Dienstag, April 23, 2024

Im Report-Interview erklärt der Wiener Wohnbaustadtrat Michael Ludwig, warum er sich 2014 abermals über ein höheres Budget freuen darf, warum Wien als einziges Bundesland die Kriterien für das Wohnbaukonjunkturpaket der Regierung erfüllt und warum ihm das Sonnwendviertel besonders am Herzen liegt.

(+) Plus: Wie fällt Ihre Bilanz in Sachen Neubau und Sanierung in Wien für 2013 aus?

Michael Ludwig: 2013 war ein sehr erfolgreiches Jahr. Wir konnten sowohl in der Sanierung wie auch im Neubau wichtige Akzente setzen. Mit Investitionen der öffentlichen Hand konnten wir nicht nur der Krise effektiv gegensteuern, sondern haben auch das Bau- und Baunebengewerbe aktiv gestützt und Arbeitsplätze gesichert.

(+) Plus: Gibt es schon konkrete Zahlen?

Ludwig: Es liegen noch keine endgültigen Zahlen vor, aber so, wie es derzeit aussieht, werden wir unser Ziel von jährlich 5.500 bis 6.000 neuen geförderten Wohneinheiten erreichen. Auch in der Sanierung werden wir uns in der Größenordnung der letzten Jahre bewegen, das sind deutlich mehr als 10.000 geförderte sanierte Wohneinheiten.

(+) Plus: Nach 560 Millionen Euro im Jahr 2012 und 619,8 Millionen 2013 ist das Wiener Wohnbaubudget 2014 mit 689,4 Mio Euro dotiert. Wie kommt es, dass in Wien das Wohnbaubudget beachtlich wächst, während Ihre Kollegen in den Bundesländern den Gürtel laufend enger schnallen müssen?

Ludwig: Das hat mehrere Gründe. Das eine ist die ungebrochene Tradition des geförderten Wohnbaus in Wien. Wir haben auch in Zeiten, in denen in den Bundesländern weniger Geld für Wohnbau zur Verfügung stand, immer einen besonderen Schwerpunkt im Wohnbau gesetzt. In Wien wurden auch im Gegensatz zu dem einen oder anderen Bundesland immer alle Mittel aus der Wohn­bauförderung ausschließlich für den Wohnbau verwendet. Und natürlich sind wir in Wien in Sachen Bevölkerungsentwicklung mit einer besonderen Herausforderung konfrontiert. Wien wächst überproportional stark. Vor wenigen Wochen haben wir Hamburg überholt und sind jetzt nach Berlin die zweitgrößte Stadt im deutschsprachigen Raum. Es ziehen viele Menschen aus den Bundesländern, aber auch aus anderen EU-Staaten nach Wien. Das ist gut für den Wirtschaftsstandort und auch für die demografische Entwicklung. Noch vor wenigen Jahren war Wien das Bundesland mit dem höchsten Altersschnitt, jetzt werden wir bald das jüngste Bundesland sein. Das bringt natürlich große Herausforderungen mit sich, nicht nur im Wohnbau, sondern in der gesamten Infrastruktur.

(+) Plus: Diese Argumente zählen auch für andere Abteilungen der Stadtpolitik. Sehen die Kollegen aus anderen Ressorts auch diese Notwendigkeit, in den Wohnbau zu investieren? Denn das, was Sie in Ihrem Budget mehr bekommen, wird ein anderer Stadtrat, eine andere Stadträtin weniger bekommen.

Ludwig: Die Stadt investiert auch in anderen Bereichen massiv. Während der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise ist auch das Sozial- und Gesundheitsbudget massiv gestiegen. Wir haben die große Spitalsreform umgesetzt mit einigen Spitalsneubauten. Das spektakulärste ist sicher das neue Schwerpunktkrankenhaus Wien Nord in Floridsdorf. Auch im Schulbau haben wir viele neue Akzente gesetzt. Und wir haben in Wien eine sehr strenge Infrastrukturkommission. Das bedeutet, dass wir erst dann größere Wohnbauvorhaben realisieren können, wenn die soziale und verkehrstechnische Infrastruktur vorhanden ist. Es ist daher nicht nur nötig, in den Wohnbau zu investieren, sondern gleichzeitig auch in die Infrastruktur, wie Schulen oder öffentliche Verkehrsmittel. Wie das funktioniert, kann man sehr gut am größten Wiener Stadtentwicklungsgebiet, der Seestadt Aspern, sehen. Dabei verfolgen wir ein Smart-City-Konzept, das die Verbindung von Arbeit und Wohnen mit güns­tigen Verkehrslösungen garantiert. Deshalb wurde dort, noch bevor die ersten Wohnungen übergeben werden, die U-Bahn fertiggestellt.

