Mittwoch, April 24, 2024

Eine der zentralen Forderungen in Allianzprojekten ist, dass alle Beteiligten sich zuerst dem Projekt und erst danach dem eigenen Arbeitgeber gegenüber verpflichtet fühlen. Die Beteiligten sollen ihre Mitarbeiteridentität für die Dauer des Projektes aufgeben und ihre Vorgesetzten verlieren temporär einen Mitarbeiter. Der folgende Artikel nennt die zu beachtenden Aspekte und gibt Hinweise, wie mit den zu erwartenden Schwierigkeiten umgegangen werden kann. Teil Drei der Serie: Allianzprojekte

Tipp: Teil 1 und Teil 2 der Serie können Sie hier nachlesen:
Teil 1: Der Faktor Mensch
Teil 2: Die Kultur in Projektallianzen

Das Beste für das Projekt statt Diener zweier Herren

Wir alle sind im Projekt Diener zweier Herren. Jeder im Bauwesen kennt ähnliche Situationen, hier nur eine von unendlich vielen Varianten: Der Planer bekommt die Ergebnisse des Statikers vorgelegt und nach des Planers Erfahrung ist die Bemessung viel zu konservativ. Nach seinem Dafürhalten liegt viel zu viel Bewehrung in dem Bauteil, damit verbunden entstehen dem Bauherrn viel zu hohe Kosten. Aber als planendes Ingenieurbüro wird er prozentual nach den Baukosten bezahlt und verdient an der teuren Bewehrung mit. Und sollten später aufgrund seiner Änderungsvorschläge Schäden entstehen, würde er nicht gut dastehen. Also sagt er nichts.

Wegen solcher Entscheidungen wird in Allianzprojekten gefordert, dass alle Beteiligten sich zuerst dem Projekt und dem Bauherrn verpflichtet fühlen, erst danach dem Arbeitgeber. Das Ziel ist, das technisch beste Ergebnis für den Bauherren und das finanziell mindestens ausgeglichene Ergebnis für alle Beteiligten zu erreichen. In diesem Artikel liegt der Schwerpunkt auf einem dritten Aspekt dieser Forderung: Was können wir tun, damit die Beteiligten sich nicht zwischen zwei Herren entscheiden müssen?

Der eigentliche Vorgesetzte bleibt temporär zurück

In einem ersten Schritt müssen die eigentlichen Arbeitgeber ihre Mitarbeitenden von Verpflichtungen freistellen. Ähnliche Konstrukte gibt es bei Arbeitnehmerüberlassungen, hier behält die Arbeitgeberseite personalrechtliche Aufgaben, die Auftraggeberseite die fachlichen Aufgaben. Im Klartext heißt das aber auch, dass ein Vorgesetzter für die Dauer des Projektes seinen Mitarbeiter verliert. Er muss seine Aufgaben abgeben und verliert damit einen Teil seiner Daseinsberechtigung.

Auch weitere Hierarchieebenen müssen sich mit dem Gedanken auseinandersetzen, dass sie den Zugriff auf ihre Mitarbeitenden laut Vertrag aufgeben. Die Entscheidungskompetenzen über Kosten und andere sich auf den Arbeitgeber auswirkende Entscheidungen werden abgegeben. Dieser Schritt beweist großes Vertrauen in die Mitarbeiter und fördert deren Zugehörigkeitsgefühl zu ihrem Arbeitgeber. Und eben dieses Zugehörigkeitsgefühl soll aber zugunsten des Projektes aufgeben werden. 

Vertraglich festgelegtes Zugehörigkeitsgefühl

Allianzverträge sind von vorneherein darauf ausgerichtet, dass man zusammenarbeitet und ein gemeinsames Ziel hat. Jedoch kann man das Gefühl von Zugehörigkeit nicht vertraglich verordnen. Damit eine Gruppe von Menschen sich als Team erlebt und sich diesem zugehörig fühlt, müssen die Menschen sich aneinander gewöhnen, sich kennenlernen und Vertrauen gewinnen.

Die erste Chance zum Kennenlernen sind die Vertragsverhandlungen zu Beginn des Projektes. Oft erstellt der Auftraggeber in Zusammenarbeit mit eigenen Juristen den Vertrag. Wenn dieser Vertrag als Diskussionsgrundlage genutzt wird und von den Allianzpartnern gemeinsam final abgestimmt wird, kann bereits zu diesem Zeitpunkt eine wesentliche Grundlage für ein Wir-Gefühl gelegt werden. Die Art und Weise, wie vertragliche Regelungen besprochen und diskutiert werden strahlt in das Projekt hinein, inhaltlich wie zwischenmenschlich. 

Wie wird eine Gruppe von Menschen zu einem Team?

Eine Gruppe von Menschen wird bewusst oder unbewusst ein Team bei der Bewältigung von Konflikten. Die Erarbeitung des Allianzvertrages ist die erste große Aufgabe, wo persönliche Interessen und damit mögliche Konflikte innerhalb des Teams auftreten. Dies ist eine entscheidende Phase für das Projektteam, da sich hier zeigt, wie man mit Meinungsverschiedenheiten und Positionen umgeht.

