Die Pleite der Alpine hat für ein turbulentes Jahr 2013 gesorgt. Wie die österreichische Bauwirtschaft das Jahr erlebt hat und was sie von der Zukunft erwartet.
Von Karin Legat
Der Fall Alpine ist auf jeden Fall das, was künftig mit 2013 verbunden wird«, ist sich Michael Steibl, Geschäftsführer der Vereinigung Industrieller Bauunternehmungen Österreichs (VIBÖ), sicher.
»Nächstes Jahr wird man sehen, wie weit die übernommenen Kapazitäten dauerhaft gehalten werden können.« Auch für Habau bildet 2014 die Nagelprobe dafür, was von den zusätzlich akquirierten Bereichen fix im Markt implementiert werden kann. »Wir haben uns maßgeblich an diesem Ausverkauf beteiligt, haben regional erweitert und Kapazitäten aufgestockt«, berichtet Geschäftsführer Karl Steinmayr. Die Strabag war rund um Alpine eher zurückhaltend. »Wir haben lediglich Projekte mit einem Volumen von etwa 50 Millionen Euro selektiv übernommen.
Rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben einen neuen Arbeitsplatz bei uns gefunden«, informiert Thomas Birtel, Vorstandsvorsitzender der Strabag. »Vorrangig haben wir weiter an unserer Wertschöpfungskette gearbeitet, um alle Baudienstleistungen aus einer Hand zu erbringen.« Neue Mitarbeiter zählt auch Porr. »Wir streben Wachstum nicht um jeden Preis an, sondern investieren gezielt in Nischen und Märkte, um die Position der Porr in den Heimmärkten nachhaltig abzusichern«, erklärt Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Strauss das Konzept »Intelligent Wachsen«. Eine Reduktion der Kapazitäten in der österreichischen Bauwirtschaft hat laut VIBÖ nicht stattgefunden.
Es gab keine mildernden Auswirkungen auf den Wettbewerb, lediglich eine Kapazitätsverschiebung. Die Bundesinnung Bauhilfsgewerbe fordert nun die Regierung auf, das mittlere Gewerbe zu stärken, »indem mehr regional ausgeschrieben wird. Denn: 90 Prozent der Betriebe in Österreich sind Klein und Mittelbetriebe mit 70 Prozent der Beschäftigten«, betont Geschäftsführer Franz Stefan Huemer.
Das Baujahr 2013
»Für uns ist 2013 wetterbedingt sehr turbulent verlaufen«, blickt Thomas Birtel zurück. »Es begann mit einem strengen und langen Winter, der unsere Bautätigkeit sehr einschränkte. Die Auswirkungen der Hochwasser in Österreich und Deutschland belasteten die Leistung der ersten beiden Quartale.« Im zweiten Halbjahr konnte der Leistungsrückgang kompensiert werden. Einen witterungsbedingten Umsatzrückgang sieht auch Irene Wedl-Kogler, Bundesinnungsmeisterin für das österreichische Bauhilfsgewerbe. »Für das vierte Quartal des Jahres zeichnet sich jedoch eine leichte Erholung ab.« Porr spricht von einem guten Jahr 2013.
»Wir haben uns auf unsere Heimmärkte Österreich, Deutschland, Schweiz, Polen und Tschechien fokussiert und durch das konzernweite Restrukturierungs- und Optimierungsprogramm fitforfuture unsere internen Strukturen und Prozesse angepasst«, bekräftigt Karl-Heinz Strauss. Auch Habau ist mit seiner Bauleistung 2013 zufrieden. »Wir sind in den letzten Jahren von 617 auf 950 Millionen gewachsen. Natürlich könnte Habau aggressiv auf jenseits einer Milliarde wachsen, dann aber leidet die Qualität hinsichtlich Produktivität und Bonität – und die sind wir unseren Eignern und Kunden schuldig«, betont Steinmayr.
Baukapriolen
Für die Bundesinnung Bau hatten viele Betriebe 2013 neben unseriöser Konkurrenz und unlauteren Geschäftspraktiken mit ausländischen Schwindelfirmen zu kämpfen. Dazu gesellten sich ausufernde Bürokratie, übertrieben strenge Bankenkonditionen bei Projektfinanzierungen sowie teilweise ruinöses Preisdumping. Das war mit ein Grund für die 481 Insolvenzverfahren mit 3.746,9 Millionen Euro geschätzter Passiva in den ersten drei Quartalen. Mit der Insolvenz der Alpine Gruppe rückt das Jahr 2013 laut KSV an die Spitze der Insolvenzstatistik der Nachkriegszeit in Österreich. 2012 waren es gesamt 737 eröffnete Insolvenzverfahren mit 444,7 Millionen Euro geschätzter Passiva. »Durch die Vielzahl von Unternehmern auch aus dem Bereich Bauhilfsgewerbe stellt die Baubranche eine sehr kleinteilige und zersplitterte Branche dar, die schon deshalb viele Insolvenzen aufweist, weil es viele Betriebe gibt«, zeigt Insolvenzexperte Hans-Georg Kantner auf. In diesem Zusammenhang nennt Irene Wedl-Kogler ein weiteres Problem ihrer Innung: das Preisniveau. »78 Prozent der Unternehmen leiden unter anhaltend scharfem Preiswettbewerb.« Auch Karl Steinmayr zweifelt, dass der Bauindustrie ihre Qualität bezahlt wird.
