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Allianzvertrag Hochbau: Die Sicht der Auftragnehmer
Foto: Schedl

Das House of Science & Engineering der FH Campus Wien ist das erste Projekt, das mit einem Allianzvertrag »Hochbau« umgesetzt wird. Nicht nur der Auftraggeber ist mit dem neuen Vertragsmodell hochzufrieden, auch die Auftragnehmer ziehen ein äußerst positives Zwischenfazit.

Im letzten Jahr haben Auftraggeber Donau Chemie und Auftragnehmer Swietelsky mit Unterstützung von der auf Ingenieurdienstleistungen spezialisierten Bernard Gruppe und Heid und Partner mit dem gängigen Vorurteil gebrochen, dass sich Allianzverträge nur für große Infrastrukturprojekte eignen. Sie haben beim Projekt Kraftwerk Wiesberg eine weitgehend unspektakuläre Stollenaufweitung kurzerhand als Allianzvertrag »light« abgewickelt. Dabei wurden nur bestimmte Aspekte wie die gemeinsame Risikosphäre (risk sharing), die in einem eigenen Vergütungsmodell mit Bonus-Malus-System umgesetzt wurde, aus dem klassischen Allianzmodell entnommen.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch der von Daniel Deutschmann von Heid und Partner entwickelte Allianzvertrag »Hochbau«. Weil es im Hochbau bei vielen Projekten nicht die ganz großen Risiken und Unbekannten gibt, wurde ein hybrides Modell entwickelt, bei dem die Vergütung über Pauschal- und Maximalpreisvertrag erfolgt und mit einer gemeinsamen Risikosphäre sowie einer gemeinsamen hierarchischen Organsationsstruktur ergänzt wird. Der Pauschalpreis kommt in den Bereichen zum Einsatz, die gut kalkulierbar sind und wo es kaum Optimierungspotenzial gibt, der Maximalpreis-Anteil bietet Raum für eine gemeinsame Optimierung des Projekts durch Auftraggeber und Auftragnehmer. Bleibt man unter dem Maximalpreis, teilt man den Gewinn, bei Überschreitung des Maximalpreises trägt der Auftragnehmer die zusätzlichen Kosten.

Dazu kommt eine gemeinsame Risikosphäre, die als Puffer für den Maximalpreis dient. »In diese gemeinsame Risikosphäre kann man die Aspekte des Projekts nehmen, die im Vorfeld nicht gut abschätzbar sind, etwa der Baugrund oder Bestandsrisiken wie Asbest«, erklärt Deutschmann. Erstmals umgesetzt wird der Allianzvertrag »Hochbau« beim Projekt House of Science & Engineering der FH Campus Wien. Das erste Zwischenfazit des Auftraggebers fällt äußerst positiv aus. Schon in der Vergabephase ist deutlich mehr Input von Bieterseite gekommen als üblich. Das Interesse, im Sinne von »Best for the Project« zu agieren, ist auf beiden Seiten stark ausgeprägt.

»Außerdem werden die Ressourcen deutlich besser zur gemeinsamen Erreichung der Projektziele und gemeinsamen Problemlösung eingesetzt«, zeigt sich Doris Link, Departmentleiterin Bauen und Gestalten an der FH Campus Wien, zufrieden.

Die Erfahrungen der Auftragnehmer

Aber nicht nur der Auftraggeber, auch die Auftragnehmer Strabag und Porr finden am Allianzvertrag »Hochbau« Gefallen. »Beim Projekt der FH Campus Wien sieht man deutlich, wie der vorab gemeinsam definierte, mehrstufige Deeskalations-Prozess eine positive Arbeitsatmosphäre bewirkt«, erklärt Christian Matzner, Bereichsleiter Hochbau Wien bei der Strabag. Überhaupt werde mehr gesprochen als geschrieben. Auch der Aufwand für die Klärung von Mehraufwand und Mehrkosten wird laut Matzner durch den Allianzvertrag deutlich geringer.

Martin Kaltenberger, Prokurist & Gruppenleiter Neubau 1 bei der Porr, sieht den größten Vorteil in der vertraglichen Verankerung der partnerschaftlichen Kommunikation zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. »So sind zusätzlich zu den üblichen Baubesprechungen auf Projektleiterebene, dem Allianzmanagement, Besprechungen mit Teilnehmern der nächsthöheren Hierarchieebene, dem Allianzvorstand, vertraglich vorgesehen«, so Kaltenberger. Diese Besprechungen seien essenziell, um gemeinsam wichtige Entscheidungen zu treffen oder mögliche Herausforderungen auf der Baustelle zu besprechen und partnerschaftlich zu lösen. Für eine erfolgreiche Bauabwicklung ist es wichtig, dass Entscheidungen durch den Auftraggeber zeitgerecht getroffen werden und mögliche Herausforderungen rasch und am Ort des Geschehens gelöst werden. »Dieses Ziel ist nur durch partnerschaftliche und strukturierte Kommunikation erreichbar. Der Allianzvertrag bietet hierfür die rechtliche Grundlage und sorgt für eine Projektabwicklung auf Augenhöhe«, so Kaltenberger.

Im Vorfeld ist der Allianzvertrag »Hochbau« aber mit wesentlich höheren Anforderungen verbunden. »Besonders die gemeinsame Definition der Risikomatrix kann sehr komplex sein, man muss sich schließlich darauf einigen, welche Annahmen man dieser zugrunde legt, etwa beim Baugrundrisiko«, erklärt Matzner.

Auf Auftraggeberseite wird neben dem aufwendigeren Vergabeverfahren vor allem die Open-Book-Abrechnung als Hürde genannt, die eine kompetente und auch ressourcenmäßig ausreichend ausgestattete Bauherrenorganisation erfordert.

Nächstes Projekt am Start

Aufgrund der positiven Erfahrungen steht mit dem Neubau des House of Health Professionals das nächste Allianzvertrag »Hochbau«-Projekt der FH Campus Wienbereits in den Startlöchern. Während das House of Science & Engineering als Generalunternehmer vergeben wurde, wird das aktuelle Projekt als Early Contractor Involvement-Modell mit einer Totalunternehmerausschreibung umgesetzt. Der Auftraggeber erwartet, dass die Planungsarbeiten bereits bautechnische Optimierungen, wie beispielsweise vorgefertigte und standardisierte Elemente, berücksichtigen, um eine kurze Durchlaufzeit der Planungs- und Bauphase und monetäre Einsparungen zu gewährleisten.

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