In dieser sensiblen Phase empfiehlt es sich, diesen Prozess durch Moderatoren begleiten zu lassen. Die neutrale Position der Moderatoren beruhigt die Gesamtatmosphäre und die Teilnehmenden können sich auf die fachlichen Inhalte fokussieren. Ausgebildete Moderatoren können darüber hinaus entstehende Konflikte zu einem extrem frühen Zeitpunkt neutral adressieren. Sie entschärfen und achten darauf, dass alle Teilnehmenden gehört werden und alle Aspekte berücksichtigt werden. 

Wo ist mein Platz?

Sich zugehörig zu fühlen heißt, den eigenen Platz zu kennen. Das gilt für jedes neue Projekt und jedes neue Projektteam. Die Chance der Allianzprojekte liegt darin, dass alle Beteiligten ihre Rollen neu finden müssen. Allen Beteiligten ist bewusst, dass es Abstimmungsbedarf gibt. In klassisch ausgeschriebenen Projekten wird die Frage »Wer ist dafür zuständig?« schnell als Flucht vor der Verantwortung gedeutet. Dadurch, dass das Allianzkonzept neu ist, ist die Frage nach der Zuständigkeit akzeptiert und die Möglichkeit gegeben, Rollen auf das Projekt angepasst zu definieren.

Deshalb werden der Teamfindung und Teambildung in Allianzprojekten mehr Raum gegeben. Auch hier ist eine Begleitung durch eine neutrale Moderation extrem hilfreich. Im Rahmen von Workshops werden Aufgaben definiert und Rollen abgegrenzt. So werden Befugnisse und Verantwortungen gemeinsam festgelegt. Die Ergebnisse können bei Bedarf als Anlage in den Vertrag aufgenommen werden. 

Was ist zuerst da, die Motivation oder das Wir-Gefühl?

Die Frage der Mitarbeitermotivation füllt Bibliotheken. Dabei ist es in der Baubranche einfach: gib den Ingenieuren ein spannendes Problem und sie werden begeistert an der Lösung arbeiten. Auf folgendes sollte geachtet werden: Wie muss der Rahmen gestaltet werden, damit die Ingenieure das Problem lösen können? Welchen Handlungsspielraum haben sie? Welche Hilfsmittel brauchen sie, welches Fachwissen, wie viel Zeit? Fehlen diese, sinkt die Motivation drastisch.

Eine weitere und wesentliche Randbedingung ist Sicherheit, um hier nicht wieder den arg gebeutelten Begriff der (Fehler-) Kultur bemühen zu müssen. In einem funktionierenden Team darf ausprobiert werden, dürfen Lernschritte gemacht werden und es werden Verbesserungsvorschläge als Unterstützung erlebt. Die Basis für eine gute Zusammenarbeit ist die Überzeugung, dass alle Beteiligten ihr Bestes geben.

Damit eine positive Haltung zu Fehlern entsteht und über den Projektverlauf erhalten bleibt, ist wieder die Unterstützung durch Moderatoren wesentlich. Nur eine neutrale Person, die nicht an der Problemlösung beteiligt ist, hat den notwendigen inneren Abstand um auf die Anzeichen von Müdigkeit und Frust eingehen zu können. 

Gelöste Konflikte als Basis für das Wir-Gefühl

Zu Projektbeginn ist die Begeisterung meist groß und alle sagen »da arbeite ich mit!«. Aber wenn zum ersten Mal Spannungen auftreten, die zu Konflikten führen, zeigt sich, ob es ein Team mit einem gemeinsamen Ziel gibt. Aus diesem Grund ist das Konfliktmanagement ein zentraler Punkt bei funktionierenden Bauprojekten. Alle Besprechungen müssen neutral und professionell moderiert werden. Die Projektbeteiligten müssen in den Themen Kommunikation und Konflikt geschult sein und sich der positiven Auswirkung einer guten Kommunikation bewusst sein.

Kalte Konflikte, also auf den ersten Blick nicht sichtbare Konflikte, können Projekte nachhaltig negativ prägen und die Realität bis ins Unkenntliche verzerren. Auf der anderen Seite kann ein professionell gelöster Konflikt ein Team wesentlich zusammenschweißen und dazu beitragen, dass ein Wir-Gefühl entsteht. Das Wissen um die Probleme, die man bereits gemeinsam gelöst hat, ist ein Beweis für die Kraft, die das Team entwickeln kann. 

Fazit

Eine starke Baumannschaft ist in jedem Projekt von Vorteil, unabhängig von der Vertragsform. Allianzprojekte geben besonders günstige Rahmenbedingungen vor, die zur Entstehung eines starken Teamgefühls beitragen. Durch den projektbegleitenden Einsatz von Moderatoren wird sichergestellt, dass das gemeinsame Ziel im Blick bleibt. Bereits mit der Erarbeitung des Vertrages wird die Grundlage für eine gute Zusammenarbeit gelegt und später in Workshops und Besprechungen gefestigt.

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