Die Welt steht Kopf. Washington feiert den "Liberation Day" und ein Wirtschaftskrieg droht.
Ein neuer Handelskrieg droht die globale Wirtschaft zu erschüttern. Am 2. April 2025 erklärte Präsident Donald Trump im Rosengarten des Weißen Hauses den „Liberation Day" und kündigte drastische Zölle an, die Amerikas wirtschaftliche Unabhängigkeit sichern sollen. Mit einem Paukenschlag führte er einen Mindestzoll von 10 % auf nahezu alle US-Importe ein, ergänzt durch „reziproke" Zölle von bis zu 54 % auf Länder wie China, Vietnam und die EU. Diese Maßnahmen, die sofort in Kraft treten, haben weltweit Alarm ausgelöst. Kritiker warnen vor steigenden Preisen, Vergeltungszöllen und einer Rezession, während Trump die Zölle als „Wiedergeburt der amerikanischen Industrie" feiert. Doch hinter dieser Politik steht mehr als moderne Protektionismus-Rhetorik: Sie greift Ideen auf, die Alexander Hamilton bereits 1791 in seinem Report on the Subject of Manufactures formulierte – eine Blaupause für staatlich geförderte Industrialisierung, die heute wieder an Relevanz gewinnt.
Der „Liberation Day": Trumps wirtschaftlicher Befreiungsschlag
„Der 2. April 2025 wird als der Tag in die Geschichte eingehen, an dem wir Amerika wieder reich gemacht haben", verkündete Trump bei der Unterzeichnung seiner Zollverordnung. Die neuen Maßnahmen umfassen einen 10 %-Zoll auf alle Importe ab dem 5. April, sowie spezifische Zölle auf Länder mit Handelsüberschüssen: 34 % zusätzlich auf China (insgesamt 54 %), 20 % auf die EU, 46 % auf Vietnam und bis zu 49 % auf Kambodscha, wirksam ab dem 9. April. Ergänzend dazu wurden Zölle von 25 % auf Autos und Autoteile sowie auf Stahl und Aluminium bestätigt. Trump begründete dies mit der Notwendigkeit, „horrende Handelsungleichgewichte" zu korrigieren, die die USA wirtschaftlich geschwächt und die nationale Sicherheit gefährdet hätten.
Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Die EU droht mit Vergeltungszöllen auf amerikanische Produkte wie Whiskey und Motorräder, während Kanada und Mexiko ebenfalls Gegenmaßnahmen ankündigen. Ökonomen, darunter Analysten von JPMorgan, schätzen, dass die Zölle die Steuerlast der Amerikaner um 660 Milliarden Dollar jährlich erhöhen und die Inflation um 2 % steigern könnten. Dennoch findet Trump Unterstützung bei Gewerkschaften wie der United Auto Workers, die die Autozölle als Chance sehen, Arbeitsplätze zurück in die USA zu holen. Die Politik zielt darauf ab, die Abhängigkeit von ausländischen Lieferketten – insbesondere von China in Bereichen wie Halbleitern und Fertigwaren – zu verringern und die heimische Produktion zu stärken.
Doch die aggressive Rhetorik und die wirtschaftlichen Risiken werfen Fragen auf: Ist dies ein kalkulierter Schachzug oder ein gefährliches Spiel mit dem globalen Handel? Um die Wurzeln dieser Politik zu verstehen, lohnt ein Blick zurück auf einen der Gründerväter Amerikas: Alexander Hamilton.
Hamiltons Vermächtnis: Die „Declaration on Manufacturing"
Im Jahr 1791, als die junge Republik wirtschaftlich von Großbritannien abhängig war, legte Hamilton seinen Report on the Subject of Manufactures vor – ein Dokument, das oft als seine „Declaration on Manufacturing" bezeichnet wird. Hamilton war überzeugt, dass die USA nur durch eine diversifizierte Wirtschaft, die Landwirtschaft und Industrie vereint, wahre Unabhängigkeit erreichen könnten. Damals dominierten britische Importe den Markt, was die USA verwundbar machte. Seine Lösung: staatliche Intervention durch Schutzzölle, Subventionen und Infrastrukturinvestitionen, um „Infant Industries" zu fördern, Innovationen anzuregen und Arbeitsplätze zu schaffen.
