Montag, Oktober 07, 2024

Der Tiefbau befand sich in den letzten Jahren auf Talfahrt, zahlreiche Projekte wurden aufgrund der Krise aufgeschoben. Nun wird wieder vermehrt in Infrastruktur inves­tiert. Forschung und Weiterentwicklung tragen ebenfalls zur Besserung bei.

»Unsere Tiefbauer sind Kämpfer«, blickt Karl Steinmayr, Geschäftsführer von Habau, auf die letzten Jahre zurück. »In Zeiten der Geldknappheit begnügt sich jeder mit dem Minimum oder schiebt Projekte auf, Langfristdenken war schon ausgeprägter.« Steinmayr bezieht sich vor allem auf die Straßeninfrastruktur. »Im Neubau fehlen Projekte generell, v.a. im sekundären und tertiären Straßennetz. Auch bei Revitalisierung und Sanierung wird seit einigen Jahren massiv gespart.« Steinmayr sieht hier keine Trendumkehr, die Budgets sind limitiert, überall laufen Sparprogramme. Christian Motz, Geschäftsführer der Porr bestätigt die Auftragsflaute. »Tunnelbaustellen laufen in den nächsten 10 bis 15 Jahren völlig aus, alle Löcher sind gebohrt.« Ein positives Bild sieht hingegen Stephan Otto, Geschäftsführer von Hochtief – »speziell im Tunnelbau«. Porr sucht derzeit Geschäftsfelder in anderen Ländern. »Wir setzen auf finanziell stabile Märkte wie Deutschland.« Hier gebe es Riesenpotential etwa in der Brückensanierung. Daniel Kosak vom Österreichischen Gemeindebund gibt aber auch für Österreich Entwarnung und sieht Licht am Ende des Tunnels. Nach der Euro-Krise hätten die Gemeinden nun wieder Überschüsse, es wird vermehrt in Infrastruktur investiert. 2011 lagen die Investitionen der Gemeinden (ausgenommen Wien) bei 479 Mllionen Euro, 2013 wurden bereits 593 Millionen Euro investiert. Diese Tendenz hält laut Daniel Kosak an.
 
Tiefbau Straßen
Das heimische Netz an Landes- und Gemeindestraßen umfasst rund 110.000 Kilometer. Bei einem Großteil sind Sanierungen dringend notwendig. Das betrifft laut Habau vor allem Straßen, die vor 20 bis 25 Jahren errichtet wurden. »Die Lastbeschränkungen für Straßen wurden laufend reduziert. Damit sind Revitalisierung und Stabilisierung erforderlich«, so Steinmayr und erinnert sich: »Zu meiner Mittelschulzeit war der Steyr 1090 das Maß aller Dinge. Im Vergleich zu dem, was heute auf den Straßen unterwegs ist, ist er ein Mickey-Maus-LKW.«
Der Sanierungsweg müsse dringend in Angriff genommen werden, denn das Hinauszögern hat ein Arbeitsvolumen zur Folge, das einem Neubau nahekommt. »Ein kleines Schlagloch ist rasch zu sanieren. Wenn sich das Schlagloch jedoch sternförmig ausweitet, erhöht sich der Finanzaufwand ungemein«, bestätigt auch Daniel Kosak.
 
Tiefbau Ab/Wasser
Auch der Bereich Siedlungswasserwirtschaft ist laut Österreichischem Gemeindebund von Sanierung geprägt. Österreichs Gemeinden verfügen über ein riesiges Netz an Wasserleitungen und Kanälen. Der Anschlussgrad liegt über 90 Prozent. Der Großteil dieser Anlagen hat das Ende des Lebenszyklus jedoch erreicht. Manche Anlagen sind bereits über 40 Jahre alt. Neben dem erforderlichen Materialtausch steht das Beheben von Leitungsverlusten am Programm. Wasserverluste von 20 Prozent durch Brüche in den Leitungen und Haarrisse sind leider kein außergewöhnlicher Wert. »Eine Studie mit der Kommunalkredit hat ein Milliardeninvestitionsvolumen für die nächsten zehnbis 15 Jahren ergeben«, sieht Kosak grünes Licht für den Wasserbau. Positiv wertet er hier das Ja des Nationalrates zur weiteren Bundesförderung für die Siedlungs- und Wasserwirtschaft. Neubau im Kanalbereich erwartet er nicht, da sich die Raumordnung geändert hat. Siedlungsgebiete werden nur dann erschlossen, wenn es bereits eine bestehende Infrastruktur gibt.
 
