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Klug bauen
Alte Massivstrukturen in neue Projekte einzubeziehen spart Energie, Ressourcen und Kosten. Ein Ergebnis intelligenter Planung ist die revitalisierte Krieau, Wiens ältestes Stahlbetongebäude.

Neue Gebäude dürfen keine Hypothek für die nächsten Jahrzehnte sein, sondern ein Asset. Sie sind so zu konzipieren, dass sich lange Nutzungsperioden erzielen lassen – Hybridbauten sind eine Lösung.

Von Karin Legat

Mein letzter Besuch der Krieau erfolgte im Rahmen eines Spaß-Hunderennens des Österreichischen Mischlingshundeverbandes vor einigen Jahren. Seit damals ist viel passiert. Dywidag renovierte die historischen Tribünen der Trabrennbahn, revitalisierte sie und schuf in ihrem Inneren Büroräumlichkeiten für rund 400 Menschen. Zwei Neubauten erweitern den Tribünenbereich, Brücken verbinden Alt und Neu. »Bauherr ist Value One. Geschäftsführer Andreas Köttl, auch Präsident der ÖGNI, hat uns eingeladen, als NGO hier zu residieren«, informiert Peter Engert, Geschäftsführer der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft. Die neue Location Am Grünen Prater entspricht zur Gänze den Vereinsstatuten – die ÖGNI arbeitet an der Durchsetzung der Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft. »Die Bauindustrie muss ihren Rohstoffverbrauch kräftig senken«, fordert Engert. Das bedeutet Wiederverwendung, Reparaturen und Recycling statt Abfalldeponie. Historische Bauten überdauern Jahrhunderte und erfahren eine Vielzahl an Nutzungen. »Da ist es geschickt, Konstruktionen vorzusehen, die eine Anpassung ermöglichen«, betont Thomas Mühl, Geschäftsführer des VÖB. Zur Kaiserzeit konnte sich sicher niemand vorstellen, dass die Tribünen der Trabrennbahn einmal Bürogebäude beherbergen. Die Verantwortung darf aber niemandem allein übertragen werden. Für Univ.-Prof. Gottfried Mauerhofer vom Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft an der TU Graz setzt intelligente Planung neue Abwicklungsmodelle im Bauen voraus. Alle Beteiligten müssen bereits in der frühen Phase des Projekts an einem Tisch sitzen, Planer und Ausführende ebenso wie Endnutzer. Wenn von Anfang an daran gedacht wird, wie Gebäude rückbaubar und zu adaptieren sind, kann echte Wiederverwertung gelingen. Derzeit ist sie nicht oder nur in Verbindung mit hohen Kosten möglich. »Initiativen für eine frühere Projektzusammenarbeit sind im Wachsen«, gibt sich Johann Marchner Geschäftsführer von Wienerberger zuversichtlich. Die Digitalisierung und BIM werden dabei laut Marchner eine wesentliche Rolle spielen.

Äpfel und Birnen
Leicht- und Massivbau können nicht von vornherein als gut bzw. schlecht klassifiziert werden. Über einen Bilanzzeitraum von 80 bis 100 Jahren ist laut Studien festzustellen, dass zwischen den ökobilanziellen Ergebnissen von Mehrfamilienhäusern aus Mauerwerk, Beton und Holz faktisch keine Unterschiede bestehen. »Es gibt Vorteile in den ureigensten Grundeigenschaften der Materialien«, informiert Univ.-Prof. Gottfried Mauerhofer: es entscheidet das Dreieck Kosten–Termin–Qualität. Brand-, Schall- und Feuchtigkeitsschutz spielen ebenso eine Rolle in der Auswahl wie Geschoßhöhe und Richtlinien. Wichtig sei daher, dass neue Gebäude so geplant werden, dass sie flexibel genutzt werden können. Reinhold Lindner, Sprecher von Bau!Massiv, sieht großes Potential für Hybridbauweisen vor allem im städtischen Bereich. »Im Wesentlichen ist es egal, ob mit Beton, Ziegel oder Holz gebaut wird; wesentlich ist die Energiebilanz des Gebäudes, die Infrastruktur, die Art der Energiegewinnung. Bei Mustergebäuden mit Bauteilaktivierung sagen uns Nutzer immer wieder, dass ihnen nicht bewusst war, wieviel Speichermasse durch die massiven Wände zur Verfügung steht und wie sich das auf das Raumklima auswirkt.« Laut Johann Marchner wird die Hybridbauweise zunehmen, was allerdings nicht nur mit der Klimadiskussion zusammenhängt. Wesentlich seien auch Brandbeständigkeit, Erdbebensicherheit und z.B. Wohngesundheit. »Ziegel wird gut aussteigen, weil wir in der Anwendung sehr flexibel sind. Wir können bereits achtstöckig bauen, in Hybridbauweise mit Beton auch höher.

Zukunft des Bauen
»Die Bauweise wird sich in den nächsten fünf bis zehn Jahren mit Sicherheit ändern«, erkennt auch Werner Pröll, Geschäftsführer von Oberndorfer. Was sich durchsetzt, steht noch nicht fest. Neue Zemente reduzieren die CO2-Belastung, Ausschalzeiten werden sich verlängern, Produktionsmethoden sind bereits optimiert und werden sich weiter ändern. Früher lagen die Temperaturniveaus zum Erhärten des Betons bei 150 bis 180 Grad, mittlerweile konnten die Temperaturen halbiert werden. Größere Schalungsparks geben dem Beton mehr Zeit um auszuhärten. »Wir entwickeln Lösungen, Zement zu sparen«, informiert Pröll. Zement und Kies werden getrennt gemischt, in einem zweiten Prozess zusammengeführt. Nun müssen normentechnische Schritte gesetzt werden, um die Gebrauchstauglichkeit für 80 Jahre nachzuweisen. Zur Betonrezeptur schaltet sich auch Sebastian Spaun von der Vereinigung der österreichischen Zementindustrie VÖZ ein. »Seit geraumer Zeit arbeitet die österreichische Zementindustrie mit der VÖZ und Smart Minerals an neuen klimafitten Zementen und an der Erschließung neuer hydraulischer Stoffe wie kalziniertem Ton.« Auch der Massivholzbau wird vorangetrieben. Laut holzbau austria bietet die Holzindustrie eine Vielzahl neuer Technologien, die große Spannweiten ermöglichen. Geschäftsführer Engelbert Schrempf sieht noch großes Forschungspotential für nachhaltiges Bauen mit Massivbaustoffen.n

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