Dienstag, Dezember 03, 2024

Mit dem Thema »Wohnen« haben die Parteien den Wahlkampf 2013 eröffnet. Es vergeht derzeit kaum ein Tag, an dem sich nicht die eine oder andere Partei mit Vorschlägen bzw. Forderungen zum Thema »Leistbares Wohnen« zu Wort meldet. Der Bau & Immobilien Report hat vier Wohnbauexperten befragt, wie es um die Wohnsituation der Österreicherinnen und Österreicher tatsächlich bestellt ist.

 

1.  Aktuell wird sehr viel über die Höhe der Mieten in Österreich diskutiert. Sind die Mieten aus Ihrer Sicht wirklich zu hoch?

Wenn ja: Wie ist das möglich in einem Land, das sich in Sachen Wohnbau gern als europäischer Musterschüler sieht?

Wenn nein:
Warum wird das Thema von den Parteien und den Medien so hochgespielt?

2.
Wo muss Ihrer Meinung nach der Hebel angesetzt werden, um leistbares Wohnen nachhaltig sicherzustellen?

 

Wolfgang Amann
Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen (IIBW)

1. Die Höhe der Mieten und ihre Dynamik sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Unbehagen besteht weniger über die durchschnittlichen Wohnkosten bei Mietwohnungen als über die starke Preissteigerung privater Mietwohnungen in einigen Ballungsgebieten, allen voran Wien (die übrigens deutlich geringer ist als die Preisdynamik bei Eigentumswohnungen). Insgesamt haben wir eine Wohnkostenbelastung deutlich unter dem europäischen Durchschnitt.
Österreich hat beim Wohnungsneubau eines der international besten Modelle. Dass sich heute die Politik in dieser Breite mit qualifizierten Argumenten des Themas annimmt, ist Teil des Erfolgsmodells. Geförderter Neubau dämpft auch die Preise am privaten Markt.

2.
Die Lösung des Problems der Leistbarkeit liegt auf der Hand. Wohnungsneubau sollte gezielt in jenen Regionen forciert werden, wo die Märkte zuletzt davongeritten sind, und zwar Miete und Eigentum. Zudem muss es uns beim Wohnrecht gelingen, Ideologie durch Sachargumente zu ersetzen. Unser Wohnrecht und insbesondere die Preisregelungen von Mietwohnungen sind unverständlich und ineffektiv. Die politischen Verhandler beißen sich regelmäßig bei kleinen Teilsegmenten fest, während der große Rest außen vor gelassen wird. Mit den Erfahrungen bei der Neubaupolitik im Rücken sollte es gelingen, auch bei der Bestandspolitik ein ähnlich erfolgreiches Modell zu entwickeln.

Andreas Kreutzer
Kreutzer Fischer & Partner

1. Ja und nein, je nach Fertigstellungstermin des Gebäudes. Im Altbaubestand sind zwar die Mieten noch vergleichsweise günstig, allerdings ist der Preisauftrieb beim sonstigen Wohnungsaufwand (Energie, Wasser, Müll, Hausverwaltungen etc.) hoch. Insbesondere die Kommunalgebühren sind in den letzten Jahren überproportional gestiegen. Und letztendlich ist es für den Mieter egal, wie sich der Wohnungsaufwand insgesamt zusammensetzt.

Im Neubau sind auch die Mieten eindeutig zu hoch, und nicht nur im freifinanzierten Wohnbau (wenngleich dort besonders). Grund dafür sind weniger höhere Baukosten, sondern die ungeheuren Preissteigerungen bei den Grundstückskosten, bzw. die ständig aktualisierte Bewertung von Baulandreserven durch die Bauträger.In den 70er-Jahren lag der Anteil der Grundstückskosten an den Gesamterrichtungskosten eines Wohngebäudes bei rund 15 Prozent, heute sind es 30 Prozent und mehr. Insofern greift auch die Diskussion über die Zweckbindung der Wohnbauförderung zu kurz, obwohl ich diese Maßnahme begrüßen würde.
Verschärft wurde die aktuelle Lage auch durch den deutlichen Anteilsgewinn des freifinanzierten Objektwohnbaus, nicht zuletzt weil sich die gemeinnützigen Wohnbauträger zuletzt merklich aus der Wohnbauproduktion zurückgezogen haben. Und schlussendlich bauen wir selbst Mehrfamilienhäuser nach wie vor in Losgröße 1, weil Architekten, Bauträger und auch weite Teile der Bauwirtschaft eine Industrialisierung des Wohnbaus bremsen.
 