Tiefe Forschung
»Die großen Projekte sind gebaut. Nun gilt es, zu sanieren. Das ist Aufgabe der nächsten Generation«, so Porr-Geschäftsführer Christian Motz. Bei der Sanierung muss innovativ gedacht und agiert werden. »Die meiste Projektforschung wird bei den Firmen selbst betrieben«, erklärt Hans-Georg Jodl, Professor für Baubetrieb und Bauverfahrenstechnik an der TU Wien. Porr konzentriert sich etwa seit fünf Jahren verstärkt auf Innovations- und Technologieentwicklung. »Dafür haben wir eine eigene Abteilung eingerichtet, die wir gemeinsam mit Labors betreiben. Wir setzen aber auch auf langfristige und enge Kooperationen mit Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen«, so Motz. 2014 hat Porr zwölf umfangreiche Forschungsprojekte durchgeführt, darunter das Projekt Optimierung des Betriebsstoffverbrauchs von Baumaschinen mit der TU Wien und das Projekt Hochfester Aufbeton für Brückentragwerke mit der Fachhochschule Spital an der Drau sowie der TU Wien. Univ.-Prof. Jodl berichtet von Gemeinschaftsprojekten mit der Bauindustrie an den Instituten Verkehrswissenschaften, Wasserbau sowie Grundbau und Bodenmechanik. Dazu zählen u.a. Asphaltforschung, Forschung zur Stabilität von Deckwerken im eigenen Wasserbaulabor der TU Wien sowie die Untersuchung des dynamischen Bewegungsverhaltens von Tiefenrüttlern. Auch Karl Steinmayr von Habau sieht in der Forschung eine entscheidende Rolle für den Tiefbau, u.a. in Hinblick auf Kosteneffizienz und neue Alternativen für den Leichtbau. Eine bereits bewährte Bautechnologie ist das grabenlose Bauen, eingesetzt etwa im urbanen Bereich für kleine Leitungen wie Glasfaser und Breitband. Das Vorantreiben der Tunnelsicherheit ist dagegen ein innovativeres Tiefbauprojekt. Die Asfinag setzt dabei vom akustischen Tunnelmonitoring, das untypische Geräusche wie quietschende Reifen oder menschliche Stimmen registriert und Alarm schlägt, bis zum Thermoscanner, der überhitzte LKW erkennt und an der Tunneldurchfahrt hindert.

"Hochtief Infrastructure Austria baut für das Gemeinschaftskraftwerk Inn in Tirol den Triebwasserstollen Maria Stein. Durch den Stollen wird das Wasser unterirdisch zum Krafthaus in Prutz geleitet, wo umweltfreundlicher Strom für mehr als 100.000 Haushalte erzeugt wird."

"Der Anschlussgrad an Wasserleitungen und Kanälen liegt in Österreich bereits über 90 %."

"Microtunnelling beschreibt ein grabenloses Tunnelbauverfahren, bei dem eine unbemannte Tunnelvortriebsmaschine im Rohrvortrieb von einem Steuercontainer an der Oberfläche ferngesteuert wird."

"Es ist spannend zu beobachten, wohin sich z.B. die Straßeninfrastruktur entwickelt. Vernetzung und Verkabelung nehmen zu. Damit entstehen im Tiefbau neue Geschäftsfelder", sagt Porr-Geschäftsführer Christian Motz.

Es ist höchste Zeit für die Generalsanierung von Teilstücken im österreichischen Straßenverkehrsnetz sowie für Ausbesserungsarbeiten in kleinerem Ausmaß, sagt Habau-Geschäftsführer Karl Steinmayr.

"Laut Straßentunnelsicherheitsgesetz müssen bis 2019 Tunnel mit einem Verkehrsaufkommen von mehr als 20.000 KFZ mit einer zweiten Röhre ausgestattet werden."


Hintergrund: Billigst oder Best
Für die nächsten Jahre wird dem Tiefbau ein Aufschwung prognostiziert. Ebenso Positives zeichnet sich bei einem entscheidenden Punkt ab: dem Billigst-Bestbieter-Prinzip. »Seit Jahren geistert eine Reform durch die Köpfe v.a. der Unternehmer«, betont Porr-Geschäftsführer Christian Motz. Das Billigstbieterprinzip sei volkswirtschaftlich nicht das Klügste. Erste Inhalte sind bereits bekannt. »Die Idee im neuen Vergaberecht lautet weg vom sklavischen Festhalten am Billigstbieter hin zum Bestbieter mit Punktesystem«, weiß Daniel Kosak vom Gemeindebund. Der Preis bleibt ein entscheidender Faktor, aber es gibt eine Punktebewertung hinsichtlich Bauzeitdauer, erhöhter Qualitätssicherung, niedrigerer Betriebskosten, geringerer Umweltbelastung, u.v.m. Auch Sozialkriterien wie Beschäftigung älterer Arbeitnehmer sollen bewertet werden.

Projekt: Tunnelkette Granitztal
Fast zeitgleich mit der Übernahme der Infrastruktursparte von Bilfinger sicherte sich Implenia einen weiteren Großauftrag der ÖBB. Nachdem sich die Schweizer Anfang 2014 gemeinsam mit Swietelsky einen 623 Millionen schweren Auftrag für ein Baulos des 27,3 Kilometer langen »Semmering-Basistunnels neu« sicherten, gab es Ende 2014 gemeinsam mit Hochtief Infrastructure den Zuschlag für den Bau der Tunnelkette Granitztal der Koralmbahn. Das Auftragsvolumen beträgt rund 140 Millionen Euro und entfällt zu gleichen Teilen auf die beiden Konsortiumspartner. Die 7,8 Kilometer lange Tunnelkette Granitztal umfasst in geschlossener Bauweise den Vortrieb des Tunnels Deutsch-Grutschen (ca. 2,6 Kilometer) und des Tunnels Langer Berg (ca. 2,9 Kilometer). Der zwischen den Röhren liegende Abschnitt (ca. 0,6 Kilometer) wird in offener Bauweise realisiert. Dabei muss auch der Granitzbach überbrückt werden. Die weiteren Baumaßnahmen umfassen Wasser-, Landschafts-, Straßen-, Leitungs- und Materialeinbauarbeiten. Baubeginn war im Jänner 2015. Der Abschluss der Arbeiten ist für April 2020 vorgesehen.     

Arge: Implenia/ Hochtief Infrastructure (technische Federführung Implenia)
Auftragswert: ca. 140 Mio. Euro (aufgeteilt 50:50)
Auftraggeber: ÖBB-Infrastruktur AG
Baubeginn: Jänner 2015
Voraussichtliches Bauende: April 2020

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