Montag, Dezember 02, 2024

Die Zeiten sind für die Dämmstoffindustrie nicht gerade einfach. Die Branche muss sich nicht nur gegen eine schwächelnde Nachfrage und sinkende Erlöse wehren. Immer wieder sehen sich die Unternehmen mit Medienberichten konfrontiert, die die Wärmedämmung an sich in Frage stellen.

In schöner Regelmäßigkeit tauchen in auflagenstarken Publikumsmedien Artikel auf, die die Sinnhaftigkeit von Wärmedämmung in Frage stellen. Dabei wird gerne eine im Auftrag der deutschen Förderbank KfW vom Prognos-Institut erstellte Studie »Ermittlung der Wachstumswirkungen der KfW-Programme zum Energieeffizienten Bauen und Sanieren« zitiert. Zu trauriger Berühmtheit gelangte ein Artikel aus der deutschen Welt. Unter dem Titel »Die große Lüge von der Wärmedämmung« wurde die Prognos-Studie dahingehend interpretiert, dass »die Kosten einer energetischen Sanierung die Einsparungen übersteigen. Und zwar deutlich.« Ein schwerer Schlag für die Dämmstoffindustrie, allerdings nur vermeintlich. Nur wenige Tage später ging die KfW mit einer Richtigstellung an die Öffentlichkeit. »Natürlich finanziert die Energiekostenersparnis die energieeffizienzbedingten Mehrausgaben einer Sanierung«, teilte die Bankengruppe mit. Anderslautende Medienberichte hätten die Ergebnisse der Studie missinterpretiert.

Das ändert aber nichts daran, dass die Falschinterpretationen immer wieder neu aufgenommen werden. Erst im Februar dieses Jahres tauchte auf orf.at unter dem Titel »Wenn sich Wärmedämmung nicht rechnet« ein Artikel auf, der sich in weiten Teilen auf den Welt-Artikel bezog. Aber nicht immer ist es eine schlampige Recherche, die zu Artikeln wie diesem führt, oft ist es auch einfach ein Lobbying­erfolg der Gegenseite. Clemens Demacsek, Geschäftsführer der Güteschutzgemeinschaft Polystyrol-Hartschaum, kann davon ein Lied singen. »Es ist unverantwortlich, was an Zeitungsenten und Unwahrheiten zum Thema Styropor, dessen Eigenschaften und Verwendung berichtet wurde«, klagte Demacsek schon im letzten Jahr. Er beschloss, mit den Vorurteilen und Fehlinformationen aufzuräumen und präsentierte als Gegenmaßnahme eine aktuelle Faktensammlung zum Thema Styropor. Aber noch heute sieht Demacsek eine »bewusst geführte Desinformationskampagne«.

Ein dem Report vorliegendes internes Strategiepapier aus Deutschland zeigt, wie die Lobbyisten gegen die Dämmstoffindustrie vorgehen wollen. Ende 2012, also kurz vor Erscheinen der oft missverstandenen Prognos-Studie, wurde in Deutschland eine Verschärfung der U-Wert-Anforderungen diskutiert. Die Lobbyisten stellten fest, dass eine derartige Gesetzesänderung »unweigerlich zu einer Ausweitung der Anwendung von WDV-Systemen führen werde«. Deshalb sollten bei Hintergrund- und Einzelgesprächen folgende Positionen in Medien und bei politischen Entscheidungsträgern platziert werden: »Die Verwendung von WDV-Systemen hätte ein höheres Brandrisiko zur Folge, würde das Trinkwasser durch ausgewaschene Fungizide und Pestizide stärker belasten und die Architektur im Stadtgebiet vereinheitlichen.« Weiters wurde vorgeschlagen, eine »Fördergemeinschaft zum Erhalt gesunder Baukultur« zu gründen und eine entsprechenden Wikipedia-Eintrag zu verfassen. Denn laut einer Studie der Heinze Marktforschung nutzen 80 Prozent der Architekten das Online-Lexikon als Informationsquelle, heißt es in dem Strategiepapier. Weil die Pläne der Lobbyisten an die Öffentlichkeit gelangten, wurde die Gründung der Fördergemeinschaft abgeblasen. Welche andere Maßnahmen in der einen oder anderen Form umgesetzt wurden, ist schwer nachvollziehbar. Das Strategiepapier zeigt aber eindrucksvoll, welche Mittel im Kampf um Marktanteile mitunter eingesetzt werden.

