Mittwoch, April 24, 2024

In Favoriten errichtet die WBV-GPA ein Passivhaus mit grüner Insel im Innenhof.Im sozialen Wohnbau geht es längst nicht mehr nur um »billig«. Die Anforderungen steigen. In Architektur, Ökologie und Ökonomie marschiert der geförderte Wohnbau vorneweg. So entsteht etwa derzeit in Wien die größte Passivhaussiedlung Europas. Dabei wird nicht nur auf eine ökologische Bauweise geachtet, sondern auch darauf, dass die Leistbarkeit dieser Wohnungen gewährleistet bleibt.

Von Gracia Geisler

 

Rund um das Areal des ehemaligen Aspang-Bahnhofs wird fleißig gehämmert und gewerkt.  Auf dem insgesamt 20 Hektar großen Stadtteil entsteht Europas größte Passivhaussiedlung. Lange Zeit lag das Grundstück im 3. Wiener Gemeindebezirk im Dornröschenschlaf und hatte sich zur größten zentral gelegenen Gstätten ausgewachsen. Aber damit ist jetzt endgültig Schluss. »Die Nachfrage nach Wohnhausanlagen in Passivhausbauweise war und ist groß. Deshalb haben wir uns unter anderem dazu entschlossen, die europaweit größte Passivhauswohnsiedlung zu bauen – das sogenannte Projekt ›Eurogate‹.  Auf sieben Bauplätzen werden hier Passivhauswohnungen in unterschiedlicher Art und Weise errichtet. Ende diesen Jahres werden die ersten 790 Wohnungen fertiggestellt sein. In der Endausbaustufe wird es dann an die 1.700 Wohneinheiten an diesem Standort geben«, ist Wohnbaustadtrat Michael Ludwig sichtlich stolz. Er setzt sich in seiner Arbeit sehr für die Leistbarkeit des Wohnens ein, aber auch für eine ökologisch nachhaltige Bauweise. »Wir haben in Wien eine sehr gute und lange Tradition am ökologischen Wohnbau.  Darüber hinaus ist es uns wichtig, dass es allen sozialen Gruppen möglich ist, sich eine Wohnung leisten zu können. Und um diese zwei Aspekte kombinieren zu können, gibt es für Passivhauswohnungen zusätzlich zur normalen Förderung noch weitere Fördergelder.«

Große Nachfrage

Fünf verschiedene Bauträger (ÖSW, BAI, Heimbau, Sozialbau, ARWAG) gingen als Sieger für die Bauplätze rund um das »Eurogate«-Projekt hervor und sind jetzt für die Umsetzung verantwortlich. Die Gesamtbaukosten betragen rund 103 Millionen Euro. Mit den Mitteln der Wohnbauförderung unterstützt die Stadt Wien die Errichtung mit rund 36 Millionen Euro und schießt weitere 3,8 Millionen Euro an Passivhausförderung zu.
Die Nachfrage nach den Wohnungen ist hoch. So hat das Österreichische Siedlungswerk (ÖSW) für die 110 geplanten Wohnungen bereits an die 4.000 Vormerkungen, und täglich kommen an die zehn Anfragen dazu. Beim Bauträger Heimbau liegen derzeit 1.000 Vormerkungen vor. Mit der Vergabe der Wohnungen wird dort im März diesen Jahres begonnen.

Offene Kommunikation

Stellt sich die Frage, ob die zukünftigen Mieter und Mieterinnen sich bewusst für das Leben in einer Passivhauswohnung entscheiden oder ob einzig und allein die Lage ausschlaggebend ist. Für Wohnbaustadtrat Ludwig ist das klar: »Der größte Teil derjenigen, die in ein Passivhaus einziehen wollen, tut das ganz bewusst. Vor allem aus ökologischen Gründen und weil es eine Reihe anderer Vorteile gibt, wie die ständige Frischluftzufuhr in den Räumen, die vor allem für Allergiker eine große Erleichterung verspricht.« Das ÖSW sieht das etwas anders: »Wir wissen aus Umfragen, dass bei der Wahl der Wohnhausanlage zu über 50 Prozent die Lage entscheidend ist. Nur 25 Prozent der zukünftigen Bewohner lassen sich von der Passivhaustechnik als erstes Entscheidungskriterium überzeugen«, so ÖSW-Vorstand Michael Pech. Einig sind sich alle, Bauträger wie auch der Wohnbaustadtrat, dass die zukünftigen Bewohner über die Vor- und Nachteile, die das Wohnen in einem Passivhaus so mit sich bringt, noch vor Vertragsunterzeichnung ausreichend informiert werden müssen. »Wir beantworten sämtliche Fragen der künftigen Nutzer in persönlichen Gesprächen. Zusätzlich werden noch entsprechende Unterlagen zum Passivhaus zur Verfügung gestellt«, erklärt Beatrice Stude von der BAI (Bauträger Austria Immobilien GmbH). Für das ÖSW spielt die Kostenwahrheit bei der Aufklärung der zukünftigen Bewohner eine große Rolle: »Es ist wichtig, beim potenziellen Nutzer eines Passivkomforthauses durch umfassende Information ein Bewusstsein für sein neuartiges Zuhause, mit allen Vor- und Nachteilen, zu schaffen. Die Errichtung eines Passivhauses ist kostspieliger als die eines üblichen Gebäudes und die Instandhaltung, wie z.B. die Reinigung der Lüftungsanlagen bzw. die Erneuerung der Lüftungsfilter, etwas kostenintensiver«, gibt ÖSW-Vorstand Pech zu bedenken.

