern bis hin zu politischem Engagement und Lobbying.
Notieren Sie entlang des gesamten Prozesses, wo mögliche Problemfelder sind bzw. sein können. Besonders bei produzierenden Unternehmen ist der Blick auf die Lieferkette spannend. Da das europäische Lieferkettengesetz (CSDDD) ab 2026 auch in den Startlöchern steht, ist die Arbeit definitiv nicht umsonst.
Schätze heben
Besonders wichtig ist es, in diesem Prozessschritt auch zu erfassen, was bereits alles punkto Nachhaltigkeit gemacht wird. In Organisationen gibt es oft zahlreiche Initiativen und lobenswerte Ansätze – das Wissen darüber fehlt häufig über die Organisationsebenen hinweg. Die entsprechende Darstellung dient der Motivation und Sichtbarkeit für das Thema.
Am Ende dieses Schrittes haben Sie eine erste Bestandsaufnahme und die Ausgangsbasis für die weitere Verbesserung. Im vierten Teil dieser REPORT Serie erfahren Sie, wie Stakeholder klassifiziert und wie diese im weiteren Prozess eingebunden werden können.
Hier geht es zu Teil 1 (Link) und Teil 2 (Link) der Serie.
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