Schrumpfende Märkte

Die heimische Dämmstoffindustrie hat aber nicht nur mit Imagekampagnen und Lobbyisten zu kämpfen, auch die allgemeine Marktentwicklung 2013 schlägt schwer auf den Magen. Laut dem aktuellen Branchenradar »Dämmstoffe in Österreich« von Kreutzer Fischer & Partner sank die Nachfrage im Vorjahr um vier Prozent auf 5,3 Millionen Kubikmeter, die Herstellererlöse sind sogar um fünf Prozent rückläufig und machen nur noch rund 300 Millionen Euro aus. Der Absatzrückgang war laut Studienautor Andreas Kreutzer primär die Folge eines signifikant schrumpfenden Sanierungsmarktes. »Die Verkäufe von Dämmstoffen für die Renovierung von Ein- und Zweifamilienhäusern sanken um nahezu neun Prozent.«

Diese »Sanierungsmüdigkeit« der privaten Haushalte sei im Jahr 2013 aber kein »seltenes Phänomen« und auch nicht alleine auf die Bauwirtschaft beschränkt gewesen. So schrumpfte im letzten Jahr beispielsweise auch der Umsatz mit Unterhaltungselektronik um 15 Prozent. Bei Fenstern brach der private Sanierungsmarkt im Vergleichszeitraum um fast 16 Prozent ein, bei Dachmaterial für geneigte Dächer um 19 Prozent.

In der Branche hat man mit der schlechten Wirtschaftsentwicklung durchaus gerechnet. »Der Einbruch 2013 im Dämmstoffmarkt kam für mich alles andere als überraschend und war aufgrund der Wetterkapriolen absolut vorherzusehen«, sagt etwa Steinbacher-Geschäftsführer Roland Hebbel. Andere Branchengrößen, die nicht namentlich genannt werden wollen, bewerten die Zahlen von Andreas Kreutzer sogar als zu optimistisch und gehen von einem noch deutlicheren Rückgang aus. Das ist gar nicht so weit hergeholt, denn durch die herrschende Überkapazitäten in Österreich sind die Dämmstoffproduzenten seit Jahren mit sinkenden Preisen konfrontiert. Und wenn sinkende Preise auf schrumpfende Märkte treffen, ist die Folge unausweichlich.

Zankapfel Sanierungsscheck

Anlass für Diskussionen liefert auch wieder einmal der Sanierungsscheck. Während sich die Dämmstoffbranche und mir ihr eigentlich die gesamte Bauwirtschaft geschlossen für eine höhere Dotierung ausspricht, stellt Andreas Kreutzer gleich das ganze Modell an sich in Frage. »Die Fördergelder kommen aufgrund der extrem hohen Mitnahmeeffekte am markt nicht an«, ist Kreutzer überzeugt. »Wir beragen seit vier Jahren jährlich rund 400 Bezieher des Sanierungsschecks, ob sie auch ohne Förderung ihr Renovierungsprojekt realisiert hätten. Und für konstant mehr als 90% ist das Bauvorhaben nicht von der Förderung abhängig.« Im Zusammenhang mit dem Sanierungsscheck von »Hebelwirkung« zu sprechen, sei daher blanker Hohn. Ganz anders klingen naturgemäß die Stimmen aus der Branche. Da wird der Sanierscheck als beispiellose Erfolgsgeschichte gefeiert, der ein Vielfaches von dem einspielt, was er kostet.

»Bei einem jährlichen Fördervolumen von 100 Millionen Euro wurden seit 2009 jährlich rund 170 Millionen an Arbeitslosengeldern eingespart, rund 120 Millionen an Lohnsteuer lukriert und etwa 180 Millionen an Sozialversicherungsbeiträgen eingehoben. Dass darüber hinaus noch zusätzlich jährlich Investitionen in der Höhe von rund 740 Millionen Euro ausgelöst wurden, spricht für sich«, rechnet etwa Andreas Pfeiler, Geschäftsführer des Fachverbands Steine-Keramik vor (siehe Seite 4). Und auch Georg Bursik, Geschäftsführer der Wopfinger Baustoffindustrie, meldet berechtigten Zweifel an den Worten Kreutzers an. «Wir wissen, dass gerade im ländlichen Bereich Privatpersonen mit einem sehr knappen Budget Sanierungsvorhaben realisieren müssen. Für diese Menschen ist der Sanierscheck sehr wohl ein wichtiger Impuls, um energieeinsparende Maßnahmen umzusetzen.«

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