Donnerstag, April 25, 2024

Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report erklärt der niederösterreichische Landesinnungsmeister Bau Robert Jägersberger, dass der Preiskampf auch nach der Alpine-Pleite munter weiter geht, dass starke Länder Segen und Fluch sein können und dass Deregulierung das Gebot der Stunde ist.

Report: Wie ist 2013 für die nieder­österreichische Bauwirtschaft gelaufen?

Robert Jägersberger: Der erhoffte Auf­schwung in der zweiten Jahreshälfte ist leider nicht eingetreten. Es gibt aber vor allem in und um die Ballungszentren genügend Betriebe, die sehr gut ausgelastet waren, wenn auch in einem sehr überschaubaren zeitlichen Rahmen. Abseits der Ballungszentren hatten die Unternehmen mit deutlich größeren Problemen zu kämpfen. Über das gan­ze Bundesland gesehen sind wir in der Bauproduktivität um rund fünf Prozent rückläufig und auch die aktuellen Auf­tragsbestände entwickeln sich gegenüber dem Vorjahr negativ.

Report: Am Thema Alpine kommt man 2013 auch in Niederösterreich nicht vorbei. Welche Auswirkungen sind aktuell feststellbar?

Jägersberger: Imagemäßig ist die Pleite der Alpine eine Katastrophe. Es ist natür­lich eine fatale Optik, dass ein Großunternehmen wie die Alpine in die Insolvenz schlittern kann. Natürlich kann man es auch anders sehen und kritisch hinterfragen, warum das Unternehmen so lange künstlich am Leben gehalten wurde.

Report: Hatten Sie vor zwei, drei Jah­ren schon den Verdacht, dass hier etwas schiefgehen könnte?

Jägersberger: Nein, überhaupt nicht. Es heißt jetzt zwar immer, dass man in Österreich bis zum Schluss gut verdient hat und die Verluste fast ausschließlich im Osten eingefahren wurden, aber die ag­gressive Preispolitik war bekannt und ist ja bis zu Kleinstprojekten gegangen. Da fragt man sich aus heutiger Sicht schon, wo da Geld verdient werden konnte. Dass das Bauumfeld schwierig ist, wissen wir alle. Aber ob das die einzige Ursache war, darf bei dieser Preispolitik schon kri­tisch hinterfragt werden.

Report: Was werden die langfristigen Auswirkungen der Alpine-Pleite sein?

Jägersberger: Die Preise sind im Kel­ler. Daran ist nicht die Alpine alleine Schuld, sie hat aber sicher einen wesentlichen Teil dazu beigetragen. Und auch die Unternehmen, die Teile der Alpine übernommen haben, müssen jetzt für Auslastung sorgen. Es sind schon verein­zelt Stimmen zu hören, dass die Preis­politik munter fortgesetzt wird und sich zum Teil sogar verschärft haben soll. Das ist natürlich eine bedenkliche Ent­wicklung.

Report: Die Regierung hat noch vor der Wahl ein Konjunkturpaket angekün­digt. 276 Millionen Euro sollen in den Wohnbau fließen, allerdings scheint das Geld von den Ländern nicht abgeholt zu werden. Wer ist aus Ihrer Sicht in der Pflicht?

Jägersberger: Die Forderungen des Bundes sind unerfüllbar hoch. Zusätz­liches Geld fließt ja nur, wenn der Durchschnitt der Neubauleistung der letzten fünf Jahre übertroffen wird. Und auch dann wird nur ein Teil jeder zusätzlich neu errichteten Wohnung gefördert. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendein Bundesland dieses Ziel derzeit erreicht. Dafür müsste jedes Land Geld in die Hand nehmen, das im Moment schlicht nicht vorhanden ist. In Niederösterreich wurde zusätzlich zu den Bundesgeldern viel Geld investiert, um eine gewisse Bauleistung zu erreichen. Das müsste auch jetzt wieder vorfinanziert werden, um die Gelder aus dem Konjunkturpaket abholen zu können. Und dafür sehe ich derzeit leider schwarz.

Report: Wien hat angekündigt, die Kri­terien erfüllen zu wollen und zu können.

Jägersberger: Das würde ich als sehr ambitioniertes Ziel sehen. Der Wohnbau war ja auch in Wien in den letzten Jahren rückläufig. Ich bezweifle, dass es gelingt, das Jahresmittel der letzten fünf Jahre zu übertreffen. Und selbst wenn, müs­sen dann noch mehr als die Hälfte der Neubaukosten für jede zusätzliche Woh­nung ausgestellt werden. Wenn man den Wohnbau tatsächlich ankurbeln möchte, dann sollte man die Zugangskriterien er­leichtern.

Report: Bei den aktuellen Regierungsverhandlungen stehen auch Subventi­onen und Förderungen zur Diskussion. Muss sich die Bauwirtschaft von der langjährigen Forderung der Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung verabschieden.

