Dienstag, April 16, 2024

Viele Bauprojekte laufen aus dem Ruder. Die Kosten explodieren. Der Leidensdruck vieler Bauherren steigt und immer mehr Experten setzen auf Themen wie »Integrale Planung« und »Building Information Modeling«. Doch während in vielen anderen Ländern die öffentliche Hand zu den Vorreitern zählt, gibt es hierzulande noch deutlichen Aufholbedarf.

 

86 Prozent aller Großprojekte der öffentlichen Hand werden teurer als anfangs geplant. 28 Prozent betragen die Mehrkosten im Schnitt. Das war 2002 das Ergebnis einer großen internationalen Studie von 260 großen Bauprojekten weltweit. Die Situation hat sich seither nicht gebessert. Alleine in Österreich und Deutschland legen Projekte wie Skylink, der Flughafen Berlin-Brandenburg oder die Elbphilharmonie in Hamburg vielmehr den Schluss nahe, dass es zu einer weiteren Verschlechterung gekommen ist.

Schuld daran sind nicht selten eklatante Planungsmängel. „In der Planungsphase werden die Baukosten bewusst niedrig gehalten“, sagt etwa der deutsche Wirtschaftswissenschaftler Werner Rothengatter. Vor allem die öffentliche Hand tendiert dazu, den Nutzen zu hoch und die Kosten zu niedrig zu schätzen, um ein Wunschprojekt auf Schiene zu bringen. Ist ein Projekt erst einmal in Bau, muss nachgebessert werden und die Kosten steigen. So kommen dann auch die Baufirmen auf ihre Kosten.
 
Paradigmenwechsel

So weit der Status quo, allerdings mehren sich die Stimmen, wonach die Branche vor einem Paradigmenwechsel steht. Verbände wie die IG Lebenszyklus Hochbau versuchen die Themen integrale Planung und lebenszykluskostenorientierte Betrachtung von Immobilien auch bei den Bauherren zu verankern. Begünstigt wird der anvisierte Transformationsprozess auch durch die Banken, die Druck auf die Bauherren ausüben. „Die Banken wollen wissen, wie eine Investition refinanziert werden soll. Das ist bei Immobilien nur dann möglich, wenn man die gesamten Lebenszykluskosten kennt“, erklärt Christian Artaker, CEO von Artaker CAD Systems. Ein wesentliches Tool für diese Herangehensweise ist das Building Information Modeling. „BIM bedeutet Planen, Bauen und Betreiben im virtuellen Raum“, erklärt Artaker. Damit werden Gebäude nachhaltig über den gesamten Lebenszyklus betrachtet, vom Entwurf bis zur Fertigstellung, von der Übergabe an den Bauherren, Betreiber und Facility Manager bis zum Umbau, Ausbau, Renovierung und zuletzt Abriss inklusive Baustoffrecycling. Durch die Einbindung aller relevanten Player in der Planungsphase verzögert sich zwar der Baustart, das Bauende wird in der Regel aber schneller erreicht, weil die Detaillierungsphase um 70 Prozent verkürzt werden kann. Außerdem werden die Fehler auf der Baustelle deutlich minimiert. „BIM ist eine Managemententscheidung und muss vom Bauherrrn ausgehen“, sagt Artaker. Eine Vorreiterrolle könnte dabei die öffentliche Hand spielen. In den Niederlanden und Skandinavien werden bei öffentlichen Ausschreibungen bereits BIM-Modelle als Planungsgrundlage verlangt, in England soll es spätestens 2016 so weit sein. In Österreich ist man (noch) nicht so weit. Es gibt aber erste Anzeichen, dass BIM im nächsten Regierungsübereinkommen verankert werden soll.

Umstellung auf BIM

Für die Architekten ist BIM natürlich eine Herausforderung. Viele Architekturbüros haben BIM in der Vergangenheit abgeblockt. „Das liegt aber auch daran, dass es erst seit ein paar Jahren richtige BIM-Lösungen am Markt gibt“, nimmt Artaker die Zunft der Architekten in Schutz. Heute dauert die Einführungsphase rund drei Monate. Nach einem halben Jahr sollte ein erstes BIM-Projekt umgesetzt werden können. Bis ein Büro komplett umgestellt ist, vergehen zwei bis drei Jahre. Zu den größten Vorteilen für Architekturbüros zählen die Produktivitätssteigerung und Fehlervermeidung. „Der Return on Investment liegt bei unter zwei Jahren“, ist Artaker überzeugt.

 

>> Seitenblick:

Eine ähnliche Entwicklung, wie sie jetzt das Bauwesen nimmt, war vor zehn Jahren im Bereich Maschinenbau zu beobachten. Vorreiter war wie so oft die Automobilindustrie. Aus Kostengründen wurde auf digitale Planung umgesattelt, vom ersten Entwurf bis zur Verschrottung. Die Entwicklungsdauer eines neuen Fahrzeugmodells konnte damit von fünf bis sieben Jahren auf drei Jahre reduziert werden.

 

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