(+) Plus: Die 276 Millionen Euro aus dem Baukonjunkturpaket der Regierung sind an strenge Auflagen gebunden. Die Millionen fließen nur für Wohnungen, die in den Jahren 2013 und 2014 neu zugesichert werden und die über den Zusicherungsschnitt der Jahre 2006 bis 2011 hinausgehen. Die Bundesländer kritisieren die Vorgaben als unerfüllbar. Wien will die Kriterien erfüllen. Ist das realistisch oder lediglich ein ehrgeiziger Plan?

Ludwig: Wien wäre das einzige Bundesland gewesen, das diese Vorgaben unter großen Anstrengungen hätte einlösen können. Wien hätte 100 Millionen Euro beigesteuert, um die für Wien vorgesehenen 72 Millionen Euro aus diesem Fördertopf lukrieren zu können. Wir haben uns aber gemeinsam mit den Bundesländern darauf verständigt, den Bund zu ersuchen, die Zugangsbestimmungen zu verändern und zu erleichtern, damit alle Bundesländer die Möglichkeit haben, die Gelder abzurufen. Es ist ein Akt der Solidarität, darauf hinzuweisen, dass es auch im Sinne des Bundes sein muss, dass die Gelder tatsächlich abgerufen werden.

(+) Plus: Wie ist der Stand der Dinge? Gibt es hinter den Kulissen schon Bewegung?

Ludwig: Ja, es gibt Bewegung und ich bin überzeugt, dass sich an den Zugangskriterien einiges ändern wird, denn die neue Regierung hat sicher auch großes Interesse daran, dass das Geld in die Bauwirtschaft fließt, wichtige Impulse setzt und der dringend nötige Wohnraum geschaffen wird.

(+) Plus: Sollte sich an den Zugangskriterien nichts ändern, würden Sie auch einen Alleingang starten?

Ludwig: Natürlich. Wir treffen auch bereits die nötigen Vorbereitungen, um das für Wien reservierte Geld abzuholen.

(+) Plus: Die Bausozialpartner jubeln über die Absichtserklärungen der neuen alten Regierung (Prüfung der Zweckbindung; Maßnahmen zur Senkung der Baukosten, Förderung von seniorengerechtem Bauen und Sanieren; Anm.d.Red.). Wie bewerten Sie das Regierungsprogramm in Hinblick auf leistbares Wohnen?

Ludwig: Ich denke, dass die neue Bundesregierung auf gute und richtige Themen setzt. Das sind ja in vielen Bereichen auch Maßnahmen, die wir in Wien bereits umsetzen. Deshalb erwarte ich mir hier auch Unterstützung seitens des Bundes. Natürlich könnte man immer mehr machen, aber die Richtung stimmt auf jeden Fall.

(+) Plus: Ein zentrales Thema der Bauwirtschaft ist die Zweckbindung der Wohnbauförderung. Laut Koalitionspapier soll sie tatsächlich wiederkommen. Ist es aus Ihrer Sicht realistisch, dass die Zweckbindung nach jahrelangen Widerstand der Länder tatsächlich kommt?

Ludwig: Ich möchte nicht die Situation in anderen Bundesländern kommentieren. Es liegt an den politischen Entscheidungsträgern, die jeweils für ihr Bundesland entscheiden. Wir in Wien haben die Vorgaben des Bundes immer sehr ernst genommen und finden es auch richtig, dass die Mittel, die der Bund unter dem Titel Wohn­bauförderung zur Verfügung stellt, auch tatsächlich für den Wohnbau eingesetzt werden. Dazu kommt, dass die Notwendigkeit in Wien absolut gegeben ist, weil die Nachfrage nach Wohnungen enorm ist.

