Donnerstag, März 28, 2024

Nach der Krise liegt Rumänien wirtschaftlich immer noch am Boden. Besonders hart hat es die Baubranche getroffen. Zahlreiche Großprojekte liegen auf Eis. Das Zukunftspotenzial ist aber ungebrochen, denn die marode Infrastruktur bietet der Bauwirtschaft gute Wachstumschancen. Mit dabei sind auch österreichische Unternehmen. Von Bernd Affenzeller, Ploiesti/Rumänien.

Rund eine Stunde dauert die Fahrt vom Flughafen Bukarest nach Ploiesti, dem rumänischen Erdölzentrum nördlich der Hauptstadt. Und die kurze Fahrt zeigt, wie schwer gezeichnet das Land von der Wirtschaftskrise immer noch ist. Zahlreiche halbfertige Gebäude säumen die Landstraße, viele Baustellen sind verlassen, manche davon für immer. Während in anderen Ländern Osteuropas die Bautätigkeit in der Krise deutlich reduziert wurde, ist sie in Rumänien fast gänzlich zum Erliegen gekommen. »Wenn investiert wird, dann in die Infrastruktur. Der Hochbau ist nach wie vor tot«, erklärt Jürgen Holzheider, der die rumänische Niederlassung von Bilfinger Berger Österreich leitet.
Seit 2007 ist die Bilfinger Berger Baugesellschaft in Rumänien aktiv. »Der Markt war damals stark überhitzt, das hat sich durch die Krise dramatisch verändert«, erklärt Geschäftsführer Ludger Koch. Zahlreiche Projekte, die kurz vor Baubeginn standen, wurden wieder zu den Akten gelegt, andere sind mitten in den Bauarbeiten zum Erliegen gekommen. Ein prominentes Krisenopfer ist die Autobahn A3, die fertiggestellt auf 545 Kilometern von Bukarest über Ploiesti, Brasov und Cluj bis zur ungarischen Grenze führen sollte. Die Fertigstellung war ursprünglich für 2013 vorgesehen, Anfang 2010 wurde die Arbeiten aber fast zur Gänze eingestellt. Mehr als 200 Millionen Euro soll der rumänische Staat den ausführenden Firmen schuldig geblieben sein. Was bleibt, ist ein 42 Kilometer langer Teilabschnitt, der Ende 2009 fertiggestellt wurde. Ob und wann die restliche Strecke dem Verkehr übergeben werden kann, ist aus heutiger Sicht nicht abzuschätzen. 

Enormer Aufholbedarf
Auch wenn aktuell einige Projekte auf Eis liegen, ist es dennoch vor allem der Infrastrukturausbau, der Anlass zur Hoffnung gibt. Das Land, sowohl die Fläche als auch Bevölkerungszahl rund dreimal so groß wie die Österreichs, verfügt gerade einmal über 300 Kilometer Autobahn. Auch das Eisenbahnnetz hat einen dringenden Modernisierungsbedarf. Dazu kommen im Umweltbereich zahlreiche Altlasten und andere Sünden der Vergangenheit, die zu beheben sind, und auch die kommunalen Infrastruktureinrichtungen liegen noch viele Jahre hinter dem österreichischen Standard zurück. »Das Wachstumspotenzial in Rumänien ist enorm«, fasst Koch die aktuelle Lage zusammen. Probleme macht die Finanzierung. Dabei hätte Rumänien Zugang zu zahlreichen EU-Fördertöpfen. Weil in vielen Fällen aber die Co-Finanzierung fehlt, fließt auch kein Geld aus Brüssel.
Mit der Sanierung und Modernisierung der Eisenbahnstrecke zwischen Bukarest und Brasov steht ein wichtiges Infrastrukturprojekt hingegen kurz vor dem Abschluss. Mit an Bord des aktuell größten Bahnbauprojekts des Landes sind auch die heimischen Baufirmen Porr und Bilfinger Berger. Während Porr für die Erneuerung der Strecke verantwortlich zeichnet, kümmert sich die Österreich-Tochter des Mannheimer Baukonzerns gemeinsam mit der bayerischen Franz Kassecker GmbH seit Anfang 2008 um die Sanierung von insgesamt 41 Brücken im Prahova-Tal. In einer Bauzeit von 33 Monaten wurden 90.000 m³ Erde bewegt, 22.000 m³ Beton verbaut, 20 Hilfsbrücken errichtet und fünf Kilometer neue Gleise verlegt. Außerdem mussten 13 Kilometer Baustraßen errichtet werden. Die Materialtransporte mussten durch die Verkehrseinschränkungen auf den Hauptstraßen hauptsächlich nachts durchgeführt werden. Eine große Herausforderung war auch die Topografie. Alle 16 Stahl- und 25 Stahlbetonbrücken liegen in einem engen Gebirgstal. Der Höhenunterschied der Baustellen beträgt rund 700 Meter. Einige der Brücken mussten um bis zu einem halben Meter angehoben werden, um sie der neuen, optimierten Trassierung anzupassen.

Langfristige Ziele
Für Bilfinger Berger war das 70 Millionen-Projekt die Eintrittskarte in den rumänischen Markt. Seither hat man sich als »flexibler Nischen-Player etabliert«, erzählt Geschäftsführer Ludger Koch. Bearbeitet werden vor allem die Geschäftsfelder Ingenieurbau und Umwelttechnik. Auch wenn das Umsatzplus seit dem Markteintritt beachtlich ist, von 4 Millionen im Jahr 2008 auf geschätzte 25 Millionen im Jahr 2010, steht Wachstum nicht an erster Stelle. Man werde nicht an jeder Preisschlacht aktiv teilnehmen, nur um die Umsätze zu steigern. Mit jährlich einem Großprojekt und mehreren kleineren Aufträgen will man sich langfristig als Mittelständler in Rumänien positionieren.

 

Exkurs: Die Strecke Bukarest - Brasov
Die Eisenbahnstrecke zwischen Bukarest und Brasov wurde 1879 als eingleisige Strecke in Betrieb genommen, allerdings bereits mit der Option auf einen zweigleisigen Ausbau, der Mitte der 30er-Jahre realisiert wurde. Im Zweite Weltkrieg wurde die Strecke stark beschädigt und nach einer notdürftigen Reparatur 1946 erst in den Jahren 1961 bis 1965 elektrifiziert. Eine wirkliche Renaissance erlebt die Strecke seit dem EU-Beitritt des Landes. Die Verbindung von Bukarest nach Brasov ist Teil des transeuropäischen Verkehrskorridors IV, der letztendlich Berlin mit Istanbul und Thessaloniki verbinden soll.

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