Freitag, April 19, 2024
Neue Spielarten

Das Internet der Dinge wird das Facility Management in Zukunft grundlegend verändern. Viele sehen in dieser Vernetzung von Gegenständen den sozial verträglichen Produktivitätshebel des 21. Jahrhunderts. Das starre Leis­tungsverzeichnis tritt immer weiter in den Hintergrund.

Eine aktuelle Umfrage des Beratungsunternehmens EY Real Estate zeigt, dass die Digitalisierung der Immobilienbranche messbar an Fahrt gewinnt. 90 Prozent der Befragten sehen in der Digitalisierung ein sehr relevantes Handlungsfeld für ihr Unternehmen.  »An der Digitalisierung kommt heute kaum ein Akteur der Immobilienwirtschaft mehr vorbei«, sagt Christian Schulz-Wulkow, Leiter des Immobiliensektors in Deutschland, Österreich und der Schweiz bei EY. Als Haupttreiber der Digitalisierung nannten die Umfrageteilnehmer Investoren, Projektentwickler und Planer. Knapp zwei Drittel sehen auch Asset Manager, technische Gebäudedienstleister und Facility Manager als wesentliche Kraft.

Gerade auch im Facility Management bieten die Digitalisierung und all das, was gemeinhin unter Industrie 4.0 zusammengefasst wird, enorme Möglichkeiten. Allerdings geht es dabei um deutlich mehr als Computerunterstützung (CAFM – Computer aided Facility Management) oder den Einsatz mobiler Endgeräte. Das Zauberwort heißt IoT, Internet of Things. Beim Internet der Dinge geht es um die Vernetzung von »intelligenten« Gegenständen sowohl untereinander als auch nach außen hin mit dem Internet. »IoT lässt große Potenziale erkennen. Was es der Branche tatsächlich bringen wird, kann heute noch nicht seriös abgeschätzt werden. Es lohnt aber jedenfalls, sich damit intensiv zu beschäftigen«, erklärt Wolfgang Gleissner, Geschäftsführer der BIG.  
In der jüngeren Vergangenheit wurde das Internet der Dinge allerdings Opfer eines weitreichenden Missverständnisses.

»IoT wurde damit verwechselt, dass in neuen Gebäuden eine Unmenge an Sensoren eingebaut wurden, die eine Menge gekostet und unglaublich viel Daten produziert haben, die nicht immer sinnvoll ausgewertet wurden.« Das hat viele abgeschreckt. Dazu kam eine gewisse Angst vor der Zukunftssicherheit der eingebauten Technologie. »Niemand konnte garantieren, dass die teuer eingebaute Technologie auch das in Zukunft gültige Format sein wird. Das erinnert an den Video-Streit der 1980er-Jahre zwischen VHS und Video 2000. Da war auch nicht absehbar, welches Format sich durchsetzt, und diejenigen, die auf Video 2000 setzten, hatten das Nachsehen«, erklärt Alexander Redlein, Professor für Real Estate and Facility Management an der TU Wien. Dieses Problem konnte allerdings durch enorme Fortschritte in der Sensortechnologie beseitigt werden. Die Sensoren sind deutlich günstiger geworden und müssen nicht mehr teuer und aufwendig bei der Errichtung mitgeplant und verbaut werden. »Die aktuelle Technologie erlaubt es, dass die Sensoren einfach aufgeklebt werden, der benötigte Strom kommt über Photovoltaik«, weiß Redlein. Die Sensoren können sowohl einzelne Geräte als auch ganze Räume überwachen.

Neue Wege

Diese Vernetzung und Überwachung erlaubt eine neue Spielart des Facility Managements. So kann etwa an die Stelle eines strikten Leistungsverzeichnisses mit fixen Reinigungsintervallen eine zustandsabhängige Betreuung treten. Eine Toilette wird dann nicht mehr dreimal täglich gereinigt, sondern erst nach einer bestimmten Anzahl von Nutzungen. »Ist die Nutzungszahl erreicht, kann die Information direkt in den Dienstplan des Reinigungspersonals fließen oder es ergeht eine SMS an die Reinigungskraft«, erklärt Redlein. Damit kann die Produktivität deutlich gesteigert werden, einzelne Mitarbeiter können bei gleichbleibenden Arbeitsaufwand deutlich mehr Fläche betreuen. Für BIG-Geschäftsführer Gleissner ist IoT folgerichtig der »sozial verträgliche Produktivitätshebel des 21. Jahrhunderts«.

Das Konzept greift aber nicht nur in der Reinigung. Auch beim Betrieb von technischen Anlagen sind enorme Produktivitätssteigerungen möglich. Dank »predictive maintenance« unterliegen Anlagen dann nicht mehr einem starren Wartungsplan, sondern werden dann überprüft, wenn das System einen Fehler meldet. »Das Problem ist, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen dem technologischen Fortschritt nicht entsprechen«, kritisiert Gleissner. Technisch wäre es kein Problem, dass etwa ein Aufzug Störungen erkennt und an eine Leitstelle übermittelt. Dort wird die Meldung analysiert und es werden die notwendigen Gegenmaßnahmen in Gang gesetzt. »Dafür fehlt aber noch die Rechtssicherheit.«

Woran die Dienstleister arbeiten

Facilitycomfort beschäftigt sich schon seit Jahren mit der Digitalisierung von Facility-Prozessen. Großes Potenzial sieht man vor allem in der Automatisierung von Abläufen in der Gebäudewartung und Instandhaltung, speziell wenn es um die Nutzung von BIM- Daten geht. »Die Schnittstellen von »BIM2FIM« bedürfen einer Standardisierung, damit sie nicht mit der ›Schlüsselübergabe‹ nach Planung und Errichtung für den nachfolgenden Betrieb verlorengehen, sondern weiter genutzt werden können«, erklärt Christian Call, Leiter Innovation & Communication bei Facilitycomfort. Ein weiteres Innovationsprojekt beschäftigt sich mit Predictive Maintenance. Ein wenig nach Science-Fiction klingt das Projekt HoloLens, das ein »hands free«-Arbeiten ermöglichen soll, indem die CAFM-Daten nicht mehr am Tablet abrufbar sind, sondern direkt in der Mixed-Reality-Brille. Weiters glaubt man bei Facilitycomfort, dass die Techniker künftig dank neuer Technologien vor Ort direkten Zugriff auf Messwerte, Statusmeldungen und Störmeldungen haben werden. Und schließlich wird die elektronische Dokumentation von einzelnen Tätigkeiten und Arbeitsschritten über mobile Geräte zum Standard werden.

Für Apleona-Geschäftsführer Gerhard Schenk ist die wichtigste Aufgabe, herauszufinden, welche Lösungen einen qualitativen und ökonomischen Nutzen haben und was lediglich ein »Nice-to-have« ist. »Wir setzen aktuell ein sehr weit entwickeltes CAFMS ein, das uns im Bereich des geordneten, durchgängigen Prozessablaufes sowohl auf der Kosten- als auch Qualitätsseite bereits sehr viel gebracht hat«, erklärt Schenk. »Des Weiteren versuchen wir, Sensorik im haustechnischen Bereich direkt mit unserem CAFMS zu verbinden, um dort automatisch Prozesse auszulösen die unsere Mitarbeiter administrativ entlasten und gleichzeitig sicherstellen, dass wir im Sinne der ›predictive maintenance‹ tätig werden, bevor die Anlagen auf Störung gehen.«

Meinungen zum Thema:

O-Ton von Apleona-Geschäftsführer Gerhard Schenk

BIM-Tagebuch von Klaus Lengauer: Betriebskosten senken mit BIM

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