(+) Plus: In einer aktuellen Studie der gemeinnützigen Bauvereinigungen werden die hohen Qualitätsansprüche im geförderten Wohnbau kritisiert. Die höheren Errichtungskosten würden sich durch geringere Energiekosten nicht kompensieren lassen. Um leistbares Wohnen sicherzustellen, fordert GBV-Obmann Karl Wurm ein Ende des »Qualitäts-Hypes« im geförderten Wohnbau. Sind die Anforderungen der WBF zu hoch?

Ludwig: Die Studie bietet einige interessante Anregungen, die sich auch mit meinen Erfahrungen aus der Wohnbauforschung decken. Der Wohnbau ist unterschiedlichen gesellschaftlichen Schwankungen ausgesetzt. Wir sind in Wien sehr stolz, dass wir über Jahrzehnte eine sehr hohe Qualität im geförderten Wohnbau aufgebaut haben. Uns ist auch die soziale Durchmischung sehr wichtig, deshalb bekenne ich mich auch dazu, dass wir nicht nur Wohnungen für sozial Schwache fördern, sondern auch für den Mittelstand bis hin zum gehobenen Mittelstand. Wir wollen Verhältnisse wie in Paris, wo in die Sozialwohnungen nur noch zieht, wer keine andere Möglichkeit hat, bewusst verhindern. Wir sehen aber auch, dass immer mehr Menschen Probleme haben, sich ihre Wohnung zu finanzieren. Deshalb müssen wir versuchen, die hohe Qualität mit leistbaren Konditionen zu verbinden. Deshalb habe ich auch in enger Zusammenarbeit mit den Gemeinnützigen das Konzept der »SMART-Wohnung« entwickelt, wo ohne spürbaren Qualitätsverlust die Mieten gesenkt werden können, etwa durch kompaktere Grundrisse. Wir haben in Wien aber auch die größte Passivhaussiedlung Europas realisiert, weil es Menschen gibt, die in einem Passivhaus wohnen wollen. Es gibt aber auch viele, die das nicht wollen, deshalb habe ich mich immer dagegen ausgesprochen, den Passivhausstandard in der Bauord-nung festzuschreiben. Dafür wurde ich viel gescholten. Mittlerweile hat aber ein Umdenken eingesetzt und man sieht, dass andere Formen wie Niedrig- oder Niedrigstenergiehäuser oft die bessere Lösung sind. Deshalb bin ich für flexible Lösungen. Man muss sich bei den Energiestandards auch an den Rahmenbedingungen vor Ort orientieren. Dennoch müssen wir versuchen, Wohnen leistbarer zu machen. Ich habe deshalb mit der Novelle zur Wiener Bauordnung versucht, einen Schritt in diese Richtung zu machen, aber auch da zeigt sich, dass jede Maßnahmen umstritten ist. Der Entfall der Notkamine ruft etwa Lobby- und Interessensvertreter auf den Plan.

(+) Plus: Oft kritisch hinterfragt wird auch der Brandschutz, der sehr hohe Kriterien zu erfüllen hat und das Wohnen ebenfalls verteuert.

Ludwig: Gerade in Fragen der Sicherheit muss man ganz genau abwägen, was nötig ist und was nicht. Da muss es Standards geben, an denen sich auch die Politik orientieren kann. Denn wenn tatsächlich etwas passiert, wird man die Frage stellen, ob ein Unglück vermeidbar gewesen wäre. Und da will ich nicht die Verantwortung übernehmen, indem ich die Bauordnung dahingehend verändere. Das heißt aber nicht, dass man alles blind akzeptieren muss. Wir haben eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe eingesetzt, die Normen kritisch hinterfragt. Wenn die zu dem Ergebnis kommt, dass es Normen gibt, die nicht den aktuellen Anforderungen entsprechen, bin ich gerne bereit, auch die Bauordnung zu ändern. Keine Änderungen möchte ich im Bereich der Barrierefreiheit vornehmen. Wir werden immer älter und die Menschen sollen die Möglichkeit haben, in ihren eigenen vier Wänden alt zu werden. Diese gesellschaftspolitische Verantwortung bin ich gerne bereit wahrzunehmen.

