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Österreichs Bauwirtschaft hat sich dank des guten ersten Halbjahres positiv über das heurige Jahr gerettet. Kreditklemme und Wirtschaftseinbruch lassen seit dem Sommer für 2009 die Alarmglocken schrillen. Die Hoffnung liegt nach wie vor in der Sanierung, die aber aufgrund mangelnder Anreize auch heuer nicht vom Fleck kam. Der Baustoffindustrie macht das Thema CO2 zu schaffen.

Die Zukunft der heimischen Bauwirtschaft liegt im Nebel der Unsicherheit. Winfried Kallinger, Bauträgervertreter in der Wirtschaftskammer, schlägt jedenfalls Alarm. »Wenn der Wohnbau nicht angekurbelt wird, sind massive Auftragsrückgänge für die Bauwirtschaft unausweichlich«, meint er. Denn die noch ungebrochene Nachfrage nach Wohnraum mache geeignete Maßnahmen im Bau- und Förderrecht sowie bei der Finanzierung notwendig. So könnten etwa brachliegende Betriebsgründe in Wohnbauland umgewidmet und eine eigene Widmung für geförderten Wohnbau geschaffen werden. Staatliche Sicherungsmaßnahmen könnten die Vergabe von Baudarlehen erleichtern und den Rückgang bei den von Wohnbaubanken emittierten Anleihen eindämmen, so Kallinger. »Banken müssen wieder Geld verleihen, dazu sind sie eigentlich da. Sie nehmen ihre Funktion aber derzeit nicht wahr«, kritisiert der Bauträgersprecher die im Zuge der Finanzkrise restriktiver gewordene Politik der Institute. Wenn einmal die Regeln für die Staatshaftung klar seien, könnte sich die Situation für die Wohnbauwirtschaft im Verlauf des ersten Halbjahres 2009 so weit normalisieren, dass der zu erwartende Rückgang gegen Jahresende wieder zu dem Niveau aufschließen werde, das der Wohnbau bis zur Mitte des heurigen Jahres halten konnte.

2008: Keine Klemme im Wohnbau
Und das war für Österreichs Wohnbauwirtschaft nicht so schlecht, 2008 war eigentlich ein gutes Jahr. Vor allem die gemeinnützigen Wohnbauträger können sich nicht beklagen. Knapp 16.000 gemeinnützige Wohnungen seien heuer österreichweit errichtet worden, berichtet Karl Wurm, Obmann des Verbands der gemeinnützigen Bauvereinigungen (gbv). Anders als im gewerblichen Hochbau, wo sich die Finanz- und Wirtschaftskrise seit Jahresmitte bemerkbar macht, hat sich die Kreditklemme sowohl im gewerblichen geförderten wie im gemeinnützigen Wohnbau noch nicht ausgewirkt. Im frei finanzierten Wohnungsneubau habe es lediglich im mittleren Eigentumssegment einen Einbruch gegeben, berichtet Kallinger. In der Bundeshauptstadt Wien seien in diesem Segment heuer lediglich ein paar hundert Wohnungen fertiggestellt worden, im geförderten Eigentumswohnungsneubau waren es weniger als hundert.
Also doch Anzeichen der sich anbahnenden Rezession? Die schwieriger gewordene Finanzierung durch die Banken betrifft natürlich auch die Endkunden, deshalb gebe es einen eindeutigen Trend zu Mietwohnungen, die ohne Eigenmittel finanziert werden können und wo man flexibler auf geänderte wirtschaftliche Situationen reagieren könne, meint Karl Wurm. Auch der Gemeinnützigen-Obmann sieht ein Bankenproblem, das zu einem Rückgang der Wohnbautätigkeit im kommenden Jahr führen wird. »Seit zwei Monaten ist die neben der Wohnbauförderung wichtigste Refinanzierungsquelle, nämlich die günstigen Gelder aus den Wohnbaubankanleihen, versiegt«, schlägt Wurm Alarm. Das werde für die Wohnbauwirtschaft dann zu einem Problem, wenn es keine Zeichner von Anleihen mehr gebe und die Wohnbaugesellschaften dann Geld am normalen Geldmarkt aufnehmen müssten, was sie bedeutend teurer komme.