Weniger Kosten, mehr Gesundheit

Die größten Vorteile einer Passivhauswohnanlage sind natürlich die niedrigeren Heizkosten. Die Gebäude verfügen über eine extrem gute Wärmedämmung mit luftdichten Wänden. Durch die Lüftungsanlage wird Luft von außen angesaugt und mit der Wärme der hinausströmenden Luft erwärmt, ohne dass es dabei zu einer Vermischung kommt. »Man muss schon ganz klar festhalten, dass die erhöhten Baukosten nicht gleich in den ersten Jahren wieder herinnen sind. Das ist schon ein mittelfristiger Prozess. Aber über die gesamte Lebensdauer eines Gebäudes gesehen und über eine langfristige Mietsituation, kommt das Wohnen in Passivhäusern auf Dauer gerechnet günstiger. Vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass die Energiepreise weiter steigen werden und eine Stabilisierung nicht absehbar ist. Wir versuchen natürlich mit der Förderung einen Teil der höheren Errichtungskosten abzudecken«, so Wohnbaustadtrat Ludwig. Neben der Reduktion der Heizkosten ist auch der gesundheitliche Aspekt nicht zu verachten. Die permanente Luftzufuhr garantiert gesunde, gefilterte Frischluft, damit einhergehend eine verbesserte Wohnqualität und eine enorme Symptommilderung für Allergiker.

Von den Vorteilen eines Passivhauses können bald auch die Mieter des Hauses in der Pernerstorfergasse 83 im 10. Bezirk profitieren. Dort errichtet die Wohnbauvereinigung für Privatangestellte (WBV-GPA) gerade ein Wohnprojekt mit 110 Wohnungen. Gemeinsam mit dem Büro Albert Wimmer ZT GmbH hat die WBV-GPA hier einen vom Wohnfonds der Stadt Wien ausgelobten Bauträgerwettbewerb gewonnen. Überzeugen konnte man mit der Idee, eine grüne Insel mit hoher Freiraumqualität im Innenhof zu schaffen. Das Haus steht quasi auf Stelzen und setzt einen grünen Impuls in der urbanen, dicht verbauten Umgebung. Für die WBV-GPA ist es das erste als Passivhaus ausgeführte Gebäude.

In Wien gibt es mittlerweile 15 fertiggestellte Projekte mit zirka 1.300 Wohnungen. 37 weitere Projekte mit insgesamt 4.000 Wohneinheiten sind in Planung bzw. Realisierung. »Wien ist die Stadt mit der höchsten Dichte an Passivhauswohnungen beim mehrgeschoßigen Wohnbau«, zeigt sich der Wohnbaustadtrat stolz, »wir können uns im Passivhaussektor wohl zu Recht als Weltmeister bezeichnen.«

Wohnen auf Probe

Im 1. Europäischen Passivhausdorf in Großschönau (zwei Stunden von Wien entfernt) hat man die Möglichkeit, sich ganz persönlich von der Wohnqualität eines Passivhauses zu überzeugen. Dort kann man sich für ein paar Tage in die unterschiedlichsten Häuser einmieten, um so die Vorzüge eines Passivhauses direkt vor Ort kennen zu lernen. Bis zu sechs Personen finden in den Unterkünften, die jeweils über einen eigenen Wellnessbereich verfügen, Platz. Dort kann jeder für sich selbst überprüfen, ob es stimmt, dass in einem Passivhaus der Alltag zum Luftkur-Aufenthalt wird.

 

>> O-Ton:

Manfred Wasner,  Geschäftsführer MigraDie Kosten nieder. »Im Sinne der ›sozialen Nachhaltigkeit‹ sind die Bauvereinigungen und die Fachbereiche Architektur, Ökologie und Ökonomie aufgefordert, die Kosten, die die BewohnerInnen treffen, zu senken. Die Migra nimmt diese Herausforderung an und beteiligt sich vielfältig: Kostengünstige, möblierte Wohnheim­apartments sind vermehrt angeboten. Generell werden Grundrisse, Wärmebedarfsreduktionen, Konstruktionen, Schachtführungen und Garagen hinsichtlich der Kosten optimiert. Es gibt Bestbieterauswahl für Finanzierungen und ›Superförderungs‹-Wohnungen. Dadurch sollte zu günstigeren Kosten als bisher eine weitere Verbesserung der hohen Lebensqualität in Wiener Wohnanlagen garantiert sein.«

 

 

 

 

 

>> O-Ton:

Robert Oberleitner, Geschäftsführer Neue Heimat OÖGarant für Stabilität. »Die größte Herausforderung im sozialen Wohnbau ist die Leistbarkeit des Wohnraumes. Mit dem Prinzip der Kostendeckung können wir gemeinnützige Wohnbauträger dieses Ziel seit vielen Jahren erreichen. Eine aktuelle Studie der Stadt Linz zeigt, dass der gemeinnützige Wohnbau in Linz bis zu 50% Mietkostenersparnis für junge Erwachsene im Vergleich zu anderen Landeshauptstädten bringt. Als Neue Heimat Oberösterreich verfolgen wir mit dem Grundsatz ›Wohnen und Wohlfühlen‹ und unserer Ausrichtung an den Bedürfnissen der KundInnen auch das Ziel, das Image des sozialen Wohnbaus weiter zu verbessern. Denn die gemeinnützige Wohnungswirtschaft ist der Garant für Stabilität, Nachhaltigkeit und Vertrauen beim Grundbedürfnis Wohnen.«

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