2. Der Hebel ist zweifelsohne bei den Grundstückskosten anzusetzen. Die faire Besteuerung von Umwidmungsgewinnen schöpft alles über dem bspw. Vierfachen des Preises für Agrarland ab und stützt damit den Kaufpreis des Bauträgers. Aktuell kostet ein Quadratmeter Acker zwischen vier und sechs Euro. Bauland würde demnach bei Einführung eines solchen Besteuerungssystems max.  24 Euro pro Quadratmeter kosten. Zum anderen müsste eine Aufwertung von Baulandreserven unterbunden werden.

Signifikant kostensenkend wäre natürlich auch eine wirkliche Industrialisierung im Objektwohnbau, verbunden mit der Entwicklung von bauträgerbezogen, eigenständigen Gebäude- und Wohnungstypen für spezielle Zielgruppen. Kurzum: Mehrfamilienhäuser werden zu Markenhäusern und durch die system­immanenten höheren Losgrößen signifikant günstiger.

Andrea Kunnert
WIFO

1. Die Wohnraumversorgung in Österreich ist quantitativ und qualitativ zufriedenstellend, zudem ist im internationalen Vergleich die Wohnkostenbelastung gering. Drei Faktoren dürfen bei dieser Betrachtung nicht vernachlässigt werden: 1) Für einkommensschwache Haushalte stellt die Versorgung mit Wohnraum bei gleichzeitiger Erfüllung weiterer Grundbedürfnisse eine Herausforderung dar – hier kommt die Wohnbeihilfe zum Einsatz. 2) Miet- wie Eigentumspreise sind – insbesondere in den Ballungsräumen – in den letzten Jahren merklich gestiegen. Das betrifft vor allem junge Haushalte, die neu auf dem Wohnungsmarkt auftreten. Hier ist ein wohnungspolitisches Handlungspotenzial gegeben. 3) Die dynamische Mietentwicklung ist besonders augenscheinlich, da die Miete einen beträchtlichen Anteil der monatlichen Aufwendungen ausmacht – auch deshalb wird Wohnen häufig als teuer empfunden. Der Miete steht aber eine entsprechende Leistung gegenüber – im Durchschnitt sind das über 35 m² qualitativ hochwertige Wohnfläche pro Person.

2. Für die leistbare Wohnraumversorgung ist eine zielgerichtete und sozial treffsichere Wohnungspolitik nötig – das beginnt damit, einen adäquaten Wohnmindeststandard festzulegen und »leistbar« zu definieren. Zudem ist eine Abstimmung der Bestandspolitik (MRG, Wohnungsvergabe) mit der Neubaupolitik notwendig – Letztere sollte bedarfsorientiert sein (z.B. urbaner Mietwohnungsbau) und bereits bei der Planung auf Lebenszykluskosten, flexible Nutzung und Vermeidung unnötiger Kosten achten.

Andreas Oberhuber
Forschungsgesellschaft für Wohnen, Bauen und Planen (FGW)

1.
Die österreichischen Wohnstandorte verfügen über eine quantitativ und qualitativ sehr gute Wohnversorgung, welche vor allem durch langfristig relativ konstante soziale Wohnbauleistungen bewirkt wurde. Weitgehend leistbare Mietpreisniveaus hängen maßgeblich davon ab, welche Wohnkostenbelastungen der österreichischen Haushalte als angemessen eingeschätzt werden. Hier ist nach Bestandssegmenten, regionalen Marktgegebenheiten und zeitlichen Entwicklungen zu differenzieren. In den letzten Jahren sind speziell in einzelnen Ballungsräumen mit Nachfrageüberhängen dynamische Mietpreissteigerungen in den privaten Mietwohnungssegmenten entstanden, welche für Haushalte mit mittleren und unterdurchschnittlichen Haushaltseinkommen erschwert leistbar sind.

2. Ein Schlüssel zur nachhaltigen Dämpfung von Mietpreisniveaus besteht in einer kontinuierlichen, geförderten und bedarfsgerechten Wohnungsproduktion nach österreichischer Systematik, speziell an jenen Wohnstandorten, an welchen ein erhöhter Wohnungsbedarf entstanden ist. Der Aufbau eines dadurch auch für Haushalte mit mittleren und geringeren Einkommen leistbaren Wohnungsangebots setzt neben einer möglichst dauerhaften Sicher­stellung zinsgünstigeren öffentlichen und privaten Finanzierungskapitals mehrere Begleitmaßnahmen voraus, z.B. die Wiedereinführung einer Zweckbindung von Mitteln der Wohnbauförderung inklusive Förderrückflüssen, die Entwicklung von Finanzierungsmitteln über die Pensionskassen oder die Forcierung von geförderten Nachverdichtungsmaßnahmen.

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