In Zeiten eines umfassenden Fachkräfte- und Mitarbeiter*innenmangels ist erfolgreiches Employer Branding wichtiger denn je. Benefits alleine reichen nicht aus, viel wichtiger ist die Unternehmenskultur.
Der Fachkräftemangel wird für immer mehr Unternehmen zur Existenzfrage. Mittlerweile geben vier von fünf Unternehmen an, dass die Rekrutierung von gut ausgebildetem Personal für sie eine große Herausforderung darstellt. Um beim Kampf um die besten Köpfe die Nase vorne zu haben, reicht es nicht mehr, Stellenanzeigen zu schalten und auf Bewerbungen zu warten. Heutzutage sind es nicht mehr die Kandidat*innen, die sich um die besten Stellen bewerben müssen, vielmehr sind es die Unternehmen, die sich um die besten Kandidat*innen bewerben müssen.
»Der Stellenwert von Employer Branding hat sich völlig geändert, die Bedeutung ist enorm gestiegen. Wir haben in den einschlägigen Lehrveranstaltungen heute doppelt so viele Teilnehmer wie vor zehn Jahren«, erklärt Dieter Scharitzer, Assistenzprofessor am Institut für Marketing Management der Wirtschaftsuniversität Wien. Der Wettbewerb sei umso intensiver, als es nicht mehr nur um hochqualifizierte Arbeitskräfte gehe, sondern um Personal insgesamt, das nicht nur gefunden, sondern auch gehalten werden will.
»Es geht nicht nur um Benefits, sondern um die Unternehmenskultur und einen Wettkampf der Marken«, sagt Dieter Scharitzer, Wirtschaftsuniversität Wien. (Bild: beigestellt)
Ein Obstkorb im Pausenraum, gratis Kaffee oder ein »Wuzzler« reichen dafür längst nicht mehr aus. Es geht laut Scharitzer vielmehr um Identität und Kultur. »Klassische Benefits sind nur ein kleiner Bereich der Differenzierung«, so der WU-Professor. Während finanzielle Maßnahmen und Argumente leicht zu kopieren sind, ist das bei unternehmenskulturellen Fragen nicht der Fall. »Eine Erweiterung der Social-Benefits-Liste ist zu wenig«, bestätigt auch Silke Kurtz, Geschäftsführerin bei Iventa Branding & Culture. Kulturarbeit und Mitarbeiter*innenentwicklung stünden heute im Fokus. Eine Standard-Handlungsanleitung gibt es aber nicht. »Eine gute Kultur ist so unterschiedlich wie die Unternehmen selbst«, sagt Scharitzer.
Mitarbeiter*innen wollen spannende Jobs mit Weiterentwicklungsmöglichkeiten, eine faire und transparente Bezahlung, flexible Arbeitszeitmodelle und eine Vereinbarkeit der verschiedenen Lebenswelten. Das wichtigste und überzeugendste Argument für neue Mitarbeiter*innen sind die bestehenden Mitarbeiter*innen. »Nichts ist glaubwürdiger als zufriedene und glückliche Mitarbeiter«, erklärt Colin Fernando, Partner bei der Markenstrategieberatung BrandTrust.
Authentisch und eigenständig
Glaubwürdigkeit ist im Employer Branding die wichtigste Währung. Auch wenn aktuell händeringend nach Personal gesucht wird, muss laut Fernando unbedingt darauf geachtet werden, keine Versprechen abzugeben, die nicht gehalten werden können oder im Widerspruch zur ganzheitlichen Unternehmensstrategie stehen. »Aktuelle Studien haben erst kürzlich wieder gezeigt, wie intuitiv ablehnend und sensibel Menschen auf leere Versprechen und Oberflächlichkeiten reagieren«, erklärt Fernando.
