Regionale Konjunkturlok oder Preis- und Korruptionstreiber? Das Thema Best- versus Billigstbieterprinzip war im abgelaufenen Jahr ein Dauerbrenner in der heimischen Baubranche. Neben zahlreichen Befürwortern eines Wechsels öffentlicher Auftraggeber zum Bestbieterprinzip gibt es aber auch kritische Stimmen. Der Bau & Immobilien Report hat Josef Muchitsch, Sprecher der Initiative »Faire Vergaben«, und Johannes Schramm, Schramm Öhler Rechtsanwälte, zum verbalen Schlagabtausch gebeten.
Pro: Regionale Wirtschaft stärken
Josef Muchitsch, Sprecher der Initiative »Faire Vergaben«: Die steigende Arbeitslosigkeit ist zum Teil »hausgemacht«. Die Konjunktur schwächelt und der Wettbewerb wird schärfer. Die Folgen sind Lohn- und Sozialdumping, Vergaben an Billigstbieter sowie Subvergaben an dubiose Firmen mit Fremdpersonal aus dem Ausland. Diese Unsitte bei Vergaben vernichtet regionale Arbeitsplätze, gefährdet unser Ausbildungssystem und die Wertschöpfung wandert ins Ausland. Dubiose Firmen und Subanbieter mit Lohn- und Sozialdumping dürfen bei öffentlichen Ausschreibungen keine Chance mehr auf einen Auftrag erhalten. Dazu braucht es Mut zu Veränderungen, das heißt, öffentliche Auftraggeber müssen ihre Ausschreibungen rechtskonform so gestalten, dass unsere Steuergelder bei regionalen Firmen und Beschäftigten ankommen. Überall, wo ein Steuer-Euro reinfließt, muss Regionalität so weit wie nur möglich gesichert werden. Das kann nur mit Änderungen im Bundesvergabegesetz, welche öffentliche Auftraggeber verpflichtet, dass nur mehr die besten Bieter anbieten dürfen, erreicht werden. Klare Eignungskriterien für Anbieter bis hin zum Bestbieterprinzip müssen ausgeschöpft werden. Einige mögliche Kriterien sind: finanzielle und soziale Bonität, mehr als 50 Prozent der Kernleistungen muss mit Eigenpersonal abgewickelt werden und eine Lehrlingsausbildung muss berücksichtigt werden. Diese Kriterien müssen auch für Subunternehmer gelten und über jede Subvergabe muss der Bauherr informiert werden. Öffentliche Auftraggeber müssen gegen Lohn- und Sozialdumping und bei regionalen Vergaben an seriöse Firmen mit Eigenpersonal Vorbild sein.
Contra: Korruptionsanfälligkeit steigt
Johannes Schramm, Schramm Öhler Rechtsanwälte: Bereits seit 1994 konnte jeder öffentliche Auftraggeber neben dem Preis weitere Zuschlagskriterien festlegen. Diese Kriterien müssen objektiv und nachvollziehbar bewertbar und die Bewertung gewichtet sein. Vergaben mit mehreren Zuschlagskriterien sind erfahrungsgemäß anfechtungsanfälliger, da bei der Bewertung weiterer Zuschlagskriterien meist ein Bewertungsspielraum hinzukommt und die Qualitätsbeurteilung fehleranfällig ist. Ein solches System ist auch korruptionsanfälliger. In den 80er- und 90er-Jahren wurden Vergaben mit mehreren Zuschlagskriterien zurückgedrängt, um Korruption zu vermeiden. Die zusätzliche Komplexität bei mehreren Zuschlagskriterien führt zudem zu kostenintensiveren Verfahren. Bisher haben die leeren Kassen und die Verpflichtung, sparsam mit öffentlichen Mitteln umzugehen, diese Herangehensweise vermutlich verhindert. Bei einem Zwang zu mehreren Zuschlagskriterien ist aufgrund der höheren Transaktionskosten bei gleich bleibendem Budget daher mit einem Rückgang der Aufträge zu rechnen. Bei standardisierten Leistungen wurden allerdings neben dem Preis völlig zu Recht keine weiteren Zuschlagskriterien festgelegt. Ist die gewünschte Qualität genau beschreibbar und genau so gewollt, bedarf es keiner weiteren Beurteilungskriterien. Bei standardisierten Leistungen bringt die Bewertung einer »besseren Qualität« keinen Mehrwert. Mehrere Zuschlagskriterien sollten nur dort eingesetzt werden, wo sie sinnvoll und notwendig sind, wie beispielsweise für geistige, soziale oder komplexe Leistungen.