Dienstag, April 23, 2024

Die Qualität der Ausbildung in der Bauwirtschaft ist hoch. Österreichisches Know-how ist international gefragt. Probleme macht die Quantität: Pro Jahr fehlen rund 2.000 Lehrlinge.

Krise hin, Krise her, das Bauwesen ist nach wie vor einer der wichtigsten Wirtschaftszweige Österreichs. Rund 250.000 Mitarbeiter produzieren einen jährlichen Gegenwert von mehr als 30 Milliarden Euro. Zwar sind die Zahlen im Moment nicht ganz so rosig – allein im Februar ist die Arbeitslosigkeit am Bau um 31 Prozent gestiegen –, am Stellenwert der Branche für den Wirtschaftsstandort Österreich ändert das aber nichts. Probleme macht allerdings die Jugend. Auch wenn vereinzelt die Zahl der Lehrlinge deutlich zunimmt – in Wien sollen es in den letzten fünf Jahren stolze 35 Prozent gewesen sein –, hat die österreichische Bauwirtschaft ein veritables Nachwuchsproblem: Laut Bundesinnung Bau fehlen der Branche pro Jahr rund 2.000 Lehrlinge. Mit der Kampagne »BAU deine Zukunft« und der Aussicht auf attraktive Karrierechancen soll jetzt den jungen Burschen und verstärkt auch Mädchen der Job in der Bauwirtschaft schmackhaft gemacht werden. Drei Jahre dauert die Lehre zum Maurer, Schalungsbauer oder Tiefbauer. Anschließend daran kann die Ausbildung zum Polier und später zum Bauleiter folgen, der in Planungsbüros, bei Statikern, Architekten oder Baufirmen im mittleren Management tätig ist. Nächste Stufe ist die Baumeisterprüfung, mit der man sich selbständig machen kann. Dass die Fachkräfte auch in den nächsten Jahren gebraucht werden, ist unbestritten. Laut einer WIFO-Studie werden im Jahr 2050 mehr als neun Millionen Menschen in Österreich leben, davon alleine zwei Millionen in Wien. »Die Schaffung dieses benötigten Wohnraumes sowie die bautechnischen Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele werden nur durch Investitionen in den Baubereich realisierbar sein«, sagt Bundesinnungsmeister Hans Werner Frömmel, der überzeugt ist, dass »Baufachkräfte trotz des schwierigeren wirtschaftlichen Umfeldes weiters sehr begehrt bleiben werden«. Und das nicht nur in Österreich, sondern international. Anders als etwa in der Gastronomie, wo zwei Drittel aller Beschäftigten aus dem Ausland kommen, sind heimische Maurer, Tief- und Schalungsbauer gefragte Fachkräfte auf Baustellen in aller Welt. Besonders im Tunnelbau vertraut man weltweit auf österreichisches Know-how.
 
