Donnerstag, April 25, 2024

Regionale Konjunkturlok oder Preis- und Korruptionstreiber? Das Thema Best- versus Billigstbieterprinzip war im abgelaufenen Jahr ein Dauerbrenner in der heimischen Baubranche. Neben zahlreichen Befürwortern eines Wechsels öffentlicher Auftraggeber zum Bestbieterprinzip gibt es aber auch kritische Stimmen. Der Bau & Immobilien Report hat Josef Muchitsch, Sprecher der Initiative »Faire Vergaben«, und Johannes Schramm, Schramm Öhler Rechtsanwälte, zum verbalen Schlagabtausch gebeten.

Pro: Regionale Wirtschaft stärken

Josef Muchitsch, Sprecher der Initiative »Faire Vergaben«: Die steigende Arbeitslosigkeit ist zum Teil »hausgemacht«. Die Konjunktur schwächelt und der Wettbewerb wird schärfer. Die Folgen sind Lohn- und Sozialdumping, Vergaben an Billigstbieter sowie Subvergaben an dubiose Firmen mit Fremdpersonal aus dem Ausland. Diese Unsitte bei Vergaben vernichtet regionale Arbeitsplätze, gefährdet unser Ausbildungssystem und die Wertschöpfung wandert ins Ausland. Dubiose Firmen und Subanbieter mit Lohn- und Sozialdumping dürfen bei öffentlichen Ausschreibungen keine Chance mehr auf einen Auftrag erhalten. Dazu braucht es Mut zu Veränderungen, das heißt, öffentliche Auftraggeber müssen ihre Ausschreibungen rechtskonform so gestalten, dass unsere Steuergelder bei regionalen Firmen und Beschäftigten ankommen. Überall, wo ein Steuer-Euro reinfließt, muss Regionalität so weit wie nur möglich gesichert werden. Das kann nur mit Änderungen im Bundesvergabegesetz, welche öffentliche Auftraggeber verpflichtet, dass nur mehr die besten Bieter anbieten dürfen, erreicht werden. Klare Eignungskriterien für Anbieter bis hin zum Bestbieterprinzip müssen ausgeschöpft werden. Einige mögliche Kriterien sind: finanzielle und soziale Bonität, mehr als 50 Prozent der Kernleistungen muss mit Eigenpersonal abgewickelt werden und eine Lehrlingsausbildung muss berücksichtigt werden. Diese Kriterien müssen auch für Subunternehmer gelten und über jede Subvergabe muss der Bauherr informiert werden. Öffentliche Auftraggeber müssen gegen Lohn- und Sozialdumping und bei regionalen Vergaben an seriöse Firmen mit Eigenpersonal Vorbild sein.

Contra: Korruptionsanfälligkeit steigt

Johannes Schramm, Schramm Öhler Rechtsanwälte: Bereits seit 1994 konnte jeder öffentliche Auftraggeber neben dem Preis weitere Zuschlagskriterien festlegen. Diese Kriterien müssen objektiv und nachvollziehbar bewertbar und die Bewertung gewichtet sein. Vergaben mit mehreren Zuschlagskriterien sind erfahrungsgemäß anfechtungsanfälliger, da bei der Bewertung weiterer Zuschlagskriterien meist ein Bewertungsspielraum hinzukommt und die Qualitätsbeurteilung fehleranfällig ist. Ein solches System ist auch korruptionsanfälliger. In den 80er- und 90er-Jahren wurden Vergaben mit mehreren Zuschlagskriterien zurückgedrängt, um Korruption zu vermeiden. Die zusätzliche Komplexität bei mehreren Zuschlagskriterien führt zudem zu kostenintensiveren Verfahren. Bisher haben die leeren Kassen und die Verpflichtung, sparsam mit öffentlichen Mitteln umzugehen, diese Herangehensweise vermutlich verhindert. Bei einem Zwang zu mehreren Zuschlagskriterien ist aufgrund der höheren Transaktionskosten bei gleich bleibendem Budget daher mit einem Rückgang der Aufträge zu rechnen. Bei standardisierten Leistungen wurden allerdings neben dem Preis völlig zu Recht keine weiteren Zuschlagskriterien festgelegt. Ist die gewünschte Qualität genau beschreibbar und genau so gewollt, bedarf es keiner weiteren Beurteilungskriterien. Bei standardisierten Leistungen bringt die Bewertung einer »besseren Qualität« keinen Mehrwert. Mehrere Zuschlagskriterien sollten nur dort eingesetzt werden, wo sie sinnvoll und notwendig sind, wie beispielsweise für geistige, soziale oder komplexe Leistungen.

Meistgelesene BLOGS

Firmen | News
01. März 2024
Unter dem Motto „Mission Zukunft - Transformation der Wirtschafts- und Energiesysteme" veranstalten die Deutsche Handelskammer in Österreich in Kooperation mit Fraunhofer Austria Research das Deutsch-...
Nicole Mayer
26. Jänner 2024
Der Bewerb um die höchste staatliche Auszeichnung für Unternehmensqualität in Österreich ist eröffnet. Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft (BMAW) sucht Quality Austria wieder...
Alfons A. Flatscher
02. Jänner 2024
... das Alte geht. Die Welt ist im Wandel. Wir wandeln uns mit. Der REPORT ist im Wandel und erscheint in neuem Kleid: Mit neuem Layout, auf besserem Papier und mit einer Weiterentwicklung des inhaltl...
Firmen | News
25. März 2024
Die Arbeitswelt befindet sich im Wandel und Künstliche Intelligenz (KI) spielt dabei eine entscheidende Rolle. Unternehmen weltweit erkennen zunehmend die Bedeutung von KI für ihre Produktivität und W...
Katharina Bisset
07. Februar 2024
Ab 14. Februar 2024 müssen alle Pflichten des Digital Services Act von betroffenen Unternehmen umgesetzt werden – aber was bedeutet dies konkret? Der Umfang der Pflichten hängt davon ab, welche Dienst...
Alfons A. Flatscher
26. Jänner 2024
Ganz oben auf der Agenda unserer Leser*innen steht: Neues schaffen! Wir haben gefragt, 150 Leser*innen haben uns qualifizierte Antworten geliefert. (Zum Artikel: Chancen überall, nicht erst ab 2025) D...
Mario Buchinger
22. Jänner 2024
In der Consulting- und Coaching-Branche gibt es sicher einige Leute, die kompetent Organisationen unterstützen können. Aber viele der Coaches und Consultants nützen meist nur sich selbst. Worauf Unter...
Firmen | News
14. März 2024
Bereits zum dritten Mal verleiht die auf Informationssicherheit spezialisierte Zertifizierungsinstanz CIS - Certification & Information Security Services GmbH die begehrte Personenauszeichnung „CI...

Log in or Sign up