Donnerstag, April 25, 2024

Frauen sind in Technikberufen immer noch stark unterrepräsentiert. In der Bauwirtschaft ist die Quote noch schlechter als in anderen Branchen. Das war das Ergebnis einer Umfrage des Bau & Immobilien Report im März 2015. Ein aktuelles Update der Umfrage zeigt, dass sich die Situation geringfügig verbessert hat. Von einem echten Gegentrend kann aber noch keine Rede sein.  

Laut einer aktuellen Umfrage der Industriellenvereinigung leiden 83 Prozent der österreichischen Industriebetriebe an Rekrutierungsschwierigkeiten in den sogenannten MINT-Fächern, also in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Gleichzeitig liegt der Frauenanteil technischer Fachkräfte in Österreich bei gerade einmal 15 %. Immer mehr Unternehmen versuchen deshalb mit unterschiedlichsten Maßnahmen, Frauen für Technikberufe zu gewinnen, auch in der Bauwirtschaft. Es zeigt sich aber, dass der Weg zu einem höheren Frauenanteil in einer traditionell männerdominierten Branche wie der Bauwirtschaft sehr mühsam ist.

Im März 2015 hat der Bau & Immobilien Report führende Vertreter der heimischen Bauwirtschaft zum Frauenanteil in ihrem Unternehmen befragt. Das Ergebnis war ernüchternd, denn in der Bauwirtschaft war der Frauenanteil noch niedriger als gesamtwirtschaftlich betrachtet. Nur 9,8 % der technischen Berufe waren mit Frauen besetzt. Ähnlich die Situation in der ersten und zweiten Führungsebene, wo nur 10,9 % weiblich waren. Ein aktuelles Update dieser Umfrage zeigt nicht nur, dass sich in den letzten 25 Monaten die generelle Mitarbeiteranzahl in fast allen Unternehmen signifikant erhöht hat, sondern dass es auch hinsichtlich der Frauenquote eine leichte Verbesserungen der Situation gab. Während der Anteil weiblicher Führungskräfte mit 10,8 % praktisch unverändert blieb, konnte der Frauenanteil im technischen Bereich auf immerhin 11,7 % gesteigert werden. Von einem echten Trend zu sprechen, wäre allerdings verfrüht.

Das bestätigt auch Brigitte Ratzer, Leiterin der Abteilung Genderkompetenz an der TU Wien. »Viele Gespräche mit Studierenden und Absolventinnen verstärken bei mir den Eindruck, dass sich in dem Bereich leider nicht wirklich viel tut.« Das Phänomen, dass Frauen in typische Frauenberufe gehen und Männer in typische Männerberufe, sei speziell in der DACH-Region, in Deutschland, Österreich und der Schweiz, sehr stark ausgeprägt. »Das ist in anderen Ländern weit weniger schlimm.« Die Versuche, dies zu ändern, bringen laut Ratzer noch nicht den erhofften Erfolg. Dafür seien viel weiter reichende politische Maßnahmen nötig. Möglich wäre etwa, im Rahmen des Bestbieterprinzips die Vergabe von öffentlichen Aufträgen an eine Frauenquote zu koppeln. Ratzer nimmt aber auch die Unternehmen selbst in die Pflicht. »Das ist auch eine Frage der Unternehmenskultur.  Es geht um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, um Arbeitszeiten und ein Betriebsklima, das Diversität fördert.«

Was Unternehmen tun ...

Viele Unternehmen aus der Bauwirtschaft sehen das erfreulicherweise genauso und versuchen die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen. Kirchdorfer etwa ermöglicht seinen Mitarbeiterinnen eine flexible Arbeitszeitenregelung und bietet die Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung, um »die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts zwischen Beruf, Familie und Freizeit zu erleichtern«, wie Geschäftsführer Erich Frommwald erklärt. Auch bei Wienerberger werden Teilzeitmodelle zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie angeboten. Außerdem sollen künftig Frauen bei der Besetzung von Führungspositionen bei gleicher Qualifikation bevorzugt behandelt werden.

