Donnerstag, April 25, 2024

Der Architekt Vitruvius hat die zentralen Anforderungen an Wohngebäude bereits vor zwei Jahrtausenden treffend formuliert: Stabil, nützlich und anmutig soll ein Gebäude sein. Heute spielt auch der Aspekt des gesunden Bauens eine wesentliche Rolle. Und auch die Energieraumplanung darf nicht zu kurz kommen.

Von Karin Legat

Siedlungsstrukturen sind träge. Raumstrukturelle Energieeffizienz wird vielfach durch die Entwicklung der letzten Jahrzehnte blockiert, so etwa durch zunehmenden persönlichen Flächenverbrauch, Siedlungsentwicklung außerhalb der Ortszentren, Verdichtung ohne Funktionsmischung sowie durch räumlich getrennte Entwicklung von Wohnen, Arbeiten und Einkaufen gefolgt von einer Erhöhung des motorisierten Individualverkehrs. All das war Thema bei der Diskussion »Green IQ, Gesund Bauen – Gesund Leben! Wunsch oder gelebte Praxis?« des Kompetenzzentrums Gesundes Bauen, einer sehr kritischen, aber einhelligen Diskussion. Denn sowohl Vortragende als auch Publikum waren der Meinung, dass es rund um Gesundes Bauen nach wie vor an Know-how, an entsprechender Ausbildung und an der adäquaten Einstellung am Bau fehlt.

Beruflich vs. Privat

Bis zu 90 Prozent des Tages verbringt der Mensch in industriell geprägten Ländern in geschlossenen Räumen, überwiegend in Büros, Fabriken und Wohnungen. Man sollte daher meinen, dass Baustoffe in Bezug auf Bauphysik und gesundheitliche Auswirkungen heute ausreichend analysiert sind. »Aber von den allein in Deutschland rund 300.000 Materialien sind aktuell erst 10 bis 20 Prozent erforscht «, kritisiert Univ.-Prof. Stephan Letzel, Leiter des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität Mainz. Falsche Baustoffe und Raumausstattung können zum Sick-Building-Syndrom führen, d.h. zu Allergien, Kopfschmerzen, Reizungen der Atemwege und sogar zu Depressionen und Schädigungen des Immunsystems. Grenzwerte, die per Gesetz am Arbeitsplatz gelten, z.B. zu Innenraumluft, sind nicht auf den Privatbereich übertragbar.

Gesunde Zutaten

Gesundes Wohnen dagegen ist klar definiert. Entscheidend sind Faktoren wie Klima, Schall, Strahlung, Wärme, Architektur und der vernünftige Planungsprozess des Gebäudes. Erhebliche Wirkung auf die Gesundheit haben für Baubiologen Architekt Wolfgang Mück zudem Licht und Farbe. Wopfinger Baumit hat die Bedeutung von Gesundheit im Baubereich bereits vor Jahren erkannt. »Wir haben uns auf mineralische und schadstofffreie Produkte für den Innenraum spezialisiert«, betont Produktmanager Christian Vondrus. Neben den Klimaprodukten hebt er die Ionit-Wandcreme hervor, eine funktionale Wandbeschichtung, die eine hohe Luftionen-Anzahl von 5.000 Ionen/cm³ schafft. Wald, Gebirge und Meer bieten bis zu 7.000 Luftionen/ cm³. In Büro und Wohnungen werden oft nur Werte von 0 bis 200 gemessen. Der Baumit Klimaputz punktet durch hohe Feuchtepufferwirkung (hygrische Speichermasse). Neben dem Innenraum sieht bauXund Aktionsbedarf z.B. in Garagen. Vielerorts werden fugenlose Betonbeschichtungen statt Fliesen verwendet, dabei handelt es sich meist um Epoxidbeschichtungen. Im noch nicht ausgehärteten Zustand kann dieses Material chronische Schädigungen bei den Verarbeitern auslösen. Auch hormonelle Auswirkungen sind nachgewiesen. »Epoxid ist die gefährlichste Substanzgruppe für Arbeiter, selbst bei vorschriftsmäßiger Verwendung. In Deutschland gibt es in diesem Zusammenhang pro Jahr mehr als 100 Fälle von Berufsunfähigkeit. Die Dunkelziffer ist sicher höher«, zeigt Geschäftsführer Thomas Belazzi auf. Als Alternative im Innenraum empfiehlt er als Feuchtigkeitssperre die Einbringung einer einkomponentigen Sperrschicht, produziert u.a. von Murexin, Uzin und Bona. Für Uwe Schwarzkopf von Silence-Solutions zählt auch Schall zu den Gesundheitsfaktoren. Er sieht darin »den Behaglichkeitskiller Nummer eins«. Der Ausweg für ihn: spezielle Wand- und Deckenabsorber. Im Widerspruch zu Gesundem Bauen und Wohnen stehen auch Holzspanplatten, verklebt durch Formaldehydharz. Formaldehyd ist von der EU als krebserregend eingestuft. Doch hier gehen die Meinungen von Konsumentenvertretern, Bauindustrie und Wissenschaft auseinander. Die European Panel Federation beruft sich auf unabhängige Studien, die die Sicherheit von Formaldehyd bestätigen, und sieht daher keinen Anlass für eine Verschärfung des E1-Grenzwertes von 0,1 ppm. Gefordert wird nur eine EU-weite Vereinheitlichung. bauXund übt dagegen scharfe Kritik. »Es geht nicht nur um Kopfweh, sondern um Krebs. Der Grenzwert von 0,1 ppm besteht in Österreich schon seit 20 Jahren. Und das, obwohl technologisch bereits deutlich geringere Werte erzielbar sind«, kritisiert Belazzi. Holzwerkstoffhersteller Egger beweist das etwa durch die völlig formaldehydfrei verleimten Rohplatten OSB4 Top und die DHF Platte. Das österreichische Umweltzeichen schreibt bereits seit einigen Jahren 0,05 ppm vor.