Zu wenige Sanierungen
Gut unterwegs war vor allem die gemeinnützige Wohnbauwirtschaft im Bereich der Sanierung. Geht man nach der vom Informationsdienstleister Bau Data veröffentlichten Statistik, waren von 15.500 Bauansuchen, die heuer gestellt wurden und die den höchsten Stand in den letzten sechs Jahren darstellen, 60 Prozent Sanierungseinreichungen. Doch Einreichungen müssen nicht zwangsläufig auch Realisierungen bedeuten. Dennoch seien diese Zahlen ein gutes Signal für die Sanierung, meint Manfred Katzenschlager, Geschäftsführer der Geschäftsstelle Bau in der Wirtschaftskammer. Auch der Klimawandel und die daraus resultierenden Anstrengungen zur Förderung der thermischen Gebäudesanierung konnten der Bauwirtschaft, vor allem dem Baugewerbe, zumindest einen Hoffnungsschimmer verschaffen. Wobei die Gemeinnützigen durch den im Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz festgelegten Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag, den die Wohnbaugesellschaften von den Mietern zur Sicherung von Erhaltungsarbeiten einheben dürfen, bei der Sanierung begünstigt sind, wie gbv-Obmann Wurm einräumt.
Von den rund 3,6 Millionen Wohnungen in Österreich werden derzeit pro Jahr nur ein Prozent, also maximal 36.000 Wohnungen, thermisch saniert.

Anreize erhöhen
Dass das zu wenig ist, um einerseits dem Baugewerbe zu helfen, das seine Umsätze zu einem Großteil in diesem Bereich lukriert, und andererseits die von der Bundesregierung ausgerufene Klimastrategie zu unterstützen, darin sind sich alle, die mit der Materie zu tun haben, einig. Aber auch die 100 Millionen Euro, die die neue Regierung für die thermische Sanierung bereitstellen will, wird als ein Tropfen auf den heißen Stein angesehen, wenn damit tatsächlich eine Reduktion des Heizwärmebedarfs und damit der CO2-Emissionen erreicht werden soll. Der ökonomische und ökologische Druck hat mittlerweile dazu geführt, dass sich das Baugewerbe, die Wirtschaftskammer und die Bauarbeitergewerkschaft heuer im Herbst mit einer Umweltschutzorganisation – traditionell eher keine besonderen Freunde – zu einem »Baupakt« zusammengetan haben, um das Thema Sanierung voranzutreiben. Gefordert wird statt den 100 Millionen rund eine Milliarde Euro, um öffentliche Gebäude zu sanieren, aber auch, um damit den Einfamilienhausbesitzern etwa steuerliche Anreize zu bieten, ihre Fassadendämmung oder die Fenster zu erneuern.
»Es gibt zu wenig Förderanreize in der Sanierung«, meint Katzenschlager. Er beziffert die »Reizschwelle« für Sanierungen bei einer Förderung, die 30 bis 45 Prozent der Investitionssumme ausmacht. Auch gbv-Obmann Wurm betont, dass eine flächendeckende Sanierung nur dann möglich ist, wenn Geld in die Hand genommen wird. Gleichzeitig warnt er davor, das Geld aus der Wohnbauförderung komplett in die Sanierung umzulenken, wie das im Lauf des Jahres von mehreren Seiten gefordert wurde. Gerade in Hinblick auf den kommenden Konjunktureinbruch sei es notwendig, den Neubau im Wohnbereich weiterhin zu fördern, so Wurm.

Zuwächse bei der Bauindustrie
Andere Sorgen plagen die Bauindustrie. Nicht so sehr das abgelaufene Jahr. Das war auch für die Bauwirtschaft durchaus schön und positiv: Heuer wird es in Industrie und Gewerbe mit einem Bauproduktionswert von rund 15 Milliarden Euro insgesamt einen Zuwachs von zwei Prozent gegenüber 2007 geben, wobei der Tiefbau mit einem Plus von 5,5 Prozent – traditionell – besser dasteht als der Hochbau, der nur um 0,8 Prozent wuchs. Auch die Auftragseingänge waren heuer zufriedenstellend: Plus 28 Prozent im Tiefbau und zumindest eine Stagnation auf hohem Niveau im Hochbau seien zu verzeichnen, erzählt Michael Steibl, Geschäftsführer der Vereinigung der Industriellen Bauunternehmen Österreichs (VIBÖ). Vor allem der Straßenbau sorgte heuer für das große Plus: So wurden zwecks Erhöhung der Verkehrssicherheit zweite Röhren für Pfänder-, Roppener und Katschbergtunnel gebaut oder begonnen, die zweite Röhre für den Bosrucktunnel ist gerade in Vorbereitung. Mit der S 35, der Schnellstraße Bruck–Graz und dem weiteren Ausbau der Nordautobahn wurden große Lückenschlussprogramme auf der Straße in Angriff genommen. Auch die Bahn hat der Bauindustrie heuer Freude gemacht. Wienerwaldtunnel, Unterinntaltrasse so-
wie die Verlängerung der Wiener U-Bahnlinie U2 sorgten für Auftragseingänge und haben sich entsprechend auf die Arbeitsmarktsituation in der Bauwirtschaft ausgewirkt: So war im ersten Halbjahr 2008 ein zweistelliger Rückgang bei den Arbeitslosen zu verzeichnen, im zweiten Halbjahr immerhin noch ein einstelliger Rückgang. Betrug die Arbeitslosenrate in der Bauindustrie im Sommer 2007 13.000, waren es heuer 11.000 bis 12.000, so Steibl. In Summe beschäftigt die Baubranche in Österreich rund 240.000 Menschen.