Auch bei der S Immo werden Frauen »bei gleicher Qualifikation und Erfahrung bevorzugt berücksichtigt«. Die CA Immo hat den Versuch des Shared Leadership gestartet, um den Frauenanteil in Führungspositionen zu erhöhen. Als Pilotprojekt wird derzeit eine Abteilung von einem Führungsteam, bestehend aus einem Mann und einer Frau, geführt. Auch bei Würth wünscht man sich einen höheren Frauenanteil, denn »sowohl die Unternehmenskultur als auch der Teamgeist werden durch gemischte Teams bereichert«. Deshalb hat man sich im Nachwuchsbereich auch bewusst für drei weibliche Lehrlinge entschieden. Außerdem wird an sogenannten »Zwickeltagen« eine Kinderbetreuung in der Zentrale in Böheimkirchen angeboten. 

Eine Vorreiterrolle in der Branche nimmt sicher ATP architekten ingenieure ein. Schon vor acht Jahren hat man mit dem »ATPünktchen« die erste private Kinderkrippe eines Architektur- und Ingenieurbüros in Österreich gegründet. Mit frauenfördernden Maßnahmen, als ein Ergebnis der internen Task-Force von ATP-Frauen, will ATP zukünftig die Frauenquote noch weiter steigern, besonders in den Führungsebenen. Wesentliche Eckpunkte sind unter anderem gleiches Gehalt und Aufstiegsmöglichkeiten für Männer und Frauen, flexible Arbeitszeiten mit nur drei Stunden Kernarbeitszeit und Kinderbetreuungsangebote an allen Standorten.

Die Strabag hat es sich bereits 2013 zum Ziel gesetzt, den weltweiten Frauenanteil im Konzern Jahr für Jahr zu steigern. Auf Österreich bezogen ist das in den letzten zwei Jahren auch durchaus gelungen. In der ersten und zweiten Führungsebene wurde der Frauenanteil von 5 % auf 7,8 % gesteigert, im technischen Bereich von 7 % auf 7,7 %. Gelungen ist das unter anderem damit, dass das Personalmarketing gezielt weibliche Studierende, Absolventinnen und Bewerberinnen anspricht und ein Leitfaden hinsichtlich Elternkarenz und Rückkehrmanagement erarbeitet wurden. Zudem feierten 2015 die konzerninternen »Technikerinnentage« in Österreich Premiere. Ähnliche Veranstaltungen fanden mittlerweile auch in Stuttgart, Köln und Hamburg statt.

Die Porr hat seit Herbst 2016 spezielle Schulungen für Frauen im Programm. Unter dem Titel »Empowerment für Frauen im Bauumfeld – Stärke deine Fähigkeiten« wird an der Stärkung des Selbstvertrauens und dem Bewusstmachen der eigenen Stärken gearbeitet. Mit Ende 2016 wurde zusätzlich ein Mentoringprogramm für Frauen ins Leben gerufen. Und seit Anfang 2017 gibt es in der Porr-Zentrale ein Eltern-Kind-Büro. Bei kurzfristigen Betreuungsnotfällen können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihr Kind zur Arbeit mitbringen und beaufsichtigen, während sie ihre Arbeit machen.

Glossar: Leaky Pipeline

Ein Erklärungsmodell für den Frauenmangel in technischen Berufen ist das »Leaky Pipeline«-Konzept. Diese Metapher einer Rohrleitung beschreibt die potenziellen Leaks in der Biografie von Frauen, an denen Frauen die technische Berufslaufbahn verlassen. Das beginnt bei der fehlenden frühkindlichen Förderung des technischen Interesses von Mädchen und reicht über die Abwesenheit von entsprechenden Vorbildern und das fehlende aktive Anwerben von weiblichen Lehrlingen und Studierenden bis hin zum für viele abschreckenden Minderheitenstatus von Frauen in technischen Berufen.

Hier geht es zu den Detailergebnissen, Bau & Immobilien Report, Ausgabe 5/2017, Seite 14-15 (E-Paper)

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