Regierung Nouveau
»Aktuell ist Unsicherheit zu spüren«, betont Renate Scheidenberger, Geschäftsführerin von Baukultur. Michael Steibl erklärt den Grund. »Viele Nachfragekomponenten sind budgetabhängig. In Ländern und Gemeinden regiert der Rotstift. Es ist noch völlig offen, wie es bei Asfinag und ÖBB weitergeht. Der für wirkliche Impulse nötige Wirtschaftsaufschwung fehlt.« Im Juni 2013 wurde zwar von Regierungsseite ein Konjunkturpaket beschlossen, allerdings sind die Auflagen so hoch, dass die 276 Millionen Euro Fördermittel von den Ländern nicht abgeholt werden. Die Nachhaltigkeitsinitiative »Umwelt + Bauen« hat daher das Maßnahmenpaket »Zukunftsinvestitionen in Wohnen, Infrastruktur und Umwelt« geschnürt.
Zu den Vorschlägen zählen eine bedarfsgerechte Zweckbindung der Wohnbaufördermittel, die Einrichtung einer Bundeswohnbauagentur, eine Förderschiene für seniorengerechte Wohnraumadaptierungen und die Erschließung neuer Finanzierungsquellen sowie Infrastrukturmaßnahmen. Auch die Bauinnung richtet sich mit zahlreichen Vorschlägen vom Bauhandwerkerbonus über neue Finanzierungsmodelle für den Ausbau der Landes- und Gemeindestraßen bis zu Vereinfachungen im Baurecht an die neue Regierung.
S bis XL
Natürlich lebt die Bauwirtschaft laut Steibl nicht nur von Großaufträgen. »Die Bedeutung der Großaufträge wird oft überschätzt. Großaufträge sind PR-wirksam. Die Masse bildet aber das Kleingeschäft mit zum Teil heftiger Konkurrenz aus dem Gewerbe.« Das klassische Einfamilienhaus am Land ist für die Bauindustrie zwar nicht relevant, im Siedlungsbau hat sie aber dennoch einen respektablen Zuwachs erzielt. Für 2014 fordert die VIBÖ die Umsetzung bereits fertiger Infrastrukturprogramme. »Von den Verkehrsfrequenzen und Mauteinnahmen her sind sie finanzierbar. Zu befürchten ist, dass bei dieser Triebfeder der Sparstift angesetzt wird«, so Steibl. Der Grund: Es gibt keine unmittelbaren gesetzlichen Verpflichtungen und die Auswirkungen der Nichtinvestitionen sind erst langfristig spürbar. Die Strabag vertraut für 2014 auf ihr diversifiziertes Portfolio, das ausgleichend wirkt. »Es gibt immer Faktoren, die negative Entwicklungen in einzelnen Sparten oder Regionen auffangen bzw für moderates Wachstum sorgen«, so Thomas Birtel. Sein Kollege Steinmayr lacht: »Auch wir sind ein kleiner Tausendfüßler.« Porr vertraut auf das »intelligente Wachsen«.
Engpass
»Was fehlt, ist Kontinuität in der Auftragsvergabe«, urteilt Bundesinnungsmeisterin Irene Wedl-Kogler. »Das wird sich 2014 nicht ändern.« Renate Scheidenberger sieht ebenfalls kritisch in die Zukunft, wenn auch aus einem anderen Grund: »Der Mitbewerb wird nicht zuletzt durch Zugangserleichterungen immer größer. Öffentliche Investitionen und Förderungen sehe ich eher rückläufig.« Auch Karl Steinmayr rechnet nicht mit Steigerungen im kommenden Jahr und wäre zufrieden, aliquot inkl. der Erweiterungen das Niveau zu halten. WIFO-Konjunkturexperte Marcus Scheiblecker bringt es auf den Punkt: »Wenn der Bau ein leichtes Wachstum erreicht, ist das eine Erfolgsmeldung.« Der Tiefbau ist durch die zögerliche öffentliche Hand teils rückläufig. Der große Bedarf im Wohnbau und der Sektor Sanierungen stützen die schwache Dynamik am Bau.
»Allerdings fehlen auch hier die Impulse vonseiten der öffentlichen Hand«, bedauert er. Zuletzt hat aufgrund der Unsicherheiten mit dem Euro eine private Investitionsoffensive für das Plus im Wohnbau gesorgt. Porr blickt trotz allem optimistisch auf 2014. »Bei unseren Heimmärkten und Katar sind wir zuversichtlich. Zahlreiche Projekte sind bereits in Vorbereitung und werden kommendes Jahr umgesetzt, etwa das U-Bahn-Großprojekt in Kaar, das Krankenhaus Nord in Wien und der Koralmtunnel«, so Strauss. Auch die Strabag geht optimistisch in die nächsten Monate. »Für Österreich rechnen wir, wenn auch regional unterschiedlich, mit einem geringen Aufschwung«, so Thomas Birtel. »In Ballungszentren wie Wien prognostizieren wir ein Wachs-tum von zwei bis drei Prozent, in den Bundesländern weniger.«
AluKönigStahl spürt bereits jetzt verstärkte Aktivitäten im Klein- und Mittelprojektgeschäft. »Am heimischen Markt kommt ab 2015 wieder eine größere Anzahl von großen Büroprojekten auf uns zu«, erklärt Geschäftsführer Ewald Müller. Für den Metallbereich erwartet er ab Mitte des zweiten Halbjahres 2014 einen Impuls.
VIBÖ-Geschäftsführer Michael Steibl sieht die allgemeine Entwicklung der Baubranche durchwachsen. »Mit Blick auf die ersten Monate der Bauproduktion muss man froh sein, wenn die Umsätze des Vorjahres real gehalten werden. Allzu viel erwarte ich mir nicht – ich wüsste auch nicht, aus welchen Bereichen die Impulse kommen sollen.«