Hohes Niveau
Das gute Ausbildungsniveau in Österreich verdanken die Lehrlinge dem sogenannten »trialen Ausbildungssystem«, der Ausbildung in Unternehmen, Berufsschulen und in den Bau­akademien. Jeder Lehrling besucht zur Ergänzung der fachpraktischen Ausbildung rund drei Wochen pro Lehrjahr eine der bundesweiten Akademien. Sie wurden von der österreichischen Bauwirtschaft ins Leben gerufen, um die kontinuierliche Weiterbildung der Lehrlinge und ausgebildeten Fachkräfte zu gewährleisten. Sie bieten ein Bildungsangebot, das die Weiterentwicklung der handwerklichen Fertigkeiten ebenso berücksichtigt wie die Vermittlung von technischen und kaufmännischen Inhalten, Persönlichkeitsseminare und individuelle Beratung. »Es wird immer wichtiger, sich fortzubilden, auch am Bau entwickelt sich alles immer rascher, neue Produkte verlangen nach neuen Techniken, Verarbeitungsrichtlinien verändern sich und innovative Materialien sind heikler in der Verarbeitung, deshalb ist laufende Weiterbildung unumgänglich«, erklärt der Vorstand der Bauakademie Wien Christian Petzwinkler.
Das Ziel der Bauakademien ist eine möglichst praxisnahe Ausbildung. »Die Ausbildung soll sich nach den Wünschen der Branche richten«, sagt Peter Scherer, Leiter der Bauakademie Österreich. Das Problem dabei ist die heterogene Mitgliedslandschaft. »Bei 10.000 Mitgliedern kann man es natürlich nicht allen recht machen«, weiß Scherer. Viele Unternehmen haben an dem Aus- und Weiterbildungsangebot ohnehin nur wenig Interesse. Speziell KMU sind mit dem Tagesgeschäft oft so ausgelastet, dass ihnen nicht unbedingt der Sinn nach anderweitiger Betätigung steht. Größere Unternehmen tun sich laut Scherer deutlich leichter, ihren Mitarbeitern die eine oder andere Fortbildung angedeihen zu lassen.
Große Themenschwerpunkte wie Energie oder Nachhaltigkeit werden gemeinsam konzipiert und umgesetzt. Um auf dem Laufenden zu bleiben, finden regelmäßige Zusammenkünfte der Bauakademieleiter statt. Vier- bis fünfmal im Jahr trifft man sich, evaluiert das bestehende Angebot und bespricht mögliche Themen für die Zukunft. Derzeit hoch im Kurs: Alles rund um das Thema Projektmanagement sowie der Dauerbrenner Energie.    

Weitere Angebote
Die Bauakademien sind aber nicht die Einzigen, die die Bauwirtschaft mit Aus- und Weiterbildungsangeboten versorgen. Auch klassische Institutionen wie WIFI oder bfi haben die Bauwirtschaft im Visier. Am bfi versucht man, ähnlich den Akademien die Lehrangebote nach den Anforderungen der Wirtschaft zu richten. »Unsere Kurse werden mit Kooperationspartnern und Trainern konzipiert und je nach wirtschaftlichen Veränderungen adaptiert«, sagt Gabriele Masuch, Kommunikationsleiterin bfi Wien. Die Qualitätsmerkmale des Trainings am bfi sieht Masuch in der Praxisorientierung, den anerkannten Zertifikaten sowie dem Lerntransfer. Neu im Angebot des bfi-Wien sind die Fachausbildung zur Sicherheitsfachkraft sowie das Thema Bauarbeitenkoordinationsgesetz. Zudem gibt es unter anderem eine Einführung in die Solarthermie, einen Diplom-Lehrgang Facility Management, die Basisausbildung zur Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung sowie die modulare Ausbildung zum Objektleiter. Als Antwort auf den Fachkräftemangel führt das bfi Wien im Auftrag des AMS Intensivausbildungen für Facharbeiter nach dem Berufsausbildungsgesetz durch. Die Intensivausbildungen haben das Ziel, im zweiten Bildungsweg eine Lehrabschlussprüfung abzulegen. Die Ausbildungsdauer in einem modularisierten Lehrgang liegt zwischen 13 bis 17 Monaten und hängt von Vorkenntnissen, Lernerfolgen und berufsspezifischen Notwendigkeiten ab.
Die aktuelle Krise hat für die Bildungseinrichtungen auch positive Seiten. Zwar werden in vielen Unternehmen die Personalkosten runtergeschraubt, die Fachkräfte will man aber nicht verlieren. »Deshalb wird in Weiterbildungsmaßnahmen investiert, um für den Wirtschaftsaufschwung gerüstet zu sein«, erklärt Masuch. Das bfi Wien verzeichnet seit Ende 2008 ein Umsatzwachstum von zehn Prozent. Und auch Lukas Bergmann vom WIFI kann von einer zunehmenden Nachfrage nach Weiterbildungen berichten. Besonders nachgefragt werden beim WIFI derzeit Ausbildungen im Bereich Betontechnologie, auf dem Energiesektor sowie in der Immobilienverwaltung. Die Angebote werden anhand der Nachfrage der Branche erstellt und auf Basis sich ändernder Anforderungen in Normen und der Legislative. 

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