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Von Services und Servern

Mit dem BIM-Merkmalserver und dem BIM-Merkmalservice gibt es aktuell zwei spannende Projekte mit ähnlichen Namen und Zielen, aber sehr unterschiedlichen Zugängen. Das Projekt Merkmalserver hat eine allgemein gültige Norm zum Ziel, mit dem Merkmalservice sollen sich firmeninterne Lösungen untereinander verstehen.  

ie Ankündigung von Austrian Standards, AIT und Digital findet Stadt, einen neuen Anlauf zur Umsetzung des BIM-Merkmalservers unternehmen zu wollen, hat für viel Aufsehen und Diskussion gesorgt. Auch bei der Österreichischen Bautechnikvereinigung ÖBV beobachtet man die Ambitionen der Kollegen mit Interesse. Schließlich hat man mit dem »Merkmalservice« nicht nur ein ähnlich lautendes Projekt am Laufen, man verfolgt prinzipiell auch dasselbe Ziel: BIM zum endgültigen Durchbruch und flächendeckenden Einsatz zu verhelfen. Die Wege dorthin sind aber unterschiedlich. Während beim Merkmalserver das Ergebnis eine allgemein gültige Norm sein soll, zielt das Merkmalservice darauf ab, dass sich die firmeninternen Lösungen untereinander verstehen. »Untechnisch gesprochen ist das Merkmalservice ein Übersetzungsbuch«, erklärt Peter Krammer, Vorstandsvorsitzender der ÖBV.

Die Ausgangssituation

Seit BIM Einzug in die Baubranche gehalten hat, haben die Unternehmen, die sich damit beschäftigt haben, eigene Regeln, Attribute und Standards entwickelt. Herausgekommen sind interne Merkmalserver, die sich aber untereinander nicht verstehen. Weil jedes Unternehmen ein eigenes System für die Hinterlegung von Informationen entwickelt hat, sind die Modelle über die Firmengrenzen hinweg nicht nutzbar. So können sich etwa die Bezeichnungen und Wertebereiche von Maßen, Farben oder Materialien in verschiedenen Firmen deutlich voneinander unterscheiden. Bekommt ein Unternehmen ein BIM-Modell von außen, müssen die Merkmale in die eigene »Sprache« übersetzt werden.

Das geschieht manuell und stellt eine große Fehlerquelle dar. »Beim ÖBV sind wir zu dem Schluss gekommen, dass es eigentlich keine eigene Norm braucht, sondern es nur darum geht, dass sich diese internen Merkmalserver untereinander verstehen«, erklärt Krammer. Deshalb hat man im Sommer 2019 das von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG geförderte Projekt BIM-Merkmalservice ins Leben gerufen. Aktiv mit an Bord sind nicht nur die großen Bauindustrieunternehmen wie Strabag, Porr, Swietelsky, Habau, Leyrer + Graf und Implenia sondern auch große öffentliche Auftraggeber wie Asfinag, ÖBB, BIG oder die Wiener Linien.

Die zentralen Unterschiede

Mit dem Merkmalservice wird unter dem Dach der ÖBV von der TU Wien und der Research Studios Austria Forschungsgesellschaft eine Webplattform entwickelt, in der die Merkmals-Standards der verschiedenen Unternehmen erfasst und miteinander verknüpft werden können. Damit soll die Grundlage für automatische Übersetzungen von Merkmalen in Bauwerksmodellen geschaffen werden.

Den Unterschied zum Merkmalserver erklärt Christian Huemer, Projektleiter von der TU Wien, so: »Setzt man eine Norm, muss dieser Standard entweder von allen Unternehmen in der jeweiligen Software umgesetzt werden – dafür ist es zu spät – oder man nimmt einen Umweg und der Sender übersetzt in das Standardformat, das der Empfänger zurück übersetzt.« Beim Merkmalservice hingegen lässt man diesen Bereich zwischen Sender und Empfänger unangetastet. »Die Daten werden in der eigenen Sprache an den Empfänger geschickt und das Merkmalservice gleicht die Werte ab und übersetzt. Dieses sogenannte Mapping kann vollautomatisiert durchgeführt werden«, erklärt Huemer.

Im ersten Projektjahr wurde das Merkmalservice implementiert und man hat mit einfachen Beispielen die Funktionsweise getestet. Jetzt geht es darum, die Plattform mit Hilfe der Projektpartner mit Leben, sprich Daten, zu füllen. Heute können mit Hilfe des Tools Merkmalsabbildungen manuell vorgenommen werden, entwickelt wird aber noch ein Empfehlungssystem, das die Verwaltung von Standards und deren Übersetzungen vereinfachen und automatisieren soll.

Keine Konkurrenz

Mit dem Merkmalservice will die ÖBV einen weiteren Beitrag zur Digitalisierung der Baubranche leisten, indem Merkmale in BIM-Modellen über Unternehmensgrenzen hinweg automatisiert verarbeitet werden können. »Ich bin überzeugt, dass mit dem Merkmalservice mehr BIM-Projekte ausgeschrieben werden, weil es keine Hürden mehr gibt«, sagt Krammer. Einigkeit herrscht darüber, dass das Merkmalservice nicht Konkurrenz zum Merkmalserver oder anderen Standardisierungsbestrebungen sein soll, sondern eine Ergänzung. »Es sind unterschiedliche Ansätze, die aber in die gleiche Richtung zielen«, sagt etwa Franz Bauer, Vorstand der ÖBB Infrastruktur AG.

»Das ist eine sinnvolle Parallelentwicklung, die Synergien bringen wird.« Und sollte dem Merkmalserver kein Erfolg beschieden sein, geht die ÖBV mit dem Merkmalservice auf Nummer sicher. Zudem hat laut Huemer die Erfahrung mit Datenaustauschstandards in anderen Branchen gezeigt, dass sich innerhalb größerer Organisationen üblicherweise »Dialekte« herausbilden – also eine unternehmensinterne, relativ stabile Interpretation des Standards, die sich von jener anderer Unternehmen unterscheidet. »Es wird also immer ein Übersetzungstool brauchen«, so Huemer. Und ein gut integriertes Übersetzungsservice ermöglicht es Unternehmen, ihre gewachsenen Strukturen zu nutzen und trotzdem die verschiedenen Anforderungen der Auftraggeber zu erfüllen. Somit ist kein Marktteilnehmer in seiner BIM-Entwicklung von anderen abhängig.

Die Plattform kann unter
https://merkmalservice.at getestet werden.

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