Donnerstag, April 25, 2024

„Pfusch am Bau“ ist nicht die Ausnahme, sondern mittlerweile die Regel. Rund 70 Prozent aller Bauprojekte weisen zumindest einen Mangel auf, wie eine aktuelle Untersuchung von Kreutzer Fischer & Partner (KFP) zeigt.

Wer hat sie nicht, die ganz persönlichen Erfahrungen mit Handwerker-Reklamationen? Der subjektive Eindruck, dass im Bauhandwerk wenig exakt gearbeitet wird, wurde nun wieder empirisch bestätigt: Kreutzer Fischer & Partner Consulting  hat insgesamt 476 Bauvorhaben des Jahres 2015 (196 Neubau- und 280 Renovierungsprojekte) einem Qualitätscheck unterzogen.

Das Ergebnis ist für die Branche kein Ruhmesblatt. In praktisch allen Neubauprojekten (99 Prozent!) musste vor und/oder nach Bauabnahme in zumindest einem Gewerk ein Mangel behoben werden. Bei Renovierungsprojekten musste bei mehr als zwei Drittel aller Bauvorhaben nachgebessert werden. Insgesamt wurde bei 70 Prozent aller untersuchten Bauprojekte zumindest ein Baumangel gefunden.

„Von handwerklicher Ehre ist da nicht mehr viel übrig“, so Andreas Kreutzer, Geschäftsführer von KFP. Und das schlimmste dabei ist, dass der Anteil der Bauvorhaben mit Baumängeln wächst. In einer Vergleichserhebung aus dem Jahr 2008 – in der Bauprojekte aus 2007 bewertet wurden – lag der Anteil der Projekte mit zumindest einem Baumangel noch bei 65 Prozent, war also um fünf Prozentpunkte geringer.

Die Gründe für die mangelnde Bauqualität sind vielfältig: Zum einen sinken die Vorgabezeiten aufgrund des steigenden Preis- und Kostendrucks, ohne dass im Gegenzug der Maschineneinsatz oder die Vorfertigung im gleichen Ausmaß wachsen. Auf der Baustelle muss daher die Arbeit immer schneller erledigt werden. Zum anderen fehlt es immer öfter an qualifiziertem Personal. Besonders schlimm ist die Situation in Ostösterreich, allen voran in Wien.

Während in der Bundeshauptstadt bei 83 Prozent (plus acht Prozentpunkte geg. 2008) aller Bauvorhaben Baumängel diagnostiziert wurden, waren es in Tirol und Vorarlberg „nur“ 62 Prozent (plus zwei Prozentpunkte geg. 2008). In Wien wurden 40% aller Baumängel als schwer klassifiziert, im Westen waren es 26%. Die meisten Mängel wurden im Innenausbau (Trockenbau, Anstreicher, Fliesenleger u.ä.) identifiziert (47%). Dahinter liegen bereits die Installateure (38%), vor den Baumeistern (34%).

Bei privaten Bauvorhaben erweist sich die Mängelanzeige oftmals als schwieriges Unterfangen, insbesondere bei leichten Baumängeln. Sehr rasch wird hier vom Professionisten das Argument vom unwesentlichen Mangel ins Treffen geführt. Da eine gerichtliche Auseinandersetzung in der Regel nicht ohne langwierige Sachverständigen-Gutachten vonstatten geht, scheuen viele Bauherren vor rechtlichen Schritten zurück. Dies wird vom Auftragnehmer auch manchmal bewusst einkalkuliert.

Besorgniserregend ist die Situation im Wohnungsneubau. Bei nahezu achtzig Prozent aller untersuchten Bauprojekte musste in mehr als drei Gewerken nachgebessert werden. Im Vergleich zu industriell erzeugten Produkten ein konkurrenzlos schlechter Wert. Man stelle sich nur mal vor, man holt einen Neuwagen vom Händler ab und kann mit fast 80% Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass zumindest drei Mängel reklamiert werden müssen: z.B. ein Kratzer im linken Kotflügel, ein Defekt am rechten Bremslicht und ein schadhafter Kühler.

Die Bauwirtschaft argumentiert die hohe Quote an Baumängeln mit dem hohen Anteil handwerklicher Arbeit. Doch dieses Argument ist nicht schlüssig, denn Handarbeit steht gewöhnlich als Synonym für höchste Qualität. Nur am Bau versucht man damit, Unzulänglichkeiten zu erklären. „Wenn der vergleichsweise hohe Anteil an handwerklicher Arbeit die hohe Mängelquote erklärt, so ist dies ein Argument mehr, den Wohnbau so rasch als möglich auf industrielle Fertigung umzustellen“, so Andreas Kreutzer abschließend.

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