Sorgenvoller Ausblick
Sorgen macht der Bauindustrie vielmehr der Ausblick auf das kommende Jahr. Die Finanzkrise habe sich schon heuer bemerkbar gemacht, Geld zu bekommen wird vor allem für Projektentwickler immer schwieriger, bestätigt auch VIBÖ-Vertreter Steibl die immer restriktiver werdende Kreditvergabe durch die Banken – auch wenn diese eine solche dementieren. Auf der anderen Seite ist im Tiefbau vonseiten der öffentlichen Hand nur mehr mit bescheidenen Zuwächsen zu rechnen – die Straßen- und Tunnelbauprogramme der Asfinag hätten ihren Höhepunkt bereits erreicht, glaubt Steibl.
Sorgen haben der Bauindustrie heuer aber auch die »massiven Ausschläge« auf den Beschaffungsmärkten für Baustoffe bereitet, so Steibl. Die Preise für Stahl und Bitumen haben bis zum Sommer Rekordwerte erreicht, danach ist der Stahlpreis wieder gefallen, während das Erdölprodukt Bitumen noch immer auf hohem Preisniveau liegt. Diese Preissprünge seien auch in Zukunft zu erwarten, stetige Preisentwicklungen »sind Vergangenheit«, so Steibl. Dass öffentliche Auftraggeber in ihren Verträgen mit der Bauwirtschaft dennoch weiter auf Fixpreisen beharren, macht es dieser bei der Kalkulation immer schwerer. Schon länger fordert die Bauindustrie veränderliche Preise und weist in Zusammenhang mit den nun wieder gefallenen Stahlpreisen auf die Vorteile hin, die ein solches flexibles Preissystem für die Auftraggeber hätte. Denn selbstverständlich würden die veränderlichen Preise auch in diesem Fall gelten, wie Steibl klarstellt.

Plus & minus in der Baustoffindustrie
Analog zur Bauindustrie konnte auch die Baustoffindustrie im ersten Halbjahr 2008 Rekordumsätze verzeichnen. 4,89 Prozent Umsatzplus in diesem Zeitraum hinterlassen für das Gesamtjahr 2008 ein zufriedenes Resümee – auch wenn die letzten Monate Rückgänge gebracht und das Ganzjahresergebnis auf ein Plus von 1,5 bis zwei Prozent gedrückt haben, wie Carl Hennrich, Geschäftsführer der Fachverbands Stein-Keramik in der Wirtschaftskammer, erzählt. Vor allem die Sparte Zement müsse seit November rückläufige Umsatzzahlen verzeichnen, keine Umsatzrückgänge gebe es hingegen nach wie vor in den Bereichen Keramik, Feuerfest und Schleifmittel.
Gespürt hat die Baustoffindustrie heuer auch das Thema CO2 und die damit verbundene Vergabe von Emissionsrechten. Mit dem von 2008 bis 2013 geltenden »Nationalen Allokationsplan II« (NAP II) wurde die Vergabe von Gratiszertifikaten heuer um sieben Prozent gegenüber dem NAP I gekürzt, was dazu führt, dass Industriebetriebe vermehrt Zertifikate zukaufen müssen, so Hennrich. Derzeit werden ihr nur 4,2 Millionen Zertifikate jährlich zugeteilt, das seien um 1,4 Millionen Emissionseinheiten zu wenig. Bis 2012 müsse die Branche mit zusätzlichen Kosten von mehr als 200 Millionen Euro rechnen.
Doch es hätte noch schlimmer kommen können: Noch im Oktober hat der EU-Umweltausschuss beschlossen, solche CO2-Emissionszertifikate in der ab 2013 laufenden Handelsperiode zu versteigern. Die Emissionsrechte sollen dann nach dem Plan der EU bis 2020 um weitere 0,85 Millionen Tonnen auf etwa 3,4 Millionen pro Jahr verringert werden. Die darüber hinausgehenden CO2-Emissionen müssten zugekauft werden. Bei einem Zertifikatspreis von 30 Euro pro Tonne müsste die Baustoffindustrie rund 25 Prozent ihres Umsatzes dafür aufwenden, meint Hennrich. Damit wäre der Industriestandort Österreich massiv gefährdet gewesen, hatte die Industriellenvereinigung unter Androhung von Werksschließungen und Abwanderungen in Staaten ohne CO2-Handelsregime geklagt. Offenbar mit Erfolg: Beim EU-Gipfel in Brüssel Mitte Dezember wurden, auch unter dem Eindruck der prognostizierten Rezession, Erleichterungen für energieintensive Industrien beschlossen. So werden diejenigen Sektoren, die im internationalen Wettbewerb mit Betrieben aus Staaten ohne CO2-Handelssystem stehen, ihre Zertifikate weiterhin gratis erhalten.

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