0 bis 100

Bei der Diskussionsveranstaltung des Kompetenzzentrums wurde auch die fehlende Einstellung am Bau kritisiert. »Es bedarf einer ganzheitlichen Betrachtung. Bauen bedeutet nicht nur gesund, sondern auch Wohlfühlen, d.h. auch psychologische Auswirkungen gehören berücksichtigt «, fordert Brigitte John-Reiter, Geschäftsführerin des Kompetenzzentrums Gesundes Bauen. Für Thomas Belazzi reicht das Bewusstsein für Gesundes Bauen bei Bauherren von 0 bis 100, ähnlich wie bei der Akzeptanz von Bioprodukten im Lebensmittelbereich. »Im Bürosektor haben Gebäudezertifizierungen dazu geführt, dass sich Baumeister mit der Thematik beschäftigen müssen. Sie kaufen Bauökologie im All-inclusive-Paket der Zertifizierung mit ein.« Im Wohnbereich fehlen dagegen Zertifizierungen. »Es gibt zwar den IBO-Ökopass. Gesundes Bauen hält sich aber trotzdem in Grenzen. Auch die Wiener Wohnbauinitiative ist weitgehend bauökologiefrei.« Meist sind gesunde Bauprojekte Einzelinitiativen engagierter Bauträger. Bei frei finanzierten Wohnbauten falle die Bauökologie ohnehin meist weg und es gelte nur mehr die Bauordnung. bauXund begleitet daher großvolumige Bauvorhaben. Mittels der selbst entwickelten Methode des Chemikalien- und Produktmanagements lässt sich der Einsatz von Schadstoffen minimieren, seien es organische Lösungsmittel, Weichmacher, PVC, HFKW, Schwermetalle oder Biozide. Profiteure sind Umwelt, ArbeitnehmerInnen auf der Baustelle und schlussendlich die BewohnerInnen in Form von höherer Lebensqualität.

Raum energetisch planen

Höhere Lebensqualität steht auch im Mittelpunkt der Energieraumplanung. Dass der Mobilitätsbereich wesentliche Beiträge zum Klimaschutz leisten kann, sollte heute unstrittig sein. »Raumplanung hat aber ebenso wesentlichen Einfluss auf die Umsetzung der Energiewende«, zeigt Prof. Gernot Stöglehner vom Institut für Raumplanung und Ländliche Neuordnung an der Universität für Bodenkultur auf und verweist auf Entscheidungstools, die die Qualität und Transparenz von Raumplanungsprozessen und -entscheidungen erhöhen. 20 davon wurden für eine Publikation im Auftrag des BMLFUW ausgewählt, getestet und aufbereitet. »Für eine funktionierende Energieraumplanung braucht es kompakte, funktionsgemischte und maßvoll verdichtete räumliche Strukturen«, fordert Stöglehner. »Kurzfristige Vorsätze wie die 20-20-20-Ziele der EU sind mit einiger Wahrscheinlichkeit rein mit technologischen Mitteln zu schaffen. Langfristige Ziele wie die 80- bis 95-prozentige Reduktion der Treibhausgase werden dagegen ohne eine veränderte Organisation der Raumstruktur kaum erreichbar sein«, stellt Stöglehner fest, worüber auch in der ÖREK-Partnerschaft Energieraumplanung Konsens erzielt werden konnte.


Buchtipp: Energieraumplanung
Die Universität für Bodenkultur hat im Rahmen der ÖREKPartnerschaft zwei interessante Berichte verfasst: »Tools für Energieraumplanung « und das Ergebnispapier der ExpertInnen. Im ersten Bericht werden Analysemethoden wie ELAS, TQB und RegiOpt verglichen, im zweiten die Bedeutung von Raumplanung bei der Umsetzung von Energiewende und Klimaschutz erklärt und hervorgehoben.


Behaglichkeit
Die Behaglichkeit in Bezug auf das Raumklima definiert sich über das Verhältnis von Raumlufttemperatur zu Luftfeuchtigkeit. Bei zu feuchter Luft steigt die Gefahr von Schimmelbefall massiv, ab 80 Prozent treten sogar Atembeschwerden auf. Zu trockene Luft führt zu mehr Staubbelastung, ausgetrockneten Schleimhäuten und dadurch zu einem erhöhten Infektionsrisiko.


Kompetenzzentrum Gesundes Bauen
Wie Gebäude auf Organismus und Wohlbefinden wirken, darüber können heute keine verbindlichen Aussagen getroffen werden. Hier setzt das Kompetenzzentrum an und schafft mit wissenschaftlichen Studien, in Kooperation mit Partnern aus Industrie und Forschung, die Grundlage für die Bewertung von Baumaterialien, Bauteilen und Gebäudetechniken hinsichtlich ihres Einflusses auf Gesundheit und Wohlbefinden der NutzerInnen. Ab Herbst 2014 gibt es dazu einen eigenen Lehrgang.

 

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