(+) Plus: 2011 hat die Stadt Wien mit der Wohnbauinitiative l für Furore gesorgt. Wie ist der aktuelle Stand?

Ludwig: Die ersten Wohnungen werden in diesem Jahr übergeben. Alle anderen Projekte der Initiative sind aktuell in der Bau- bzw. Planungsphase. Bis allerspätestens 2016 werden alle 6.250 Wohnungen der Wohnbauinitiative realisiert werden. Für dieses Projekt interessieren sich auch viele andere Städte. Vor allem für Städte, die diese Tradition des geförderten Wohnbaus nicht kennen, ist das eine interessante Möglichkeit, mittels günstiger Darlehen der Stadt kostengünstigen Wohnraum zu schaffen.

(+) Plus: Planen Sie eine Neuauflage der Wohnbauinitiative? Die Zinsen sind nach wie vor niedrig für die Stadt Wien und auch der Bedarf ist gegeben.

Ludwig: Aktuell nicht. Wir wollen jetzt einmal abwarten, wie sich die Wohnbauinitiative entwickelt. Wir werden ruhig und sachlich analysieren und uns nicht treiben lassen. Das treibt nur die Grundstückspreise in die Höhe und erhöht die Baukosten. Wir streben auch im Sinne der Bauwirtschaft eine kontinuierliche Entwicklung an und nicht einzelne Produktionsspitzen.

(+) Plus: Bei Kontrollen auf Wiener Großbaustellen im Sommer wurden grobe Verstöße gegen das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz festgestellt. Gibt es konkrete Pläne, verstärkt gegen Schwarzarbeit und die schwarzen Schafe vorzugehen?

Ludwig: Die Stadt Wien hat großes Interesse daran, dass es in der Bauwirtschaft keine Schmutzkonkurrenz gibt. Deshalb arbeiten wir hier auch eng mit der Bauinnung und der Gewerkschaft Bau-Holz zusammen. Wir versuchen mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln von der Baupolizei bis zum Büro für Sofortmaßnahmen in Kooperation mit den Bundeseinrichtungen die Schwarzarbeit zu bekämpfen.

(+) Plus: Die Seestadt Aspern gilt als eines der größten Stadtentwicklungsgebiete in Europa. Wie wollen Sie der Seestadt auch tatsächlich Leben einhauchen und verhindern, dass das Projekt zu einer Mega-Schlafstadt wird?

Ludwig: Dafür sind viele verschiedene Maßnahmen nötig. So haben wir ganz bewusst auf ein großes Einkaufszentrum in Aspern verzichtet, weil wir eine Belebung der Erdgeschoßzonen mit vielen kleinen Geschäften wollen. Damit wollen wir mehr Leben im öffentlichen und halböffentlichen Raum schaffen. Aber das Wichtigste ist eine gute Durchmischung, sowohl hinsichtlich des Alters als auch der Herkunft und des sozialen Status. Je heterogener ein Stadtentwicklungsgebiet ist, desto leichter gelingt die Belebung. Deshalb werden auch die SMART-Wohnungen, die besonders für junge Leute attraktiv sind, nicht in einem einzigen Bau realisiert, sondern auf viele verschiedene Wohnprojekte aufgeteilt.

(+) Plus: Gibt es ein persönliches Lieblingsprojekt?

Ludwig: Mir bedeuten alle aktuellen Stadtentwicklungsprojekte sehr viel. Das Besondere an Wien ist, dass man der Adresse eines Menschen nicht seinen sozialen Status erkennt. Es ist in allen Vierteln und Bezirken attraktiv zu leben. Aber es gibt ein Gebiet, wo wir zeigen werden, dass man Neubau und Sanierung sehr gut in Verbindung bringen kann. Das ist das Sonnwendviertel und Innerfavoriten rund um den neuen Hauptbahnhof. Da entsteht ein neuer, sehr attraktiver Stadtteil und direkt daneben in Innerfavoriten investieren wir konsequent in die Sanierung der Gründerzeitviertel. Da ist die Herausforderung, mit Blocksanierungen auch diesen Stadtteil attraktiver zu gestalten. Und dieser Herausforderung werde ich mich gerne stellen. 

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