Jägersberger: Ich hoffe nicht, aber die Befürchtung ist natürlich da.

Report: Selbst ein Vorstoß von Vize­kanzler Michael Spindelegger in Rich­tung Zweckbindung hat wenig gebracht, weil die eigenen Landeshauptleute klar gegen die Zweckbindung sind.

Jägersberger: Natürlich lässt sich niemand gerne in seinem Gestaltungs­spielraum einengen. Solange wir starke Länder haben, wird sich daran nichts ändern.

Report: Müsste aus Ihrer Sicht der Bund für klare Vorgaben sorgen?

Jägersberger: Das ist schwer zu be­antworten. Starke Länder haben auch Vorteile. Eine Landesregierung kennt die Bedürfnisse der einzelnen Regionen viel besser, als das der Bund je könnte, und weiß auch, welche Ideen und Projekte es braucht. Aber dann muss man eben auch akzeptieren, wenn das eine oder andere Mal Prioritäten gesetzt werden, die nicht unseren Interessen als Branche dienen.

Report: Aktuell sorgt eine Studie der gemeinnützigen Bauvereinigungen für Aufregung, wonach sich Passivhäuser nicht rechnen und ein vermeintlicher Qualitäts-Hype im geförderten Wohnbau kritisiert wird. Aus einigen Ländern hört man zudem, dass immer mehr Häuser ohne Wohnbauförderung errichtet wer­den, weil die Anforderungen zu hoch seien. Wie sehen Sie diese Diskussion?

Jägersberger: Die Anforderungen sind tatsächlich sehr hoch und vereinzelt kann es sogar passieren, dass sich die geforderten Maßnahmen mit den erhaltenen Fördergeldern kaum finanzieren lassen. Wenn jetzt ein Bauherr gewisse Formen der Haustechnik oder der vorgeschrie­benen Dämmleistungen gar nicht will, warum soll er dann überhaupt um eine Wohnbauförderung ansuchen? Da ver­zichtet er lieber auf die Förderung und baut, wie er will. Das betrifft aber nur den Bereich des Einfamilienhauses. Im Geschoßwohnbau ist das anders. Ein frei finanzierter großvolumiger Wohnbau rechnet sich vielleicht in einigen guten Lagen, überall sonst wird man aber an der Wohnbauförderung nicht vorbei­kommen.

Report: Sind die Kriterien der Wohn­bauförderung zu anspruchsvoll?

Jägersberger: Das lässt sich nicht pau­schal beantworten. Man muss die Frage stellen, was wir bauen wollen. Und da müssen wir natürlich auch immer ei­nen Blick nach Brüssel werfen. Es gibt die Gebäuderichtlinie 2020, da sind uns schon in vielen Richtungen die Hän­de gebunden. Ich bin aber ganz klar für eine Vereinfachung des Bauens. Es geht darum, die Normen zu vereinfachen und einen kostenlosen Zugang zu den Nor­men zu schaffen.

Report: Teilen Sie die Kritik am Pas­sivhaus?

Jägersberger: Nicht die generelle Kritik am Passivhaus. Wenn es vom Bauherrn gewünscht ist, dann sollen natürlich auch Passivhäuser errichtet werden. Ich bin aber gegen eine Zwangsbeglückung. Ich glaube nicht, dass das Passivhaus oder das Niedrigstenergiehaus im mehrge­schoßigen Wohnbau Zukunft haben. Da teile ich die Ansicht von Karl Wurm, dass das Niedrigenergiehaus das kostenop­timale Gebäude dargestellt. Es gibt aber sicher Bereiche, wo das Passivhaus seine Berechtigung hat. Ganz allgemein bin ich der Meinung, dass eine Deregulierung das Gebot der Stunde sein muss. Sowohl hinsichtlich Förderkriterien, Normen und Standards, aber auch für die Unternehmen selbst. Es ist ein Wahnsinn, wie hoch der Do­kumentationsaufwand heute ist. Für alles gibt es einen eigenen Beauftragten, alles muss dokumentiert und begleitet werden – da muss man aufpassen, dass noch Zeit für das Kerngeschäft bleibt.

Report: Was erwarten Sie von 2014?

Jägersberger: Dass die Konjunktur­forscher endlich einmal Recht behalten und der Aufschwung nicht immer weiter nach hinten datiert wird (lacht). Der Bau­bedarf ist gegeben, öffentlich und privat. Natürlich ist nicht zu erwarten, dass die öffentliche Hand dem zur Gänze Rech­nung tragen wird. Aber die Abwärtsspi­rale sollte 2014 gestoppt werden. Die große Investitionstätigkeit wird aber erst einsetzen, wenn die Konjunkturdaten besser werden. Dann werden wir einiges an Aufholbedarf haben.

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