Zudem solle man sich nicht vom Mitbewerb treiben lassen. Nur weil die eine oder andere Maßnahme beim Mitbewerb gut funktioniert, heißt das nicht, dass dies auch übertragbar ist. »Viel wichtiger ist eine hohe Spezifik und echte Identität, die betonen, was einen ausmacht.«
„Employer Branding auf rein externe Maßnahmen aufzusetzen,ist zu wenig. Es ist wichtig, dass intern erlebt wird, was extern kommuniziert wird“, sagt Silke Kurtz, Iventa. (Bild: Ursula Röck)
Bei Holcim Österreich etwa baut die Employer-Branding-Strategie auf familiärer Atmosphäre und Durchlässigkeit innerhalb des weltgrößten Unternehmensnetzwerks in der Zementindustrie auf. Eine eigene Central Europe Academy bündelt Trainings und Schulungen zu fachlichen Aufgaben, Soft Skills und auch Führungsprofilen. »Eine Unternehmenskultur auf Augenhöhe erleichtert den Start im Unternehmen. Die neuen Mitarbeiter erwartet aber auch ein strukturierter Onboarding-Prozess mit umfassender Möglichkeit, das Unternehmen kennenzulernen, sowie ein Buddy-Netzwerk«, erklärt Marijana Hajder, HR Director Holcim Central Europe.
Training on the Job sei aufgrund der Spezialisierung der Anforderungen sowohl für Neueintretende als auch für Veränderungsinteressierte im Unternehmen wichtig. »Hospitationen und Job Rotation, Coaching und Mentoring öffnen den Blick für neue Bereiche und Weiterentwicklungsmöglichkeiten im Unternehmen«, so Hajder.
Positionierung im Unternehmen
Nicht restlos geklärt ist die Frage, wo im Unternehmen das Employer Branding am besten aufgehoben ist. »Es handelt sich um ein abteilungsübergreifendes Thema«, sagt Scharitzer. Der Lead könne in der HR- oder Kommunikationsabteilung liegen. Auf keinen Fall soll Employer Branding ein isoliertes Projekt einer einzelnen Abteilung sein. »Ein natürlich funktionierendes Employer Branding baut auf dem Fundament einer starken Unternehmenskultur mit definierten Werten und klarem Bewusstsein der Stärken auf«, erklärt Colin Fernando.
„Employer Branding darf kein isoliertes Projekt einer einzelnen Abteilung sein“, sagt Colin Fernando, BrandTrust. (Bild: beigestellt)
Dabei sollte die Arbeitgebermarke immer das große Ganze der Unternehmensstrategie ergänzen und niemals als neue Marke oder Strategie geschaffen werden. »Es ist ein ganzheitliches Unternehmenskulturprojekt, dass beginnend von der Unternehmensführung bis zum jüngsten Mitarbeiter mitgetragen werden sollte«, so der Experte. Optimalerweise verantwortlich sei eine Schnittstelle zwischen Markenführung und Personalabteilung, die eine konsequente Umsetzung nach innen und außen sicherstellt.
Und Silke Kurtz ergänzt, dass die Entscheidungen im Employer Branding top-down getroffen werden. Die Geschäftsführung müsse ebenso an Bord sein wie alle Führungskräfte. »Für die Umsetzung der Maßnahmen und ein Erlebbar-Machen der Werte sind alle verantwortlich.«
(Titelbild: iStock)
Dos und Don’ts im Employer Branding
Dos:
- Employer Branding als ganzheitliche Unternehmenskultur betrachten.
- Bestehende Mitarbeiter*innen zu Botschafter*innen machen.
- Attraktive Benefits die weiter wirken als nur am lokalen Arbeitsplatz.
Don'ts:
- Niemals die Marken- von der Employer-Branding-Strategie trennen, ansonsten sind Widersprüche vorprogrammiert.
- Keine unglaubwürdigen oder kurzfristige Versprechen abgeben.
- Bei der Einführung neuer Benefits niemals die loyalen, bestehenden Mitarbeiter*innen vergessen.