Hamilton argumentierte, dass Zölle ausländische Konkurrenz eindämmen und einheimische Produzenten stärken würden. Er plädierte für Prämien, um Unternehmen anzuspornen, und für den Ausbau von Verkehrswegen, um den Handel zu erleichtern. Diese Maßnahmen sollten nicht nur die Wirtschaft diversifizieren, sondern auch die nationale Sicherheit festigen, indem sie die Abhängigkeit von anderen Mächten reduzierten. Seine Ideen stießen auf Widerstand, besonders bei Thomas Jefferson, der eine agrarisch geprägte, freiere Marktwirtschaft bevorzugte. Dennoch legte Hamilton den Grundstein für das „American System" – eine Politik, die im 19. Jahrhundert durch hohe Zölle und Infrastrukturprojekte die Industrialisierung der USA vorantrieb.
Parallelen zu Trump: Ein moderner Merkantilismus
Trumps „Liberation Day"-Zölle spiegeln Hamiltons Überzeugung wider, dass der Staat aktiv eingreifen muss, um strategische Industrien zu schützen. Die Einführung hoher Zölle auf Länder mit Handelsüberschüssen erinnert an Hamiltons Forderung, durch protektionistische Maßnahmen einheimische Produktion zu fördern. Trumps Fokus auf Schlüsselindustrien wie die Automobil- und Stahlproduktion sowie seine Rhetorik, andere Nationen hätten die USA „ausgeplündert", spiegeln Hamiltons Kritik an der britischen Handelsdominanz wider. Auch die „reziproken" Zölle, die Handelsungleichgewichte ausgleichen sollen, greifen Hamiltons Idee auf, faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen.
Doch Trumps Politik geht über Hamilton hinaus. Während Hamilton vor allem Großbritannien im Blick hatte, richtet sich Trumps Zorn gegen China, dessen wirtschaftliche Dominanz die globale Ordnung herausfordert. Zudem nutzt Trump moderne Instrumente wie Notstandsbefugnisse, um Zölle ohne Kongresszustimmung durchzusetzen, und verknüpft Handelsmaßnahmen mit Themen wie der Bekämpfung von Drogenhandel, etwa durch Zölle gegen Mexiko und Kanada im Zusammenhang mit Fentanyl. Dennoch bleibt die Grundidee dieselbe: Eine starke Industrie ist die Basis für nationalen Wohlstand und Sicherheit.
Kontroversen: Alte Debatten in neuem Gewand
Wie zu Hamiltons Zeiten ist Trumps Ansatz umstritten. Kritiker sehen Parallelen zu den Debatten des 18. Jahrhunderts, als Jefferson vor den Kosten protektionistischer Politik warnte. Heute befürchten Ökonomen, dass die Zölle die Lebenshaltungskosten erhöhen und globale Lieferketten stören könnten. Die EU, Kanada und andere Partner signalisieren Bereitschaft zu einem Handelskrieg, der die Weltwirtschaft ins Wanken bringen könnte. Dennoch bleibt Trump überzeugt, dass kurzfristige Opfer langfristigen Wohlstand bringen – eine Haltung, die Hamiltons Glauben an die Notwendigkeit staatlicher Lenkung widerspiegelt.
Fazit: Hamiltons Geist in einer neuen Ära
Alexander Hamiltons Report on Manufactures war ein Plädoyer für wirtschaftliche Selbstbestimmung durch industrielle Stärke. Mit dem „Liberation Day" am 2. April 2025 hat Präsident Trump diese Vision aufgegriffen, indem er Zölle als Waffe einsetzt, um die amerikanische Industrie zu revitalisieren und die Abhängigkeit von ausländischen Mächten zu verringern. Doch in einer global vernetzten Welt sind die Risiken eines solchen Kurses hoch. Trumps Politik ist nicht nur eine Fortsetzung von Hamiltons Ideen, sondern eine kühne Neuinterpretation, die die USA an einen Scheideweg führt: Wird der „Liberation Day" die Wiedergeburt der amerikanischen Wirtschaft einleiten oder einen kostspieligen Handelskrieg entfesseln? Die Antwort liegt in der Zukunft – doch die Wurzeln dieser Strategie reichen bis 1791 zurück.